Interview Partner
Intellectual Property
Das steht auf meiner Visitenkarte:
Rechtsanwalt, Partner
Seit wann sind Sie bei der Kanzlei A&O Shearman und wie sind Sie zu der Kanzlei gekommen?
Ich kam im Frühjahr 2012 als Quereinsteiger (lateral hire) von Linklaters zu A&O Shearman, nachdem ich von einem Headhunter angesprochen und dann zahlreiche Partner von A&O Shearman getroffen hatte. Zuvor hatte ich bei Linklaters das deutsche Intellectual Property Team geleitet, wo ich auch meine Karriere als Anwalt 2001 begonnen hatte – abgesehen von einer Zwischenstation bei Bird & Bird.
Was ist das Besondere an A&O Shearman?
Wenn man erst einmal wie ich damals über zehn Jahre lang in derselben Großkanzlei verbracht hat mit Stationen in Köln, London und Düsseldorf, dann braucht es schon ganz besondere Umstände, die einen zum Wechseln bewegen. Für mich waren das damals vor allem der große Teamgeist und das tägliche Mannschaftsspiel bei A&O Shearman auf allen Ebenen sowohl in der Mandatsbearbeitung wie auch im Marketing, im Recruiting und in anderen Dingen. Außerdem hatte A&O Shearman schon damals eine große internationale Praxisgruppe Intellectual Property mit herausragenden Partnerpersönlichkeiten. Beide Beweggründe sind bis heute wahr und zwei der wesentlichen Besonderheiten, die A&O Shearman für mich hat. Daneben bin ich tagtäglich beeindruckt von den großartigen Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten darf: im Sekretariat, unter den Associates und Partnern, im Recruiting, Empfang und Housekeeping, in der IT und anderen Funktionen sind dies kluge, hoch motivierte und interessante Charaktere mit einer enormen Fachkenntnis und vor allem mit dem gewissen „sense of humour“.
Wie sieht die tägliche Arbeit im Bereich Intellectual Property für einen Partner aus?
Kein Tag gleicht dem anderen. Nach einer alten Regel verplant man ja nur etwa die Hälfte seiner Zeit, um für spontane Dinge und Veränderungen offen zu sein, aber selbst diese Planung ist häufig schon am Vormittag obsolet. Das ist manchmal stressig, macht aber auch den ganz besonderen Reiz aus. Unsere Arbeit reicht vom Urheberrecht übers Werbe- und Lauterkeitsrecht und das Lizenz-, Technologie- und Vertragsrecht bis zum Marken-, Design- und Patentrecht, häufig mit Berührungspunkten zu anderen Fachbereichen wie Corporate, Tax, Anti-Trust oder Arbeitsrecht. Dabei führen wir Gerichts- und Amtsverfahren (häufig im einstweiligen Rechtsschutz) und begleiten Unternehmen verschiedenster Branchen bei komplexen Vertragsverhandlungen und –gestaltungen.
Der Morgen beginnt mit einer Durchsicht der über Nacht eingegangenen E-Mails aus Amerika oder Asien. Darin geht es beispielsweise um Plagiate, die wir vom Markt fegen sollen, oder um Informationen zu komplexen Verträgen, z. B. im Bereich der Forschung und Entwicklung für selbstfahrende Autos oder neue medizinische Anwendungen. Verträge und Schriftsätze müssen entworfen und überarbeitet werden, entsprechende Gegenstücke anderer Beteiligter wollen gelesen und mit dem Mandanten besprochen werden. Der Kalender organisiert sich meist um einige Telefonkonferenzen oder Skype Meetings im Laufe des Tages, wenn nicht gerade eine Reise zu Gericht oder (häufiger) zu Gesprächs- und Verhandlungsrunden irgendwo in Deutschland, manchmal auch in anderen europäischen Städten anliegt. Regelmäßig repräsentieren wir A&O Shearman auf internationalen Fachkonferenzen in der ganzen Welt und nutzen diese Events zu zahlreichen Treffen mit interessanten Kontakten, meist im Team mehrerer Partner oder auch mal mit Associates.
