Ist Jura nur etwas für Akademikerkinder?!

Verfasst von Johannes Jäger

Jura = elitär und NUR etwas für Akademikerkinder?!

Ein Einspruch zur Studie der Justizministerien mit Tipps & Tricks für den kleinen Geldbeutel...

Eine Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung hat im Auftrag von 15 Landesjustizministerien herausgefunden, dass das Jurastudium in Deutschland besonders schwierig und exklusiv ist, insbesondere indem es Nichtakademikerkinder benachteiligt. So brechen letztere häufiger ihr Studium ab als Studenten aus Akademikerfamilien. Daneben wurde eine große Distanz der Professoren im Umgang mit Studenten festgestellt, die freilich alle Studenten ungeachtet ihres Elternhauses trifft.

Mit diesem Beitrag sollen nicht die abstrakten Ergebnisse der Studie in Zweifel gezogen werden, sondern es soll – aus persönlicher Erfahrung des Autors – dargelegt werden, dass generelle Aussagen einer Studie nicht notwendigerweise auf jeden Einzelfall übertragbar sind. Zunächst erscheint dieses vorweggenommene Ergebnis des Beitrages banal, gilt es doch für jede - zumindest in den nicht-exakten Wissenschaften durchgeführte - statistische Erhebung.

Gerade das Jurastudium aber lebt zu einem nicht unerheblichen Teil von der Angst der Studenten. Dies wird meines Erachtens gerade durch die in der genannten Studie festgestellten hohen Abbrecherquoten (unter Nichtakademikerkindern) bestärkt.  Doch auch wer es zum Examen bringt, wird auch bei kleinem Geldbeutel nicht zuletzt aufgrund des sozialen Drucks oftmals ein teures, kommerzielles Repetitorium wählen. Dabei geht es – das beweisen Einzelne immer wieder – auch mit kostenlosen Uni-Repetitorien.

Insofern sei dieser Beitrag als Motivation für all diejenigen geschrieben, die mit ihrer getroffenen Studienwahl hadern oder erst vor dieser stehen und ein Jurastudium in Betracht ziehen.

Außen vor bleibt in diesem Beitrag die Berücksichtigung der Förderung nach BAföG. Dies ist eine sehr individuelle Frage und auch – gefühlt – geringe Elterneinkommen können hier zum Ausschluss oder zur signifikanten Verringerung des Anspruchs führen. Es sei an dieser Stelle nur erwähnt, dass bei erfolglosen Ablegen des Freiversuchs die Verlängerung des Höchtsbezugszeitraums des BAföG auf Antrag des Studenten um ein Jahr (!) erfolgt. Dies gibt ausreichend Zeit, sich wenigstens teilweise finanziell entspannter auf das erfolgreiche Absolvieren des Studiums vorzubereiten.

Das Jurastudium - Erwartungen vs. Realität

Jurastudium – die richtige Uni wählen, dann klappt’s auch mit kleinem Geldbeutel

Gottlob muss man in Deutschland nicht wie andernorts in der westlichen Welt – in den USA, dem Vereinigten Königreich oder in Frankreich – eine der Top-Universitäten des Landes besuchen, um später überhaupt eine Chance auf dem juristischen Arbeitsmarkt zu haben. Auch teure Anwaltsausbildungen wie sie faktisch dort nur in den großen und kostspieligen Metropolen als un- oder schlecht bezahlter „Praktikant“ erbracht werden können, finden in Deutschland nicht statt. Hier wird man als Rechtsreferendar, wenn auch bescheiden mit ca. 900-1000 € netto, für seine praktische Ausbildung bezahlt. 

Ohne aber die Vergleiche zur Juristenausbildung in anderen Jurisdiktionen weiter zu bemühen – das Gras auf des Nachbarn Grundstück ist ja ohnehin stets grüner – sei gesagt, dass innerhalb Deutschlands eine Juristenausbildung nicht an dem Fehlen eines gut gefüllten Geldbeutel eines Doppelakademikerelternhauses scheitern muss.

Das liegt zu einem großen Teil auch an unseren staatlich durchgeführten Examina. Weder ist auf dem Arbeitsmarkt relevant, an welcher Universität man studiert hat, noch vor welchem Oberlandesgericht das zweite Staatsexamen abgelegt wurde.

Günstige Alternativen zu Heidelberg, Hamburg und München können also in einer Universitäts- oder Referendariatsstadt nahe der elterlichen Heimat gefunden werden, sodass man zumindest im Studium daheim wohnen bleiben kann. Möchte man wegziehen, so bietet sich die Wahl von Städten mit niedrigen Lebenshaltungskosten an. Dies wären zuvorderst ostdeutsche Städte oder im Westen etwa das Ruhrgebiet (insb. die Ruhruni Bochum). So werden Wohnen und Leben wiederum für nahezu jedermann bezahlbar.

