Baker McKenzie

Veröffentlicht am 26.02.2024

Jurist:innen und Digitalisierung: It’s a match!

Christian Koops und Sebastian Schaub von Baker McKenzie im Interview

Christian Koops ist Partner der Praxisgruppe Employment im Münchner Büro von Baker McKenzie. Er berät nationale und multinationale Unternehmen in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten, einschließlich Outsourcing und weiteren Transaktionen. Christian Koops berät bei nationalen und multijurisdiktionalen Projekten, mit Schwerpunkt auf grenzüberschreitenden Transaktionen und Umstrukturierungen. Christian Koops hält häufig Vorträge bei internen und externen Seminaren und führt Schulungen zu einem breiten Spektrum von arbeitsrechtlichen Themen durch. 

Sebastian Schaub ist Senior Product Development Manager im Global Service Design Team, das Teil der Baker McKenzie Innovationsinitiative Reinvent ist. Er konzentriert sich auf die Digitalisierung der Anwaltskanzlei, einschließlich der Entwicklung und Gestaltung neuer digitaler Produkte. Seine Tätigkeit deckt alle Bereiche der agilen Produktentwicklung ab. Sebastian Schaub hält globale Workshops zu Datenanalyse und -visualisierung sowie Design Thinking und arbeitet gemeinsam mit unseren Anwält:innen und Mandanten an digitalen Lösungen.

Herr Koops, Sie arbeiten bereits seit mehr als zehn Jahren bei Baker McKenzie – seit über einem Jahr als Partner. In welchem Fachbereich sind Sie tätig und warum ist Ihre Entscheidung damals auf Baker McKenzie gefallen? 

Christian Koops: Ich bin Arbeitsrechtler. Ich habe bei Baker McKenzie Juli 2012 als Referendar in der Anwaltsstation in unserem Berliner Büro angefangen. Ich hatte bis dahin keine Berührungspunkte mit (internationalen) Großkanzleien. Das wollte ich im Referendariat nachholen, auch wenn ich nach dem Ersten Staatsexamen ursprünglich Richter werden wollte. Ich war bei einem Karriereportal registriert und erhielt einen Anruf des HR Teams von Baker McKenzie, ob ich im Arbeitsrecht meine Anwaltsstation absolvieren wollte.

Nach mehreren Bewerbungsgesprächen mit Baker und weiteren Kanzleien fiel die Wahl auf Baker. Ich hatte ein gutes Gefühl und dieses hat mich auch nicht getäuscht: sehr nette und hervorragende Jurist:innen und Professional Business Services Mitarbeiter:innen als Kolleg:innen, spannende Mandate und eine positive Energie, die ansteckend war – der Rest ist Geschichte: der Richterberuf war passé und es folgten eine Wahlstation in New York, meine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Associate, Senior Associate und dann Partner. 
 

Wie haben Sie Ihr Interesse an LegalTech in Ihren juristischen Werdegang eingebaut? Hatten Sie Ihre Leidenschaft fürs Programmieren bereits vor dem Jurastudium entdeckt?

Christian Koops: Ja, als ich jünger war, wollte ich Informatik studieren. Mit 15/16 Jahren hatte ich einen Minijob bei einem Softwareunternehmen und konnte dort ins Programmieren hineinschnuppern. Ich bin sicher kein professioneller Programmierer und schreibe auch gewiss keine schönen Codes, aber ich sehe das eher pragmatisch - Hauptsache, es klappt am Ende. 

In meinem ersten Jahr als Associate, 2015/2016, betreuten wir eine kleine Reorganisation und mein Auftrag war es, die Kündigungsschreiben und Abwicklungsvereinbarungen zu entwerfen. Die Konditionen für die Abwicklungsvereinbarungen waren bis zum Ende noch nicht ganz klar und wechselten ständig. Mir war das zu unsicher und ich erstellte ein kleines Makro, das die Kündigungen und Abwicklungsvereinbarungen automatisiert formulierte. So musste ich nicht ständig in jedem Abwicklungsvertrag manuell Änderungen vornehmen – letztlich war das Makro eine etwas bessere Serienbrieffunktion. Das Makro habe ich immer weiter entwickelt und irgendwann konnte es Kündigungsfristen und Abfindungen selbständig berechnen, dynamisch Abwicklungsvereinbarungen erstellen, abhängig davon, welche Vertragskonditionen die Mitarbeiter hatten, individuelle Freistellungsdaten einfügen, dreiseitige Verträge und neue Arbeitsverträge erstellen etc. 

Ich fand die Idee spannend, dass wir Anwält:innen uns selbst das Wissen aneignen, um Tools zu programmieren statt sie einzukaufen und uns so abhängig von externen Anbietern zu machen.