Täglich gehen Hunderte E-Mails ein und aus, und bisweilen muss man sich daran erinnern, dass ein Telefonat oder ein persönliches Gespräch genauso gut und meistens sogar noch besser taugt. Ich verwende einen erheblichen Teil meiner Zeit darauf, die Kommunikation richtig zu machen, also die richtigen Fragen zu stellen, komplizierte Dinge schlicht, aber präzise darzustellen und klare Empfehlungen zu formulieren. Mich begeistert der hierfür nötige kreative Prozess. Gibt es die sprichwörtlichen dicken Bretter zu bohren, schließt man vielleicht auch ausnahmsweise einmal die Bürotür oder zieht in einen Besprechungsraum um, um ungestört Akten studieren oder komplizierte Dinge besprechen zu können. Man bleibt auch schon mal im Home Office, um ungestörter arbeiten zu können (oder auch einfach mal um mit der Familie zu Mittag zu essen oder die Kinder ins Bett zu bringen).
Ein wesentlicher Teil meiner Arbeit als Partner besteht natürlich auch darin, die Associates in meinem Team mit Aufgaben und Hilfestellungen zu versorgen und bei deren Priorisierung zu unterstützen, sie in ihrer Arbeit zu begleiten und insbesondere die Arbeitsergebnisse und Kommunikation mit Mandanten und anderen zu prüfen und dabei immer wieder Positives zu loben und Verbesserungspotenzial aufzuzeigen. Wir IP-Partner tauschen uns auch international mehrmals im Monat aus, um fachliche Themen zu identifizieren sowie die Entwicklung unseres Geschäfts und unseres globalen Teams zu koordinieren. Als Partner bin ich auch in verschiedenen Arbeitsgruppen aktiv, die sich um Themen wie Recruiting, Diversity oder Legal Tech drehen können – oder auch mal schlicht um die Organisation eines Sommerfestes, wobei wir hier sehr stark auch unsere Associates, Referendare, Assistenten u.a. einbinden.
Der persönliche Austausch findet bei einem Mittagessen oder einem obligatorischen Kaffee statt oder bei einer kleinen Obstpause in unserem Social Room, in dem man nicht nur Zeitungen und n-tv vorfindet, sondern auch mal durch eine Klatschzeitung blättern kann. Einmal in der Woche treffen sich alle Mitarbeiter unseres Düsseldorfer Büros zu einem gemeinsamen Mittagessen, bei dem wir bewusst keine fachlichen Themen besprechen, sondern über andere Dinge plaudern.
Ich erfahre die „Welt als Dorf“, wenn ich nach den morgendlichen Telefonaten mit Asien abends mit Kalifornien spreche und dabei meistens Teil eines internationalen A&O Shearman-Teams bin. Gegen Abend plane ich meist meine nächsten Tage – um diese Planung dann aber schon wieder am nächsten Morgen an neue Gegebenheiten anzupassen.
Wie fördern Sie junge Berufsanfänger bei A&O Shearman?
Uns ist die fachliche und persönliche Entwicklung eines jeden Berufsanfängers sehr wichtig – denn wir wollen natürlich, dass jede und jeder zügig in verantwortliche Rollen wächst, seine Fähigkeiten und Fertigkeiten immer weiter ausbaut und seine Persönlichkeit in unsere Arbeit einbringt. Unsere Associates (und ähnlich auch schon unsere wiss. Mit. und Referendare) durchlaufen ein sich stetig weiter entwickelndes Programm, die Business School Germany, das ihnen vom ersten Tag an und über die gesamte Karriere hinweg strukturiert und auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittene Trainings bietet. Unser Programm zählt zu den umfangreichsten im Markt – über 200 nationale und internationale Kurse stehen zur Auswahl.
Die Business School bietet sowohl praxisgruppenspezifische als auch allgemeine Trainings. Erstere fokussieren sich auf die fachliche Aus- und Fortbildung und sind für die Berufseinsteiger als „Universities“ organisiert, die auch den internationalen Blick weiten sollen und die Vernetzung mit Associates aus anderen A&O Shearman-Ländern ermöglichen. Die allgemeinen Kurse behandeln Soft und Business Skills, wie z.B. Bilanzanalyse, Verhandlungsführung, Präsentationstechniken und viele weitere Themen. Für diese Veranstaltungen holen wir renommierte Profis, die auf jeden einzelnen Teilnehmer eingehen. Neben den zwei lokalen Säulen der praxisgruppenspezifischen und allgemeinen Trainings der Business School Germany komplettiert die globale A&O Shearman Business School das Angebot. Besondere Highlights der internationalen Ausbildung sind die Trainings „Making your Mark“, „Growing your Reputation“, „Mastering your Markets“, das MBA Highlights-Programm und das Emerging Leaders Programme, das Associates langfristig auf dem Weg zur Partnerschaft begleitet, vorbereitet und ausbildet. Einige dieser Trainings beinhalten einen speziellen Teil, der exklusiv für weibliche Associates konzipiert ist.
