Ich habe einen ausländischen Jura-Abschluss, welche Möglichkeiten gibt es, als Anwält:in in Deutschland zu arbeiten?

Veröffentlicht am 23.05.2023

Jura-Abschluss im Ausland, Anwält:in in Deutschland – Wie geht das?

Verschaffe dir hier einen Überblick!

(Englische Version / English Version)

 

Die Anerkennung von juristischen Abschlüssen, die im Ausland erworben wurden, stellt sich in Deutschland häufig als bürokratischer Hindernislauf dar: Es gibt wenig gesammelte Informationen und oft musst du dich zudem durch viele Normen und Internetseiten verschiedener Behörden wälzen. Und wenn du diese ganzen Hürden überwunden hast kann es immer noch vorkommen, dass der Abschluss nicht anerkannt wird. Um diesem komplizierten Thema  etwas mehr Struktur zu geben und Missverständnisse aufzuklären, haben wir hier einige Informationen für dich gesammelt. Wir verraten dir, was eigentlich das Problem mit der Anerkennung ausländischer juristischer Abschlüsse ist, wie du trotzdem als Anwält:in in Deutschland tätig werden kannst und welche weiteren Dinge du beachten solltest!

Warum ist die Anerkennung so schwierig?

Das Jurastudium in Deutschland ist in das Erste und Zweite Staatsexamen unterteilt. Während der Vorbereitung auf das Erste Staatsexamen sollen Studierende vertiefte Kenntnisse im Zivilrecht, Strafrecht und Öffentlichem Recht sowie den jeweiligen Verfahrensordnungen erlangen. Nach einem erfolgreich abgeschlossem Ersten Staatsexamen, welches aus sechs schriftlichen und einer mündlichen Prüfung besteht, kann Absolvent:innen auf Antrag der akademische Grad „Diplom-Juristin Univ.“ bzw. „Diplom-Jurist Univ." verliehen werden. 

Mit einem bestandenen Ersten Staatsexamen können sich die Absolvent:innen für das Zweite Staatsexamen bzw. den damit einhergehenden Vorbereitungsdienst – geläufiger unter der Bezeichnung „Referendariat” – bei den zuständigen Gerichten bewerben.

Der Vorbereitungsdienst bzw. das Referendariat unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland, ist aber etwa 18 Monate lang und wird am Ende dieser Vorbereitungszeit mit dem Zweiten Staatsexamen abgeschlossen. Während des Vorbereitungsdienstes müssen Referendar:innen verschiedene (Praxis-)Stationen durchlaufen – wie z.B. die Arbeit am Gericht oder in Kanzleien – um sich auf den Beruf als Volljurist:in vorbereiten zu können.

Ist das Zweite Staatsexamen erfolgreich abgeschlossen, können junge Jurist:innen die Anwaltszulassung beantragen.

Das „klassische” Jurastudium in Deutschland unterscheidet sich also maßgeblich von dem bekannten Bachelor-Master-Modell. Zudem werden keine Credits vergeben, sondern die einzeln abgelegten Leistungsnachweise auf einer Punkteskala von 0-18 Punkten bewertet. Gemäß § 5 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) wird die Befähigung zum Richter:innen-Amt erst mit erfolgreichem Abschluss des Vorbereitungsdienstes und dem Zweiten Staatsexamen erteilt. Das Augenmerk liegt folglich auf dem Vorbereitungsdienst und dem Zweiten Staatsexamen.

Diese Besonderheit des Jurastudiums in Deutschland führt dazu, dass eine Anerkennung ausländischer juristischer Abschlüsse sehr schwierig und aufwändig ist.

Wie kann ich trotz ausländischer Ausbildung als Anwält:in arbeiten? 

Es gibt jedoch Licht am Ende des Tunnels! In Einzelfällen greifen Sonderregelungen, so dass Anwält:innen mit einem ausländischen Abschluss sehr wohl in Deutschland tätig werden können oder sich zumindest Teile ihres Jurastudiums anrechnen lassen können.

1. Anerkennung des ausländischen Abschlusses als “Erstes Staatsexamen”

Die Anrechnung der bereits erworbenen Leistungen auf das Erste Staatsexamen ist durch zwei Sonderfälle geregelt:

Sonderfall 1: Anerkennung für Spätaussiedler:innen

Gemäß § 10 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (BVFG) können ausländische Abschlüsse für sogenannte Spätaussiedler:innen anerkannt werden.

Der Begriff Spätaussiedler:innen meint dabei die Nachkommen von Deutschen aus der ehemaligen Sowjetunion und anderen osteuropäischen Staaten, die durch ein spezielles Aufnahmeverfahren ihren Aufenthalt in Deutschland begründet haben (siehe § 1 BVFG).

Hast du also z.B. deinen Jura-Abschluss in dem heutigen Lettland erworben und bist Nachfahr:in von Deutschen, so fällst du unter § 1 BVFG.

Nach dieser Sonderregelung kann folglich das Erste Staatsexamen angerechnet werden, woraufhin die Möglichkeit besteht, sich für den Vorbereitungsdienst zu bewerben.