Dann kam das Innovation Fellow-Programm als Teil der "Reinvent"-Strategie von Baker McKenzie. Bei diesem Programm können Mitarbeiter:innen aus der ganzen Welt ihre Ideen vorstellen und werden zur Weiterentwicklung und Umsetzung ihrer Ideen mit fachkundigem Personal und Ressourcen ausgestattet. Im Rahmen des Programms konnte ich gemeinsam mit Sebastian an diesem und anderen Projekten weiterarbeiten. Das war eine sehr bereichernde Erfahrung und hat Spaß gemacht.

Was meinen Sie: Hat sich die Zahl an technikaffinen Jurist:innen in den letzten Jahren im Zuge der Digitalisierung spürbar erhöht?

Christian Koops: Was die Technikaffinität angeht, bin ich mir nicht so sicher. Ich glaube aber, dass sich im Gegensatz zu früher die Mehrheit der Jurist:innen heutzutage darüber im Klaren ist, dass der sichere Umgang mit aktuellen und zukünftigen Technologien eine Kernkompetenz ist, die immer mehr auch über den beruflichen Erfolg entscheidet.

Der Wille, sich auch in diesem Bereich fortzubilden und Kompetenzen aufzubauen, hat definitiv zugenommen. Dafür muss man übrigens nicht programmieren können oder die Technologie im Einzelnen verstehen - ein rudimentäres Verständnis hilft schon weiter. Ich muss auch kein Auto reparieren können, wenn ich lediglich am Straßenverkehr teilnehmen will. Es reicht, wenn ich (leidlich) Auto fahren kann. 
 

Als Senior Product Development Manager konzentrieren Sie sich bei Baker McKenzie auf die Digitalisierung der Anwaltskanzlei. Wie sind Sie zur Kanzlei gekommen, Herr Schaub? 

Sebastian Schaub: Ich kam 2017 zu Baker McKenzie, weil ich nach einer spannenden Herausforderung in einem aufregenden Bereich gesucht habe. Meine vorherigen Jobs in der Spezialchemie und im Bereich erneuerbare Energien gaben mir einen guten Einblick in die dynamische Welt von Branchen mit schnellem Wandel. Diese Erfahrungen und meine Begeisterung für Innovation haben mich dazu motiviert, als Produktentwickler bei Baker McKenzie zu arbeiten.

Die digitale Transformation ist ein zentrales Thema in der heutigen Kanzleiwelt. Es ist eine aufregende Reise, die ständige Anpassung erfordert – und genau das liebe ich. Bei Baker McKenzie kann ich meine Erfahrung nutzen, um die Kanzlei bei der digitalen Transformation zu unterstützen und innovative Lösungen zu entwickeln, die den sich wandelnden Anforderungen der Rechtspraxis gerecht werden. 
 

Mal unter uns: Jurist:innen sprechen ja bekanntlich eine eigene Sprache – Auf welche Herausforderungen sind Sie bei der Zusammenarbeit schon gestoßen?  

Sebastian Schaub: Zusammenarbeit kann echt "tricky" sein. Wie in jeder Branche hat man die Skeptiker, die Early Adopters und die Innovatoren. Die einen sagen: “Nein, das geht nicht, das haben wir schon immer so gemacht!” Die anderen sind schon mit beiden Beinen im neuen Zeitalter und rufen: “Lasst uns das rocken!” Und dann sind da noch die Innovatoren, zu denen auch Christian gehört, die im Hintergrund an ihren neuen Ideen basteln.

Manchmal läuft es dann nicht so wie geplant. Wir haben diesen Prototypen gebaut, und was passiert? Er funktioniert nicht so, wie wir es uns vorgestellt haben. Keine Panik - wir testen und validieren. Und was stellen wir währenddessen fest? Es liegt nicht an der technischen Komponenten, sondern an den Nutzern, es ist also verhaltensbedingt. Also müssen wir umdenken, das Projekt mit Geduld anders angehen.

Empathie ist der Schlüssel. Sie fördert den Aufbau vertrauensvoller Beziehungen. Zu verstehen, was unsere Anwält:innen und vor allem unsere Mandanten wirklich brauchen, das ist der Weg zum Erfolg. 

Juristische Karrieren erfordern heute ein breiteres Fähigkeiten-Profil und neue Denkansätze – das gilt genauso für Karrieren in der Großkanzlei in anderen Bereichen jenseits des juristischen Arbeitens. Jedoch wird technischer Fortschritt die anwaltliche Arbeit nicht ersetzen, sondern vielmehr ergänzen und unterstützen.
Sebastian Schaub

Ihre Tätigkeit deckt alle Bereiche der agilen Produktentwicklung ab. Welche Chancen und Möglichkeiten sehen Sie durch die zielorientierte “Inhouse”-Digitalisierung bei Baker McKenzie? 