Wir haben auch ein institutionalisiertes Feedback-System, über das ein Associate von Anfang an und quasi in Echtzeit Rückmeldung zu Stärken und Verbesserungspotenzial erhält – aber auch selbst Feedback über Kollegen und auch Partner geben kann. Das „training on the job“ bleibt daneben natürlich ein ganz wesentlicher Bestandteil der Förderung unserer Associates. Vom ersten Tag an legen wir auch besonderen Wert darauf, dass die Associates sich kennenlernen und vernetzen, sowohl innerhalb Deutschlands als auch international, wozu wir (neben den Trainings) regelmäßig Offsites veranstalten, auf denen fachliche und soziale Programmteile schnell und leicht den vielen Namen und E-Mail-Adressen ein Gesicht und einen Menschen zuordnen lassen.
Welche Qualifikationen bzw. Vorkenntnisse sollte ein Berufsanfänger im Bereich Intellectual Property mitbringen?
Da der gewerbliche Rechtsschutz bis heute kaum irgendwo zum Curriculum gehört, haben viele frisch gebackenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte keine oder kaum Vorkenntnisse von Marken, Patenten, Lizenzen, Franchise, Sponsoring, Werberecht und dergleichen. Meiner Erfahrung nach ist das halb so wild. Entscheidend ist für mich vielmehr, dass sich jemand für das Metier interessiert, sich fragt, was hinter den Kulissen vorgeht, wie die Interessenlage verschiedener Marktteilnehmer ist, und warum all diese spannenden Dinge in unserem Bereich eigentlich geschehen. Dann versteht man auch die speziellen rechtlichen Zusammenhänge recht leicht.
Hinzu kommt eine in meinen Augen ganz entscheidende Fähigkeit: ein Bewusstsein für Kommunikation, Sprachgefühl, Kreativität im Ausdruck, Empathie, Fokussierung. Die genialsten Gedanken taugen nichts, wenn man sie nicht adressatengerecht ausdrücken kann. Das kann man ausbauen und lernen, aber im Kern muss man es mitbringen.
Was ist das Spannendste, Unvergesslichste, Witzigste, Aufregendste, was Ihnen bisher in ihrem Berufsalltag passiert ist?
In den knapp 20 Jahren habe ich so manche Geschichte erlebt, von denen die meisten aber leider unters Mandatsgeheimnis fallen – oder der Anstand verbietet, Details zu nennen. Und spannend sind so viele Dinge jeden Tag aufs Neue: Mandanten auf allen Kontinenten zu besuchen (am spannendsten für mich bislang: Japan, China und entlegene Ecken in den USA). Unvergesslich sind die Momente, wenn sich im Gerichtssaal abzeichnet, dass wir ein schwieriges Gerichtsverfahren gewinnen, und wenn nach wochenlangem Ringen und nächtlichen Verhandlungsrunden eine Lösung gefunden ist – vielleicht sogar eine, deren Vorteile für unseren Mandanten die Gegenseite gar nicht wahrnimmt. Sehr beeindruckend waren auch die unglaublich guten, mehrtägigen Trainings, an denen ich teilnehmen konnte und in denen ich unglaublich viel für meine tägliche Arbeit und über mich selbst gelernt habe: vom Harvard-Professor über die Psychologin bis zum professionellen Schauspieler, der mich im Rollenspiel als schlecht gelaunter Mandant niedermacht – Erkenntnisgewinn hoch drei.
Von den witzigen Geschichten vielleicht diese: Wir hatten für ein türkisch-deutsches Unternehmen einen Verfügungsantrag gegen ein Konkurrenzprodukt beantragt, das die typische Verpackungsgestaltung unserer Mandantin nachahmte. Es ging um recht große Packungen mit Knoblauchwürsten. Es war Juli. Einer der Sommer, in denen das Thermometer im Rheinland auch mal bis auf 35°C klettert. Wie üblich hatten wir zusammen mit dem Verfügungsantrag Produktmuster bei Gericht eingereicht, die eigentlich ins Kühlfach gehörten. Nun warteten wir auf die Rückmeldung des Gerichts. Wenn die Geschäftsstelle anrufen würde, wäre die Verfügung erlassen worden und zur Abholung bereit.
