Wie kann ich trotz ausländischer Ausbildung als Anwält:in arbeiten?
Es gibt jedoch Licht am Ende des Tunnels! In Einzelfällen greifen Sonderregelungen, so dass Anwält:innen mit einem ausländischen Abschluss sehr wohl in Deutschland tätig werden können oder sich zumindest Teile ihres Jurastudiums anrechnen lassen können.
1. Anerkennung des ausländischen Abschlusses als “Erstes Staatsexamen”
Die Anrechnung der bereits erworbenen Leistungen auf das Erste Staatsexamen ist durch zwei Sonderfälle geregelt:
Sonderfall 1: Anerkennung für Spätaussiedler:innen
Gemäß § 10 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (BVFG) können ausländische Abschlüsse für sogenannte Spätaussiedler:innen anerkannt werden.
Der Begriff Spätaussiedler:innen meint dabei die Nachkommen von Deutschen aus der ehemaligen Sowjetunion und anderen osteuropäischen Staaten, die durch ein spezielles Aufnahmeverfahren ihren Aufenthalt in Deutschland begründet haben (siehe § 1 BVFG).
Hast du also z.B. deinen Jura-Abschluss in dem heutigen Lettland erworben und bist Nachfahr:in von Deutschen, so fällst du unter § 1 BVFG.
Nach dieser Sonderregelung kann folglich das Erste Staatsexamen angerechnet werden, woraufhin die Möglichkeit besteht, sich für den Vorbereitungsdienst zu bewerben.
Sonderfall 2: Anerkennung durch ein rechtswissenschaftliches Universitätsdiplom
Wurde ein Jura-Abschluss in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz erworben, kann das rechtswissenschaftliche Diplom auch gemäß § 112a des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) angerechnet werden.
Dafür benötigst du Folgendes:
- Ein Rechtswissenschaftliches Universitätsdiplom
Dieses Diplom muss zur postuniversitären Ausbildung in einem anderen Staat berechtigen. Es müssen also in dem jeweiligen Staat alle Voraussetzungen erfüllt sein, um in den Vorbereitungsdienst zu gehen – in manchen Ländern ist das der erfolgreich abgeschlossene Master, es kann aber durchaus davon abweichen.
- Ein Nachweis der Kenntnisse und Fähigkeiten
Du musst zudem nachweisen, dass deine juristischen Kenntnisse und Fähigkeiten die Pflichtfächer des Ersten Staatsexamens abdecken. Die Pflichtfächer sind Teile aus:
→ Bürgerliches Recht
→ Öffentliches Recht
→ Strafrecht
→ Arbeitsrecht
→ Handels- und Gesellschaftsrecht
→ Europarecht
→ Prozessrecht
Die genauen Teile der einzelnen Pflichtfächer unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland und sind in den jeweiligen Prüfungsordnungen der Länder zu finden. Beispielsweise findet sich in Bayern die genaue Angabe der Pflichtfächer in § 18 JAPO, in Nordrhein-Westfalen in § 11 JAG NRW und in Berlin in § 3 JAG.
Hast du diese Nachweise zusammen, kannst du den Antrag auf Anerkennung deines Abschlusses bei den entsprechenden Behörden stellen. Wird festgestellt, dass die bisherigen Kenntnisse nicht ausreichen, musst du eine ergänzende Eignungs- bzw. Gleichwertigkeitsprüfung ablegen.
- Ergänzende Eignungs- bzw. Gleichwertigkeitsprüfung
Diese Prüfung ist in den Gebieten abzulegen, in welchen die Kenntnisse und Fähigkeiten nicht ausreichend waren. Hierbei sind schriftliche Prüfungen, jedoch keine mündlichen, abzulegen. Die Rahmenbedingungen und Anforderungen der einzelnen schriftlichen Prüfungen richten sich nach der Prüfungsordnung der jeweiligen Bundesländer. Aber Achtung: Die Pflichtfächer sind zwar sehr ähnlich, jedoch gibt es große Unterschiede bei den zugelassenen Hilfsmitteln. Informiere dich hier also unbedingt im Voraus – bei der Verwendung nicht zugelassener Hilfsmitteln wird die Arbeit mit 0 Punkten bewertet!
Die einzelnen abgelegten Prüfungen werden nach der Punkteskala von 0-18 Punkte bewertet. Eine Prüfung gilt als bestanden, wenn sie mindestens mit 4,00 Punkten bewertet wird. Mindestens die Hälfte der abgelegten Prüfungen musst du bestehen – die genaue Punktzahl ist dabei nicht relevant. Im Ergebnis wird keine Note festgesetzt, die Eignungs- bzw. Gleichwertigkeitsprüfung gilt als bestanden oder nicht bestanden.
Anlaufstellen für die Eignungs- bzw. Gleichwertigkeitsprüfung sind die Oberlandesgerichte der jeweiligen Regierungsbezirke.
Wurde dein Universitätsdiplom anerkannt und deine Kenntnisse und Fähigkeiten sind ausreichend – oder du hast erfolgreich die entsprechende ergänzende Prüfung abgelegt – wird dir das Erste Staatsexamen angerechnet und du kannst dich für den juristischen Vorbereitungsdienst bewerben sowie anschließend das Zweite Staatsexamen absolvieren!