Sebastian Schaub: Wenn wir unsere Prozesse digitalisieren, können wir besser und schneller auf die Bedürfnisse unserer Mandanten eingehen. Mit Automatisierung und digitalen Tools sparen wir Zeit und Ressourcen.

Tech-Anwendungen ermöglichen es uns, z.B. Verträge automatisch zu prüfen, Rechtsfragen mit KI zu beantworten oder datenbasierte Entscheidungen zu treffen und darzustellen. Außerdem können wir uns intern besser vernetzen, indem wir gemeinsame Plattformen, Cloud-Services und digitale Kommunikation nutzen. Das hilft uns, besser zusammenzuarbeiten, auch wenn wir in verschiedenen Teams und an unterschiedlichen Orten sind. 

Die "Reinvent"-Strategie von Baker McKenzie zielt darauf ab, Innovation in allem, was wir tun, zu integrieren: von den angebotenen Rechtsdienstleistungen bis zu dem Weg, wie wir sie unseren Mandanten zur Verfügung stellen. Innovation ist bei Baker McKenzie kein Extra, sondern ein wichtiger Teil unserer Kanzleistrategie.
 

Herr Koops, Sie halten zusammen mit Alexander Ritter, ebenfalls Partner, in der Inhouse University das Seminar "Einführung in die Programmierung". Was können die Mitarbeitenden hier lernen und welche Mehrwerte bietet das Seminar für Associates? 

Christian Koops: Das Seminar bietet einen ersten Einblick in die Programmierung. Die Kolleg:Innen sollen verstehen, wie Programmiersprachen funktionieren. Das Seminar ist auf zwei Tage aufgeteilt: am ersten Tag erlernen die Teilnehmer:innen hauptsächlich Grundwissen, am zweiten Tag programmieren wir gemeinsam kleinere Programme. Wir zeigen auch, wie nützlich ChatGPT sein kann, wenn es darum geht, Codes zu generieren oder zu verbessern. Ich bin froh, dass ich das Seminar gemeinsam mit Alexander Ritter halte, der nicht nur Anwalt, sondern auch diplomierter Informatiker ist. Als Autodidakt sind meine Kenntnisse auch begrenzt.

Mit Fortschreiten der Digitalisierung und Entwicklung neuer Technologien, besonders im Bereich der generativen Künstlichen Intelligenz, wird ein Grundverständnis der Informatik immer wichtiger. Wir werden im Anwaltsbereich mehr und mehr mit diesen Technologien arbeiten und das Seminar soll hierfür eine Grundlage bilden. Bestenfalls finden unsere Kolleg:innen Gefallen am Programmieren und bauen sich selbst kleine Helfer für den Alltag. 
 

Gibt es auf Seiten des Gesetzgebers spürbare Veränderungen, die die Digitalisierung der Anwaltsarbeit in den letzten Jahren vorangetrieben haben? Wo gibt es noch Verbesserungsbedarf?

Christian Koops: Die Digitalisierung schreitet in der Rechtspflege nur langsam voran. Daher dürfte es profan klingen, aber tatsächlich war die Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) und dessen Nutzungspflicht sicherlich die größte gesetzgeberische Veränderung. Dass Schriftsätze nun nicht mehr per Post oder per Fax (!) bei Gericht eingereicht werden dürfen, ist ein längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung.

Bei den Gerichten und Behörden gibt es hier teilweise noch Umsetzungsbedarf. Die Möglichkeit der Videoverhandlung statt eines Präsenztermins bei Gericht ist eine weitere Neuerung, die weiter ausgebaut werden müsste. Den Gerichten sollte aber weiterhin ein Ermessen bei der Entscheidung zustehen, ob eine Videoverhandlung stattfindet – manchmal ist es doch besser, wenn sich die Parteien von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen.

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Baker McKenzie hat die Vision, den Rechtsbereich der Zukunft mitzugestalten. Wie kommt die Kanzlei diesem Ziel näher? Wie sähe für Sie die “digitale Kanzlei der Zukunft” aus?

Christian Koops: Baker McKenzie wird weiterhin in neue Technologien, insbesondere generative Künstliche Intelligenz, investieren. Die "digitale" Kanzlei der Zukunft wird sich dadurch auszeichnen, dass ihre Anwält:innen hochwertige Beratungsleistungen weiterhin erbringen, einfache und repetitive Standardarbeit mächtigen Tools überlässt.