 

Sonderfall 2: Anerkennung durch ein rechtswissenschaftliches Universitätsdiplom

Wurde ein Jura-Abschluss in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz erworben, kann das rechtswissenschaftliche Diplom auch gemäß § 112a des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) angerechnet werden. 

Dafür benötigst du Folgendes:

  1. Ein Rechtswissenschaftliches Universitätsdiplom 
    Dieses Diplom muss zur postuniversitären Ausbildung in einem anderen Staat berechtigen. Es müssen also in dem jeweiligen Staat alle Voraussetzungen erfüllt sein, um in den Vorbereitungsdienst zu gehen – in manchen Ländern ist das der erfolgreich abgeschlossene Master, es kann aber durchaus davon abweichen. 
  2. Ein Nachweis der Kenntnisse und Fähigkeiten

    Du musst zudem nachweisen, dass deine juristischen Kenntnisse und Fähigkeiten die Pflichtfächer des Ersten Staatsexamens abdecken. Die Pflichtfächer sind Teile aus:

    → Bürgerliches Recht
    → Öffentliches Recht
    → Strafrecht
    → Arbeitsrecht
    → Handels- und Gesellschaftsrecht
    → Europarecht
    → Prozessrecht

    Die genauen Teile der einzelnen Pflichtfächer unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland und sind in den jeweiligen Prüfungsordnungen der Länder zu finden. Beispielsweise findet sich in Bayern die genaue Angabe der Pflichtfächer in § 18 JAPO, in Nordrhein-Westfalen in § 11 JAG NRW und in Berlin in § 3 JAG.

    Hast du diese Nachweise zusammen, kannst du den Antrag auf Anerkennung deines Abschlusses bei den entsprechenden Behörden stellen. Wird festgestellt, dass die bisherigen Kenntnisse nicht ausreichen, musst du eine ergänzende Eignungs- bzw. Gleichwertigkeitsprüfung ablegen.

  3. Ergänzende Eignungs- bzw. Gleichwertigkeitsprüfung
    Diese Prüfung ist in den Gebieten abzulegen, in welchen die Kenntnisse und Fähigkeiten nicht ausreichend waren. Hierbei sind schriftliche Prüfungen, jedoch keine mündlichen, abzulegen. Die Rahmenbedingungen und Anforderungen der einzelnen schriftlichen Prüfungen richten sich nach der Prüfungsordnung der jeweiligen Bundesländer. Aber Achtung: Die Pflichtfächer sind zwar sehr ähnlich, jedoch gibt es große Unterschiede bei den zugelassenen Hilfsmitteln. Informiere dich hier also unbedingt im Voraus – bei der Verwendung nicht zugelassener Hilfsmitteln wird die Arbeit mit 0 Punkten bewertet! 

     

Die einzelnen abgelegten Prüfungen werden nach der Punkteskala von 0-18 Punkte bewertet. Eine Prüfung gilt als bestanden, wenn sie mindestens mit 4,00 Punkten bewertet wird. Mindestens die Hälfte der abgelegten Prüfungen musst du bestehen – die genaue Punktzahl ist dabei nicht relevant. Im Ergebnis wird keine Note festgesetzt, die Eignungs- bzw. Gleichwertigkeitsprüfung gilt als bestanden oder nicht bestanden.

Anlaufstellen für die Eignungs- bzw. Gleichwertigkeitsprüfung sind die Oberlandesgerichte der jeweiligen Regierungsbezirke.

Wurde dein Universitätsdiplom anerkannt und deine Kenntnisse und Fähigkeiten sind ausreichend – oder du hast erfolgreich die entsprechende ergänzende Prüfung abgelegt – wird dir das Erste Staatsexamen angerechnet und du kannst dich für den juristischen Vorbereitungsdienst bewerben sowie anschließend das Zweite Staatsexamen absolvieren!

2. Anerkennung des Abschlusses als „Rechtsanwält:in”

Um den Titel als Rechtsanwält:in in Deutschland tragen zu dürfen und somit direkt ins Berufsleben einzusteigen, musst du im Ausland bereits die Berechtigung zur Tätigkeit als Anwält:in erworben haben.

Für die Anerkennung deines Abschlusses auf diesem Weg gibt es auch wieder mehrere Möglichkeiten:

 

a) Antrag und Aufnahme in die zuständige Rechtsanwaltskammer

Hast du deine Berechtigung zur Tätigkeit als Rechtsanwält:in im Ausland bereits erworben, kannst du bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer einen Antrag stellen, um der juristischen Tätigkeit mit der entsprechenden Berufsbezeichnung nachzugehen.

Hierfür musst du den Nachweis erbringen, dass du den Titel in dem jeweiligen Land tragen darfst – die genauen Begrifflichkeiten sind in § 1 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) und der Anlage dazu geregelt. 

Welche Rechtsanwaltskammer dann zuständig ist, richtet sich nach dem Ort der Niederlassung. Auf der Website der Bundesrechtsanwaltskammer findest du eine gesammelte Übersicht aller Rechtsanwaltskammern in Deutschland. Es ist ratsam, sich an die jeweiligen Kammern zu wenden, um herauszufinden, welche weiteren Nachweise und Dokumente du einreichen musst. 

