Secondment in Washington

Veröffentlicht am 30.10.2023

Secondment in Washington

Isabelle Suzanne Müller von McDermott im Interview

Ich bin als Associate bereits einige Jahre bei McDermott und habe sehr früh angefangen auf internationalen Projekten mit dem DC Corporate Team mitzuarbeiten. Schon früh hatte ich den Wunsch geäußert, ein Secondment in DC machen zu dürfen, der mir im Sommer 2022 dann auch ermöglicht wurde.
 

Frau Müller, Sie haben 2022 ein Secondment in Washington absolviert. Ging der Wunsch für das Secondment von Ihnen oder Ihrer Kanzlei McDermott aus? Und wann ist Ihrer Meinung nach der perfekte Zeitpunkt für die Arbeit im Ausland?

Ich habe das Thema Secondment bereits zu Beginn meiner Tätigkeit bei McDermott aktiv angesprochen. Da ich keinen LL.M. gemacht habe, war es für mich persönlich wichtig, die Option zu haben, noch einmal ins Ausland zu gehen. Hier wurde mir von Anfang an mitgegeben, dass grundsätzlich immer die Möglichkeit besteht, eine gewisse Zeit im Ausland zu verbringen.

Isabelle Suzanne Müller
Isabelle Suzanne Müller

Inwiefern konnte Sie McDermott bei der Vorbereitung und Durchführung des Secondments in der Washingtoner Niederlassung unterstützen?

McDermott hat mich bei der Einreise, d.h. vor allem dem Visum und bei der Wohnungssuche unterstützt. Es war relativ kompliziert, einen Interviewtermin beim Amerikanischen Konsulat zu bekommen. Hier wurden von den Kolleg:innen alle Hebel in Bewegung gesetzt, um mein Secondment zu ermöglichen.
 

Welche Chancen und Möglichkeiten sehen Sie bei juristischen Tätigkeiten im Ausland – insbesondere durch das Secondment? Welche Punkte waren für Sie wichtig (bspw. die Wahl des internationalen Büros)?

McDermott arbeitet bei internationalen Reorganisationen im Anschluss an multinationale Unternehmenstransaktionen viel mit den Büros aus dem eigenen Netzwerk zusammen. Frankfurt bietet sich hier als Hub für den Bereich EMEA an. Ich hatte das Glück, bereits von Anfang an bei solchen Großprojekten mitzumachen und die Kolleg:innen in den USA beim Projektmanagement zu unterstützen.
 

Gab es Herausforderungen, die Ihnen sowohl bei der Planung als auch in den ersten Wochen vor Ort in Washington begegnet sind?

Probleme gab es – vor allem mit meinem Visum, da ich ein persönliches Interview im Amerikanischen Konsulat vereinbaren musste und es pandemiebedingt kaum Termine gab. Mein Visum habe ich dann erst eine Woche vor Abflug erhalten. Ich kam dann zwar rechtzeitig an, meine Koffer haben es aber leider nicht geschafft. Es war Chaos. In DC haben mich die Kolleg:innen dann sehr herzlich empfangen und aufgenommen (und mir in der ersten Zeit das ein oder andere Mal Sportsachen geliehen). 

„Ein Team. Eine Vision. Eine Zukunft."

Welche Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten, haben Sie bei den Arbeitsabläufen und der Tätigkeit als Juristin im Bereich Corporate zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Standort festgestellt?

Im internationalen Bereich sind die Arbeitsabläufe relativ ähnlich. Anders als bei uns in Deutschland ist aber die persönliche Anbindung an ein Team bzw. eine:n Partner:in oder mehrere Partner:innen: In Deutschland arbeiten wir auch büroübergreifend mit verschiedenen Teams zusammen, in erster Linie ist man aber für den oder die Partner:in des eigenen Teams zuständig. In den USA gibt es dieses Konzept nicht, alle Associates sind in einer Art Pool und jede:r Partner:in, egal an welchem Standort, kann auf Dich zugreifen.
 

