Senior Legal Counsel Fatima Hussain im New Lawyers Podcast

Verfasst von Laura Hörner|Veröffentlicht am 17.07.2024

Fatima Hussain – Wie steht es um die Chancengleichheit in der Rechtsbranche?

Senior Legal Counsel Fatima Hussain im New Lawyers Podcast

Nach Stationen in mehreren Großkanzleien sowie bei Audi und Tesla ist Fatima Hussain zuletzt zu einem Start-up gewechselt. In dieser Folge des New Lawyers Podcast spricht sie mit Magdalena Oehl über ihren vielseitigen Werdegang, über ihre Beratungsarbeit für mehr Diversität und Awareness in Kanzleien sowie über ihre eigenen Erfahrungen mit Diskriminierung im Jurastudium, auf dem Arbeitsmarkt und im Privatleben.

Nah am Produkt dran sein, schon bei der Entwicklung mitgestalten – das ist es, was Fatima Hussain an ihrer Arbeit reizt. Deshalb ist sie nach mehreren Stationen in Großkanzleien zu Audi gewechselt, dann zu Tesla und ist nun schließlich bei einem großen Berliner Fintech-Start-up als Senior Legal Counsel tätig. Im Gegensatz zur Arbeit in der Großkanzlei ist sie hier von Anfang an eingebunden, kann schneller eingreifen und unterstützt bei vielfältigen Rechtsfragen, anstatt wie in der Großkanzlei nur punktuell tätig zu sein. Spannend findet sie an der Arbeit in einem Start-up vor allem, dass viele Produkte rechtlich noch nicht erschlossen sind und dass noch Rechtsfortbildung stattfinden kann.

Spannende juristische Einblicke gibt's im New Lawyers Podcast

Stöbere hier in den neusten Folgen:

Nicht auf die Richterbank wegen des Kopftuchs

Bis zu dieser beeindruckenden Karriere war es ein langer Weg. Schon in der Schule wusste Fatima Hussain, dass sie einmal Jura studieren möchte. Besonders fasziniert hatte sie als Schülerin die Gleichheit vor dem Recht – fast ein wenig ironisch, wenn man den Erfahrungen lauscht, die sie ihrem Referendariat machte. Weil sie ein Kopftuch trägt, durfte sie während ihrer Zivilstation im Gegensatz zu ihrer Mitreferendarin nicht auf der Richterbank sitzen, sondern musste im Zuschauerbereich bleiben. Nicht nur gab ihr dies das Gefühl, dass sie dort nicht hingehörte, auch im Studium hatte sie dadurch Nachteile: So musste sie schriftlich bestätigen, dass sie bestimmte Leistungen nicht erbringen darf, welche dann mit null Punkten bewertet werden. Unterstützung von anderen Referendar:innen bekam sie nicht – viele trauten sich nicht an das Thema heran, wussten nicht, wie sie damit umgehen sollten.

Auch bei der Jobsuche spielen ihr Name und ihre äußere Erscheinung eine Rolle. Menschen mit Migrationsgeschichte und ausländischem Namen müssten sich bei gleicher Qualifikation öfters bewerben, um einen Job zu finden, erklärt sie – ähnlich wie auf dem Wohnungsmarkt. Eine Szene ist dafür besonders bezeichnend: Aufgrund ihrer guten Examina erhielt Hussain einen Anruf vom JPA, bei dem sie gefragt wurde, ob sie sich vorstellen könnte, Richterin zu werden. Hussain musste das Angebot ablehnen – wegen des Kopftuchs darf sie kein Richteramt innehaben.

Ob der Fachkräftemangel zu mehr Toleranz führen könnte, bleibt abzuwarten. „Unternehmen und Kanzleien werden es sich einfach nicht mehr leisten können, gewisse Vorurteile und Biases weiterzutragen“, glaubt Hussain. Beim Staatsdienst würden aber auch andere Faktoren eine Rolle spielen, dort sei es eher eine politische Frage. Und mit Blick auf die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen befürchtet Hussain, dass der Fachkräftemangel in der Justiz nicht ausreichen wird, um Veränderungen zu bewirken.