Wurde dein Antrag nach einer ausgiebigen Prüfung bewilligt, dann kannst du in Deutschland unter der Berufsbezeichnung Rechtsanwält:in nach den §§ 1-3 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), tätig sein.

Aber Achtung: 

Deine Berufsbezeichnung richtet sich nach derjenigen, die in dem Staat gilt, in dem du deinen Jura-Abschluss erworben hast! Hast du deine Berechtigung zur Tätigkeit als Rechtsanwält:in beispielsweise in Bulgarien erworben, so musst du die genaue Bezeichnung “AДBOKAT (Advokat)” angeben.

 

Zusätzlich musst du auch deine Berufsorganisation, welcher du angehörig bist, mit angeben. In Österreich werden Jurist:innen auch unter dem Titel “Rechtsanwält:in” bezeichnet, hier muss also zwingend in Klammern der Staat bzw. die Berufsorganisation angegeben werden (Rechtsanwält:in (Österreich)).

Wirst du als Syndikusrechtsanwält:in in die Rechtsanwaltskammer aufgenommen, musst du den Titel “Syndikus” in Klammern angeben. 

b) Anerkennung ohne weitere (tiefgründige) Prüfung

Du kannst deinen ausländischen juristischen Abschluss auch auf anderem Weg anerkennen lassen: Bist du mindestens drei Jahre als niedergelassene:r europäische:r Rechtsanwält:in in Deutschland tätig, kannst du auf Antrag in die zuständige Rechtsanwaltskammer aufgenommen werden. Dabei musst du in den Gebieten des deutschen Rechts – einschließlich Gemeinschaftsrecht – tätig sein. 

Auch hier ist zu beachten, dass du die jeweilige Berufsbezeichnung des Staates, in dem du deinen Jura-Abschluss erworben hast, im Titel führen musst.

 

c) Antrag auf Feststellung einer gleichwertigen Berufsqualifikation

Es besteht auch die Möglichkeit, dass du die Feststellung einer gleichwertigen Berufsqualifikation beantragst (siehe § 16 EuRAG).

Für diesen Antrag musst du zwar keine dreijährige Tätigkeit als niedergelassene:r europäische:r Rechtsanwält:in nachweisen, jedoch ist es erforderlich, dass du regelmäßig sogenannte Eignungsprüfungen ablegst. 

 

Die jeweiligen Anlaufstellen für die Eignungsprüfung sind:

  • Landesjustizprüfungsamt Baden-Württemberg als Gemeinsames Prüfungsamt des Landes Baden-Württemberg und der Freistaaten Bayern und Sachsen
  • Gemeinsames Prüfungsamt der Länder Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen
  • Gemeinsames Prüfungsamt der Länder Berlin, Brandenburg, Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein

💡 Achtung: Hast du deinen Ausbildungsnachweis…

  • nicht überwiegend in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz absolviert oder
  • nicht von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz ausgestellt bekommen

... musst du in dem Staat, in dem der Nachweis ausgestellt oder anerkannt wurde, den Beruf als europäische:r Rechtsanwält:in drei Jahre ausüben, bevor du den Antrag auf Feststellung einer gleichwertigen Berufsqualifikation stellen kannst.


Hinweis: Für die Einstellung in den öffentlichen Dienst gelten besondere Voraussetzungen Hier musst du dich immer an die jeweilige Einstellungsbehörde wenden!

Good to know: Einschätzung deiner Qualifikation und wichtige Links

Möchtest du bereits im Voraus deinen Jura-Abschluss und deine Qualifikationen einschätzen lassen, gibt es mehrere Anlaufstellen, die diesen Service anbieten:

  • Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen: Bei der so genanneten Lissabon-Bescheinigung wird eine im Ausland erworbene Qualifikation geprüft und im Anschluss bescheinigt, welcher Qualifikation in Deutschland der Auslandsabschluss gleicht.
  • Anabin: Diese Datenbank stellt Informationen zur Bewertung ausländischer Bildungsnachweise bereit.


Um dir eine Übersicht der erforderlichen Dokumente zu verschaffen, kannst du dich entweder gezielt auf Seiten der zuständigen Behörden der jeweiligen Bundesländer informieren oder einen Blick in die geforderten Dokumente des Bundeslandes Berlin werfen.

Zudem gibt es die Möglichkeit an diversen Universitäten einen LL.M. im deutschen Recht zu absolvieren. Dieser Master of Laws wird gezielt für im Ausland graduierte Jurist:innen angeboten – z.B. an der Universität Köln.

Hinweis: FAQs zu der Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen – wie etwa die Kosten eines solchen Verfahrens – findest du auch hier.


 

Die Anerkennung ausländischer juristischer Abschlüsse ist kein leichtes Unterfangen. Insbesondere Jura-Abschlüsse, die in keinem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz absolviert wurden, können nicht anerkannt werden. Unmöglich ist eine Anerkennung dennoch nicht: Wichtig ist vor allem, dass du dich im Voraus ausreichend informierst, dich von den bürokratischen Hürden nicht abschrecken lässt und durchstartest!