Wenn der Richter anrufen würde, gäbe es wohl Schwierigkeiten mit unserem Antrag. Das Telefon klingelte, ich hob ab – und es meldet sich der Richter: „Herr Dr. Matthes, ich habe Ihren Antrag hier vor mir liegen.“ Pause. „Sie bekommen die Verfügung – aber nur unter einer Bedingung: holen Sie sofort diese Würste hier ab!“ Und tatsächlich waren die Verpackungen aufgebläht und kurz vor dem Platzen. Der Fall wurde übrigens in späteren Instanzen anders entschieden – im Winter.
Was ist das Beste an der Arbeit bei A&O Shearman?
Der Einstieg in eine internationale Großkanzlei war eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Und der Wechsel zu A&O Shearman ebenso. Die Kombination aus (gefühlt) ständiger Überforderung bei gleichzeitig ständiger Unterstützung auf Top-Niveau hat meine persönlichen Grenzen verschoben und mich zu einer reicheren Persönlichkeit gemacht. Wenn ich eine einzige Sache als „das Beste an der Arbeit bei A&O Shearman“ herausstellen soll, dann ist es die Qualität, der „Spirit“ der Menschen, die hier arbeiten. In einer Stress-Situation mit komplexen Aufgaben unter enormem Zeitdruck am späten Abend einen Kollegen oder eine Kollegin irgendwo in der globalen A&O Shearman-Community um Hilfe zu bitten, bei dem oder der es womöglich noch später ist als bei mir, und dann mit einem Lachen und einem aufmunternden Spruch begrüßt zu werden, sodann die Last auf unser beider Schultern verteilt und die Aufgabe alsbald gelöst zu wissen – that does make my day, again and again!
Welche Einschränkungen bringt der Beruf mit sich?
Es ist allgemein bekannt, dass man als Anwältin oder Anwalt nicht gerade weniger arbeitet als in anderen Berufen. Da mein Beruf erfüllend ist, empfinde ich das nicht immer als Einschränkung, aber zugegebener Maßen gibt es Tage, an denen für nichts Anderes mehr Zeit bleibt. Bisweilen muss man sich durchaus disziplinieren, nicht nur an den dringenden, sondern auch nachhaltig an den wichtigen Dingen zu arbeiten. Mit zunehmender Seniorität steigen auch die Erwartungen, dass man Letztverantwortung übernimmt und Entscheidungen trifft. Das kann manchmal belastend sein, aber die Anerkennung und häufig auch Dankbarkeit der Mandanten wiegt das auf – und natürlich die Erfahrung, die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben und erfolgreich zu sein.
Was ist Ihr Ausgleich zum Büroalltag?
Ich verspüre keine Spannung zwischen „Work“ auf der einen und „Life“ auf der anderen Seite. Mein Beruf und meine Arbeit machen mir große Freude und sind ein wesentlicher, mir wichtiger Teil meines Lebens. Aber natürlich begeistern mich auch andere Dinge: Klavier spielen, Musik hören und tanzen, Laufen, Stand-up Paddeln, Kochen, Fotografie, Reisen ohne geschäftliche Verpflichtungen. Vor allem aber Zeit mit meinen Kindern zu verbringen und ihre Sicht auf die Welt zu erfahren, von der ich mir immer wieder eine Scheibe abschneide, beispielsweise sich auch an kleinen Dingen zu erfreuen, eine vermeintlich langweilige Routine mit anderen Augen wieder als spannend zu erfahren und mit lauter Fragen die unstillbare Neugierde zu füttern.
Welche drei Begriffe assoziieren Sie mit dem Wort Jura?
Dröge – ein trockenes Studium, das im Kern vor allem Ausdauer verlangte.
Hochspannend – ein holistisches, faszinierendes Fach, wenn man sich über den Kern hinaus mit der zugehörigen Soziologie, Psychologie, Ökonomie und Philosophie befasst.
Prägend – einer/m ordentlichen Juristin/en prägt Jura den Charakter, und zwar zum Guten.
Welchen Tipp würden Sie gerne jedem Nachwuchsjuristen mitgeben:
In Studium und Ausbildung: Nicht nur Scheine machen und fürs Examen büffeln, sondern auch in die Grundlagen und die Anwendungen schauen (warum ist das Recht so, wie es ist; welche Wirkungen hat es und warum; wie funktioniert eigentlich ein Unternehmen oder eine Gemeinde; wo sind die Grenzen des Rechts usw.).
Richtung Examen und im Referendariat: Carpe diem. Talent is overrated. Oder auf Deutsch: Ohne Fleiß kein Preis. Und probiert die Praxis aus!
Im Berufsleben und überhaupt: Bleibe neugierig, verstecke dich nicht, hinterfrage alles und begeistere dich für dasjenige, was dich heute überzeugt.