Ist es Ihrer Ansicht nach erforderlich, bei grenzüberschreitenden Beratungen die Herangehensweise zu verändern und fällt es Ihnen durch das Secondment leichter, Verständnis für andere Rechtssysteme zu entwickeln?

McDermott ist eine Kanzlei, die sehr viel Wert auf den Teamgedanken legt. Die eigene Vernetzung mit nationalen und internationalen Kolleg:innen wird gefördert und ist gewünscht. Ich denke, dass auch deswegen McDermott in internationalen Projekten immer ein guter Partner ist, da sich die meisten untereinander kennen und keine Scheu haben, aufeinander zuzugehen und Fragen zu stellen.

Um andere Rechtssysteme (und die Bedürfnisse der Mandanten vor Ort), besser zu verstehen, hilft es immer, die Gegebenheiten und die Arbeitskultur zu kennen: Was wird von mir erwartet und wie sage ich am besten, was ich brauche?
 

Wie genau funktioniert das Common-Law-System in Amerika und gibt es Methoden oder prozessuale Vorteile, von denen sich das deutsche Rechtssystem – vor allem im Bereich Corporate – „eine Scheibe abschneiden” könnte?

Dadurch, dass im amerikanischen Recht mehr mit Präzedenzfällen und weniger mit Codices gearbeitet wird, sind Regelungen, die die Parteien in Verträgen treffen, viel umfangreicher und sie versuchen, alle möglichen Unwägbarkeiten abzudecken. Auffällig im Corporate Bereich sind vor allem die riesigen Garantiekataloge in Kaufverträgen, die im Zusammenhang mit Unternehmensverkäufen relevant werden.

Zwar ist es hier in Deutschland mittlerweile auch Standard, seitenweise Garantien abzugeben, allerdings ist die Intensitätsstufe in den USA dann doch noch einmal eine ganz andere, und es wird wirklich jedes Detail abgesichert. Besonders aufgefallen sind mir in diesem Zusammenhang die sehr umfangreichen Regelungen zu Compliance-Themen.

Hatten Sie vor Ihrem Secondment in Washington bereits Berührungspunkte mit dem amerikanischen Rechtssystem?

Ich war im Studium für ein Auslandssemester in den USA und konnte dort ein bisschen Uniluft schnuppern. Das war damals eine tolle Erfahrung, die mich noch mehr darin bestärkt hat, international arbeiten zu wollen. Beruflich habe ich immer wieder mit amerikanischen Mandant:innen zu tun, denen man dann vor allem die Besonderheiten des deutschen Rechts nahebringen muss. Hier gibt es immer einen regen Austausch.
 

Welchen Stellenwert nehmen Auslandsaufenthalte bei dem Berufseinstieg in Großkanzleien heutzutage ein?

Auslandsaufenthalte werden immer gerne gesehen, weil es zeigt, dass die Bewerber:innen über den Tellerrand hinausschauen und allein in einer fremden Umgebung zurechtkommen. Zudem müssen diese Auslandsaufenthalte meist mühsam organisiert werden. Es zeugt von Eigeninitiative, Organisationstalent, Selbstständigkeit und Mut, wenn Bewerber:innen neben dem Studium oder im Referendariat eine solche zusätzliche Herausforderung annehmen.
 

Sollte der Wunsch nach einem Secondment bereits im Bewerbungsgespräch angesprochen werden? War die Möglichkeit eines Secondments ein Kriterium bei Ihrer Arbeitgeberwahl, Frau Müller?

Für mich persönlich war ein Kriterium, international arbeiten zu können. Wenn man den Wunsch hat, ins Ausland zu gehen, sollte man das auf jeden Fall bereits früh ansprechen und beim Arbeitgeber hinterlegen. Es mag sein, dass es dann noch ein bisschen dauert, bis man sich die notwendige Berufserfahrung angeeignet hat, um ins Ausland geschickt zu werden, aber da heißt es einfach dranbleiben und nicht lockerlassen. 
 