„Hiwi“-Jobs neben dem, aber auch relevant für das Jurastudium

Außerdem ist es für jeden Studenten möglich, sich um studiennahe Jobs zu bemühen. Gerade innerhalb der Fakultäten werden zahllose studentische Mitarbeiter benötigt. Diese findet man unmittelbar an Lehrstühlen, in universitären oder uninahen Forschungseinrichtungen sowie in den Universitätsbibliotheken.

Das Einkommen variiert hier je nach Arbeitgeber und zwischen den Bundesländern. Seit Einführung des Mindestlohnes wird jedenfalls dieser gezahlt, in manchen Ländern sind es gar 14-15 € pro Stunde, die eine studentische Hilfskraft an der Uni erhält.
 

Bezahlung auf Teilzeitbasis – aber unbezahlbare Kontakte zu Professoren

Der sachkundige Leser mag nun einwenden, dass diese Jobs meist nicht auf Vollzeitbasis ausgeübt werden können, die Verträge häufig nur wöchentliche Arbeitszeiten von ca. 4-10 Stunden umfassen. Dies ist freilich korrekt. Eine darüber hinausgehende Finanzierung des Lebensunterhaltes über Nebenjobs, BAföG o.ä. bleibt daher unerlässlich.

Was aber zugleich hiermit gezeigt werden soll ist, dass das in der Studie monierte Distanzverhältnis zwischen Professoren- und Studentenschaft durchaus durch eigenes Engagement des Studenten beeinflussbar ist. Die Bewerbung als studentische Hilfskraft in einem frühen Semester führt nicht selten zur Empfehlung für Auslandsstationen (auch im Rahmen von Erasmus-Aufenthalten), bis hin zur Promotion an ebendiesem Lehrstuhl nach Abschluss des Studiums. Der Hiwi-Job ist also viel mehr als nur ein Nebenjob zum Geldverdienen.

Insbesondere als wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl oder in der Fakultätsverwaltung nach dem ersten Staatsexamen ist es möglich, auf einer Stelle zu arbeiten, die zum einen nah am Professor und der Uni ist, zum anderen eine Bezahlung von zumeist 1000-2000 € netto pro Monat verspricht. Damit ist also sogar eine erfolgreiche Promotion ohne Vollstipendium oder finanzstarkes Elternhaus nicht mehr unerreichbar.

Der spätere Examenserfolg spielt zwar weiterhin eine wichtige Rolle und ein schlechtes Abschneiden in beiden Examina vermag die künftige Berufswahl erheblich einzuschränken.

Eigene Finanzierung von Auslandsaufenthalten bis zur Promotion

Ohne Zweifel gilt, dass sich weder Auslandsaufenthalte noch weitergehende Fortbildungen (Promotion oder Zweitstudiengänge) von selbst finanzieren. Dies ist ein Faktum in einer immer mehr auf Wettbewerb setzenden Welt, das zunächst einmal unumgänglich ist. (Weiter-)Bildung kostet. Doch auch wenn man nicht zu den in Deutschland nur sehr wenigen Studenten zählt, die durch Stipendienwerke voll gefördert werden, so braucht man für die eigenen Ziele, eine Zeit lang im Ausland zu studieren oder eine Doktorarbeit zu schreiben nicht verzagen. Zumindest anteilige Finanzierungen von Auslandsaufenthalten sind nämlich auch für weitaus größere Teile der Studentenschaft zu erreichen.

Denn auch hier gilt, dass mit Studienergebnissen im oberen Drittel, d.h. ab einem „soliden“ Befriedigend, einer Erasmusförderung selten etwas im Wege steht - auch bei umkämpften Plätzen bei besseren Partneruniversitäten (nicht selten sind dies aus Studentensicht die attraktiveren Partnerstädte).

Das Erasmusstipendium deckt zum einen nicht mehr ab als etwaige Semestergebühren im Gastland. Diese können allerdings etwa im Vereinigten Königreich, aber auch in Irland, durchaus einige Tausend Euro betragen. Zum anderen gibt es einen Unterhaltszuschuss von wenigen Hundert Euro im Monat aus dem europäischen Fördertopf. Zu berücksichtigen ist, dass auch Forschungsaufenthalte während eines Promotionsstudiums durch das Erasmusprogramm möglich sind.

Zusätzlich zur Erasmusförderung bleibt auch hier eine private Finanzierung des Auslandsaufenthaltes unabdingbar. Doch sollte deshalb nicht a priori Abstand von einem Studienaufenthalt im Ausland genommen werden. Die KfW bietet (nicht für Promovierende) einen Studienkredit, der seit einigen Jahren auch Auslandsaufenthalte fördert. Die Rückzahlungsmodalitäten ähneln den Konditionen des BAföG-Kredits, sodass dieser über Jahrzehnte gestreckt zurückgezahlt werden kann. Zudem weist er nur eine geringe Verzinsung auf, die unter dem marktüblichen Zinssatz liegt.