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Ungleichheit bleibt im Studium oft unsichtbar

Nicht nur durch ihre Herkunft werden Menschen in Studium und Karriere benachteiligt, auch der sozialökonomische Hintergrund spielt eine wichtige Rolle: Lehrbücher, Klausurenkurse und Co. seien teuer. Dazu komme das Stigma – viele Studierenden möchten nicht zugeben, dass es finanziell nicht reicht. Hussain selbst arbeitete seit dem zweiten Semester als studentische Hilfskraft. Dass ihr Vater, ein promovierter Agrarwissenschaftler, seit 35 Jahren Taxi fährt, erzählte sie im Studium niemanden.

Vielen Menschen falle es schwer, sich mit Ungleichheit auseinanderzusetzen. Es bräuchte mehr Aufsteiger:innen als Vorbilder: „Ich glaube, dass wir viel zu wenige Vorbilder haben […] und wenn wir weibliche Vorbilder haben, dann sind sie oft weiß, oft sehr privilegiert“, sagt Hussain. Respekt hat sie vor Menschen, die ihre eigenen Privilegien sehen und diese nutzen, um anderen zu helfen. „Für mich sind Vorbilder Menschen, die ihre Stimme nicht nur für sich selber einsetzen […]“, sagt sie.

Ich glaube, dass wir viel zu wenige Vorbilder haben […] und wenn wir weibliche Vorbilder haben, dann sind sie oft weiß, oft sehr privilegiert.
- Fatima Hussain

Die Auszeichnungen als eine von 25 „Zukunftsmacherinnen“ vom Business Insider sowie „Deutschlands Top 40 unter 40“ von Capital zeigen, wie weit Hussain es gebracht hat. Was ihr dabei geholfen hat, war der Glaube daran, dass sie besser ist als die Situation, in der sie sich gerade befindet. Dass sie Dinge bewegen kann und dass niemandem damit geholfen ist, wenn sie aufgibt. Sie rät anderen dazu, sich ein Netzwerk aufzubauen und gut zu sich selbst zu sein.

Du möchtest wissen, mit welchem Ansatz Fatima Hussain Kanzleien zum Thema Diversität berät? Oder du möchtest mehr von ihren Erfahrungen in Studium und Beruf hören? All das gibt es in dieser Folge des New Lawyers Podcasts!

Die Themen dieser Folge im Überblick:

 

  • Ab 02:03: Icebreaker-Frage: Was wolltest du als Kind werden?
  • Ab 03:40: Der vielseitige Karriereweg
  • Ab 05:11: Die Zeit bei Tesla in Brandenburg
  • Ab 06:41: Warum bist du in ein Start-up gewechselt?
  • Ab 07:29: Unterschiede zwischen Großkanzlei und Start-up
  • Ab 09:55: Vorurteile gegenüber Menschen mit Migrationsgeschichte
  • Ab 12:16: Diskriminierungserfahrungen im Studium und Referendariat
  • Ab 16:39: Gab es Unterstützung von Kommiliton:innen?
  • Ab 17:39: Kein Richteramt wegen Kopftuch
  • Ab 19:35: Kann der Fachkräftemangel zu Veränderungen führen?
  • Ab 20:51: Die Finanzierung des Jurastudiums
  • Ab 25:57: Ungleiche Startbedingungen
  • Ab 27:11: Wie können Kanzleien Diversität fördern?
  • Ab 28:20: Wie sieht deine Beratungsarbeit aus?
  • Ab 33:38: Welche Rolle spielt der persönliche Austausch?
  • Ab 35:48: Wie hast du es geschafft, trotz Diskriminierung so weit zu kommen?
  • Ab 37:36: Welche Vorbilder hast du?
  • Ab 38:20: Die Auszeichnungen "Zukunftsmacherin" und "Top 40 unter 40"
  • Ab 40:05: Welche Tipps gibst du anderen?
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Laura Hörner
Kulturwirtschaft Uni Passau

Als freie Autorin schreibt Laura Hörner bei TalentRocket über Themen rund um die juristische Karriere. Besonders interessiert sie sich dabei für die vielfältigen Karrierewege, die Jurist:innen offenstehen.