Doch die letzte Verantwortung wird immer eine Anwältin oder ein Anwalt übernehmen – nicht die KI. Für Anwält:innen bedeutet die "digitale" Kanzlei also auch, dass wiederkehrende Arbeiten entfallen und Raum für andere, neue Aufgaben und innovative Ideen entsteht. 
 

Herr Schaub, welche Themen beschäftigen Sie aktuell besonders? Gibt es Projekte, die Ihnen auch mal Kopfschmerzen bereiten?

Sebastian Schaub: Es ist ganz wichtig, Probleme von Anfang an richtig zu erfassen und zu spezifizieren – und nicht sehr schnell zu Lösungen zu springen, wie ich es manchmal beobachte. "Welche Technologie brauchen wir" sollte keinesfalls die erste Frage sein, sondern viel mehr "Welches Problem versuchen wir zu lösen", "Was sind die Bedürfnisse und Erwartungen des Nutzers"? Sobald wir diese zentralen Fragen beantwortet haben, können wir uns mit dem "Wie" befassen – den technischen und logistischen Aspekten der Entwicklung, ob die Zusammenarbeit mit externen Partnern in Betracht gezogen werden sollte oder nicht. Indem wir uns auf das "Was", "Warum" und "Wie" ausrichten, können wir sicherstellen, dass unser Projekt auf Kurs bleibt, gut umgesetzt wird und unsere Ziele erreicht werden. 
 

Baker McKenzie gewann 2022 den AI Innovation Award. Wofür wurde Ihre Kanzlei ausgezeichnet? Ist Baker McKenzie damit ein Role-Model für viele Kanzleien?

Sebastian Schaub: Mit dem AI Innovation Award wurden Baker McKenzie und unsere Kolleg:innen für das Vorantreiben der revolutionären Veränderung auf dem juristischen Markt ausgezeichnet. Die Jury beschrieb das Baker McKenzie Machine Learning (ML) Team als Disruptor und Marktführer bei der Bereitstellung von durch Machine Learning ermöglichten Entscheidungen, besonders im Bereich M&A. Das erfolgte in Zusammenarbeit mit der AI-Plattform SparkBeyond.

Dieser ist einer von vier Innovation Awards, die Baker McKenzie 2022 gewonnen hat. Dazu etwas ganz Aktuelles: das Team um BakerML Founderin Danielle Benecke hat in den letzten zwei Monaten zwei weitere Auszeichnungen gewonnen: den "Individual Changemaker Award" bei den FTIL NA Awards und den  "Law Firm Innovator of the Year" Award des Jahres bei den Leaders in Tech Awards von ALM.

Die "digitale" Kanzlei der Zukunft wird sich dadurch auszeichnen, dass ihre Anwält:innen hochwertige Beratungsleistungen weiterhin erbringen, einfache und repetitive Standardarbeit mächtigen Tools überlässt.
Christian Koops

Was denken Sie: Sollten technikorientierte Lösungsansätze bereits in der juristischen Ausbildung behandelt werden?  Sollten Anwält:innen selbst programmieren lernen? 

Sebastian Schaub: Die fortschreitende Digitalisierung hat großen Einfluss auf die Rechtspraxis. Jurist:innen sollten sich mit Legal Tech-Lösungen vertraut machen und ein solides Verständnis für Enterprise Solutions wie Microsoft 365 und seine Komponenten entwickeln. 

Es gibt interessante Parallelen zwischen Programmieren und juristischem Arbeiten. Beides braucht logisches Denken, Problemlösungsfähigkeiten und Präzision. Ich denke, es ist sinnvoll zumindest ein Grundverständnis für Programmierung zu haben, um die technologischen Aspekte der Rechtspraxis besser zu verstehen.

Eine Anwältin oder ein Anwalt muss jedoch kein Coding-Genie sein. Bei vielen Projekten könnte es effizienter sein, mit spezialisierten Technologieexpert:innen zusammenzuarbeiten, um eine optimale Nutzung von Technologie in der juristischen Arbeit zu erreichen. Ich denke Christians Autofahrer/ Verkehrsteilnehmer-Beispiel passt hier sehr gut. 
 

Ihr Fazit?

Christian Koops: Wir leben in einer spannenden Zeit und es wird sich wahrscheinlich schon eher früher als später zeigen, welche Aufgaben den Anwält:innen der Zukunft neben neuen Technologien bleiben.       

Sebastian Schaub: Juristische Karrieren erfordern heute ein breiteres Fähigkeiten-Profil und neue Denkansätze – das gilt genauso für Karrieren in der Großkanzlei in anderen Bereichen jenseits des juristischen Arbeitens. Jedoch wird technischer Fortschritt die anwaltliche Arbeit nicht ersetzen, sondern vielmehr ergänzen und unterstützen.
 

Vielen Dank, Herr Koops und Herr Schaub!