In jedem Fall lohnt es sich aus meiner Sicht, sich während der Ausbildung für diese Karriereschritte zu entscheiden. Der spätere Examenserfolg spielt zwar weiterhin eine wichtige Rolle und ein schlechtes Abschneiden in beiden Examina vermag die künftige Berufswahl erheblich einzuschränken. Dennoch ist es ebenso wichtig, Auslandserfahrungen im Studium zu sammeln. Es weitet den Horizont, baut das Verständnis für andere Sprachen und Kulturen aus. Vor allem aber sollte man sich gewiss sein, dass man in seinem (Berufs-)Leben in aller Regel nie wieder so günstig und unproblematisch ins Ausland kommt wie im Studium.

Private Repetitorien besuchen auch ohne viel Geld? – Ja, z.B. als Kurshelfer...

Gleich welchen Anbieter man wählt: nahezu alle kommerziellen Repetitoren setzen in ihren Kursen auf die Mitarbeit von Teilnehmern als sog. Kurshelfer. Diese sind dazu da, die Räumlichkeiten einige Minuten vor dem Kursus aufzuschließen, die Kursmaterialien an die Teilnehmer auszugeben und teilweise – als eigener, freiwilliger  Zusatzverdienst – Kaffee, andere Getränke und kleinere Snacks zu verkaufen.

Für die Haupttätigkeiten als Kurshelfer wird man entweder auf stündlicher Basis entlohnt oder man erhält die eigene Teilnahme am Kurs vergünstigt oder kostenlos. Daher gilt, dass auch die ca. 100-200 € pro Monat, die ein Jahreskurs bei einem privaten Repetitor vor dem ersten Examen verschlingt, auch bei Studenten mit kleinem Geldbeutel abgefedert werden können.
 

...oder die Alternative: Universitätsrepetitorien

Die Alternative hierzu stellt der Besuch eines universitätsinternen Vorbereitungskurses dar. Die juristischen Fakultäten haben den Bedarf hieran in der breiten Masse erst vor einigen Jahren erkannt. Inzwischen haben sich hier beträchtliche Angebote entwickelt inkl. mündlicher und schriftlicher Examenssimulationen sowie wöchentlicher Übungsklausurenkurse.

All diese Angebote kosten - soweit bekannt - kein zusätzliches Entgelt und sollten daher durchaus in Betracht gezogen werden, zumal wenn das kommerzielle Repetitorium zu teuer erscheint. Da aber Tiefe und Breite des fakultätsinternen Angebots nicht zuletzt eine Frage des Engagements der örtlichen Professoren und wissenschaftlicher Mitarbeiterschaft sind, kann hier kein generelles Plädoyer für oder gegen das „Unirep“ gehalten werden.
 

... in jedem Fall eine Entscheidung im Einzelfall

Es sollte letztlich jeder Student im Einzelfall entscheiden, ob ihm die fraglos fokussierten und erfahrenen kommerziellen Repetitorien im Zweifel nicht die Investition von 1000-2000 € wert sind. Es geht schließlich um nichts weniger als die eigene berufliche Zukunft. Wie dargestellt ist eine (Teil-)Finanzierung sogar durch Arbeit für den Repetitor selbst möglich.

Erste Eindrücke in die Berufswelt - eine wertvolle Bereicherung!

Ergebnis: Studium heißt Eigenverantwortung und -finanzierung

Ungeachtet der Notwendigkeit einer politischen Diskussion um die gefundenen Ergebnisse der Studie, die sich sicherlich auch auf andere Disziplinen übertragen lassen, gilt, dass in Deutschland auch Studenten mit geringen finanziellen Ressourcen nicht verloren sind.

Das Modell der öffentlichen Förderung von Studenten aus nichtprivilegierten Elternhäusern funktioniert allerdings anders als etwa in den USA, wo dies ausschließlich über universtitätseigene Stipendien gelöst wird. Der Vorteil der Ausbildung zum Volljuristen in Deutschland ist dabei, dass es zunächst auf die Wahl der „richtigen“ Uni bzw. des richtigen Anwaltsbüros gerade nicht ankommt.

Daneben eröffnet uns auch die EU Möglichkeiten, am internationalen Austausch teilzunehmen. Wenn es nicht unbedingt London oder Paris für ein Semester sein sollen, sondern auch Krakau oder Budapest in Frage kommen, ist dies auch für den Studenten ohne Akademikerelternhaus möglich. Zudem findet für die Vollstipendien über die anerkannten Stipendienwerke freilich eine Bestenauslese statt; doch fallen auch solche, die nicht dazu gehören, in Deutschland nicht hinten über. Eine Förderung von Auslandsaufenthalten und Zweitstudiengänge sind unter anderem über Kredite (bspw. der KfW) möglich.

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