McDermott legt großen Wert auf ein gutes Betriebsklima. Wie haben Sie die Kanzleikultur in Washington wahrgenommen in Bezug auf Diversity, Work-Life-Balance und interne Kommunikation?

Für ein gutes Betriebsklima sorgt vor allem der lockere, respektvolle Umgang miteinander und die flachen Hierarchien. Zudem haben wir verschiedene nationale und internationale Associate Retreats, wo alle zusammenkommen und sich kennenlernen können. Für die Themen Vielfalt und Nachhaltigkeit haben wir verschiedene nationale und internationale Arbeitsgruppen und auch Trainings (beispielsweise zu „unconcious bias“).

Work-Life-Balance ist ebenfalls ein von der Kanzlei sehr beachteter Bereich – hier gibt es z.B. Workshops zu den Themen Resilienz, Stressmanagement und Achtsamkeit, auch Meditationen werden angeboten.

Das Ziel meines Aufenthalts war für mich vor allem die Leute, mit denen ich bereits seit meiner Anfangszeit bei McDermott zusammenarbeite, endlich persönlich kennenzulernen.
Isabelle Suzanne Müller

Einblicke bei McDermott

Wie wurden Sie in das Washingtoner Team aufgenommen und gab es auch die Möglichkeit, an Teamevents teilzunehmen? 

Die Kolleg:innen haben mich sehr gut aufgenommen. Ich war mit auf einem Baseballspiel, wurde ins Steakhaus ausgeführt, war in einem amerikanischen Biergarten und habe unsere DC Hausmannschaft beim Softball angefeuert. Wir haben dort eine wirklich tolle Truppe und ich habe mich nicht allein gefühlt.
 

Inwiefern konnten Sie fachlich, aber auch persönlich, von dem Secondment in Washington profitieren?

Das Ziel meines Aufenthalts war für mich vor allem die Leute, mit denen ich bereits seit meiner Anfangszeit bei McDermott zusammenarbeite, endlich persönlich kennenzulernen. Es war sehr lehrreich für mich, den Kolleg:innen einmal über die Schulter schauen zu können und zu erfragen, was ihre Erwartungen an mich sind, wenn sie mit neuen Aufgaben auf mich zukommen.

Persönlich war es für mich ein weiterer Schritt in Richtung Selbstständigkeit. Wenn alle in Europa gerade schlafen, muss man das ein oder andere Problem dann doch irgendwie alleine lösen. 
 

Gibt es ein Projekt aus dem Secondment, welches Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Zum Glück konnte einige internationale Projekte aus dem Secondement mitnehmen, sie laufen gerade noch und ich betreue sie weiter aus Deutschland heraus. 
 

Was möchten Sie jungen Jurist:innen mit auf den Weg geben, die sich für ein Secondment interessieren?

Ein Secondment ist kein Selbstläufer und es muss auch für die Kanzlei sinnvoll sein, auf jemanden für ein paar Monate zu verzichten. Auch wenn man mittlerweile technisch von überall aus arbeiten kann, ist oft die Zeitverschiebung ein nicht zu unterschätzendes Hindernis.

Ich würde den Wunsch auf ein Secondment frühzeitig ansprechen und die Kontakte zu dem Team, zu dem ich gehen möchte, von Anfang an pflegen. Wenn es dann soweit ist, sagen auch alle, ja, das macht Sinn, dass Du dort einmal persönlich vor Ort bist.
 

Ihr Fazit?

Für mich war das Secondment eine Bereicherung. Der Einblick in die amerikanische Arbeitswelt, der persönliche Kontakt zu den Kollegen und natürlich die Möglichkeit, meine Sprachkenntnisse zu verbessern, möchte ich nicht missen. Die gesammelten Erfahrungen werden mir bei zukünftigen Projekten sehr weiterhelfen. 
 

Vielen Dank, Frau Müller!

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