Die Professorin für Recht und Migration im New Lawyers Podcast

Verfasst von Laura Hörner|Veröffentlicht am 27.03.2024

Pauline Endres de Oliveira – Wie politisch ist das Migrationsrecht?

Die Professorin für Recht und Migration im New Lawyers Podcast

Vom Freiwilligendienst in Sizilien zur Jura-Professur an der Humboldt-Universität zu Berlin: In dieser Folge des New Lawyers Podcasts spricht Pauline Endres de Oliveira mit Alisha Andert über ihren Werdegang, über ihre Faszination für das Migrationsrecht und über dessen politische Relevanz.

 

Ihr Interesse für Jura begann bei einem Antimafia-Projekt in Sizilien. Dort engagierte sich Pauline Endres de Oliveira in der Jugendarbeit für Aufklärung und politische Bildung und stellte dabei fest, dass sie besonders rechtsstaatliche Themen interessierten – also zum Beispiel, wie in demokratischen Rechtsstaaten gegen kriminelle Strukturen vorgegangen werden kann.

So startete sie 2003 ihr Jurastudium in Berlin, was ihr ein gewisses Durchhaltevermögen abverlangte – ihre Motivation schöpfte sie in dieser Zeit unter anderem durch das Studium brasilianischen Rechts. Einige wichtige Aspekte fanden ihr aber damals an der Uni zu wenig Beachtung. Dazu gehörte vor allem das kritische juristische Arbeiten, also das Hinterfragen von rechtlichen Gegebenheiten. Heute gebe es dafür mehr Möglichkeiten, zum Beispiel im Rahmen von Law Clinics, die kostenlose Rechtsberatung anbieten.

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Migrationsrecht: Vom Nischenthema ins Rampenlicht

Endres de Oliveira suchte sich also außeruniversitär Möglichkeiten, sich zu engagieren. Dabei stieß sie auf die Asylverfahrensberatung bei Amnesty International. Das freiwillige Engagement in diesem Bereich ermöglichte es ihr, Menschenrechtsarbeit mit Personen zu machen, welche sich schon vor Ort befinden.

Das Migrationsrecht spielte zu Endres de Oliveiras Studienzeit noch keine große Rolle, nur wenige Universitäten boten es als Schwerpunkt an. In der Zeit um 2015 und 2016 wurde das Rechtsgebiet dann auf einmal sehr relevant, es wurden Menschen gebraucht, die sich in Wissenschaft und Forschung schon länger damit auseinandergesetzt hatten. Diese Relevanz hat laut Endres de Oliveira bis heute nicht abgenommen. Das Thema sei sehr politisch und polarisiere, auch das Interesse von Studierenden bestehe weiterhin.

Im politischen Diskurs die eigene Rolle finden

In ihrer Professur beschäftigt sich Endres de Oliveira zum Beispiel mit Reformen des europäischen Asylsystems und im Zusammenhang damit auch mit dem Völkerrecht, an welches die EU gebunden ist. Besonders spannend ist für sie dabei, dass in Fragestellungen drei Ebenen hineinspielen: das Völkerrecht, das Unionsrecht und das nationale Recht. Diese müsse man zueinander in Bezug setzen. Zudem sei der Rechtsbereich sehr dynamisch, ändere sich jedes Jahr.

Neben Forschung und Lehre begleitet und koordiniert Endres de Oliveira die Refugee Law Clinc in Berlin, spricht auf Tagungen, nimmt an Konferenzen teil und schreibt Artikel zu ihrem Rechtsbereich. Ihre Expertise macht sie natürlich auch für die Politik interessant. Endres de Oliveira betont jedoch, dass sie in der Regel keine politischen Lösungen hat, dass es auch nicht ihre Rolle sei, politisch zu verhandeln. Sie sieht ihre Arbeit stattdessen als Ressource: die Wissenschaft produziere Wissen und gebe es weiter. So helfe sie bei der Versachlichung der Diskurse, könne Mythen und Annahmen im Migrationsrecht korrigieren. „Ich muss keine Kompromisse machen bei der Rechtsauslegung, ich muss mit niemandem darüber verhandeln […] und ich kann sozusagen da auch meine Rechtsauffassung ohne Kompromisse in den Diskurs geben“, erklärt sie.

Ich muss keine Kompromisse machen bei der Rechtsauslegung, ich muss mit niemandem darüber verhandeln […] und ich kann sozusagen da auch meine Rechtsauffassung ohne Kompromisse in den Diskurs geben.
- Pauline Endres de Oliveira

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Die Arbeit im Migrationsrecht kann belastend sein

Diese klare Abgrenzung ihrer Rolle sei ihr nicht immer leichtgefallen, gerade auch, weil die Diskussionen im Migrationsrecht oft hitzig und polarisierend sind. So gebe es etwa einen Trend im Diskurs, aktuell geltende Menschen- und Flüchtlingsrechte zu hinterfragen – eine Meinung, die Endres de Oliveira nicht vertritt. Solche Debatten würden oft auf schwierigen Annahmen beruhen, zum Beispiel der, dass Migration gefährlich sei.

Nicht nur die politischen Aspekte, sondern auch die Schicksale, die vor allem bei Zwangsmigration hinter den Fällen stehen, sind in diesem Rechtsbereich eine Herausforderung. Endres de Oliveira erzählt, dass sie zu Beginn als Anwältin im Migrationsrecht gearbeitet hat, sich aber diese Arbeit nicht dauerhaft hatte vorstellen können. Ihr Rat ist es, den Mut zu fassen, bei zu hoher persönlicher Belastung einen anderen Weg einzuschlagen.

 

Du möchtest mehr über das Migrationsrecht erfahren und dich interessiert, weshalb Pauline Endres de Oliveira sich trotz aller Herausforderungen so dafür begeistert? Dann hör doch mal rein in diese Folge des New Lawyers Podcasts!

Die Themen dieser Folge im Überblick:

 

  • Ab 01:49: Icebreaker-Frage: Was ist Ihr Lieblingsort?
  • Ab 02:57: Vom Freiwilligendienst in Sizilien zu Jura
  • Ab 04:50: Wie empfanden Sie die juristische Ausbildung?
  • Ab 06:15: Kritisches juristisches Arbeiten
  • Ab 09:14: Wie sind Sie zum Migrationsrecht gekommen?
  • Ab 11:28: Wie hat sich das Migrationsrecht verändert?
  • Ab 13:15: Was sind häufige Fragestellungen in Ihrem Rechtsbereich?
  • Ab 15:06: Wie sieht Ihre Arbeit als Professorin aus?
  • Ab 16:44: Welche Rolle spielen Sie in der Politik?
  • Ab 21:08: Wie gehen Sie mit hitzigen Debatten um?
  • Ab 25:11: Wie gehen Sie mit rechtsradikalen Politiker:innen um?
  • Ab 26:43: Was würden Sie sich für die Zukunft im Migrationsrecht wünschen?
  • Ab 28:17: Warum reizt Sie das Rechtsgebiet trotz aller Herausforderungen?
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Laura Hörner
Kulturwirtschaft Uni Passau

Als freie Autorin schreibt Laura Hörner bei TalentRocket über Themen rund um die juristische Karriere. Besonders interessiert sie sich dabei für die vielfältigen Karrierewege, die Jurist:innen offenstehen.