Mann in verglastem Büro an Schreibtisch

Fortbildung für Juristen | Welche Möglichkeiten gibt es?

Welche Möglichkeiten gibt es? - Ein Blick über den Tellerrand...

„Man lernt nie aus.“ Eine Redensart, die insbesondere auch auf Juristen zutrifft, schließlich befindet sich das Recht in einem ständigen Wandel: Was heute gilt, muss morgen noch lange nicht so gelten.

Darüber hinaus besteht zumindest für Fachanwälte eine Fortbildungspflicht (vgl. § 15 FAO). Bereits Studenten sollen nach § 5a Abs. 3 DRiG Schlüsselqualifikationen erwerben, etwa Verhandlungsmanagement, Gesprächsführung, Rhetorik, Streitschlichtung, Mediation, Vernehmungslehre und Kommunikationsfähigkeit. Unabhängig von diesen Vorgaben ist der Blick über den allseits bekannten Tellerrand stets ratsam. Welche Möglichkeiten es unter anderem gibt – sowohl für Studenten, Rechtsreferendare oder Volljuristen – erfahrt ihr hier:
 

Professionelle Gesprächsführung und Rhetorik

Ein Jurist muss reden können, sich artikulieren und argumentieren. Das Studium der Rechtswissenschaften vermittelt diese Qualifikationen kaum, zumindest nicht in den Pflichtfächern. Die Universitäten bieten i.S.d. § 5a Abs. 3 DRiG aber Kurse an, die dem Ausbau der Kommunikationsfähigkeit dienen.

In der Praxis von Rechtsanwält:innen ist Rhetorik weit mehr als nur die Fähigkeit, gut zu reden. Sie ist das Werkzeug, mit dem Du Deine juristischen Argumente so strukturierst und präsentierst, dass sie nicht nur logisch überzeugend, sondern auch emotional ansprechend und strategisch durchdacht sind. Gerade in Verhandlungen, vor Gericht oder in beratenden Gesprächen entscheidet nicht selten die Art und Weise, wie Du Deine Position vermittelst, über den Erfolg.

Ein zentrales Element der erfolgreichen Rhetorik ist das aktive Zuhören. Dies bedeutet mehr als nur das bloße Aufnehmen von Informationen. Es geht darum, die Aussagen Deines Gegenübers wirklich zu verstehen, zwischen den Zeilen zu lesen und die Beweggründe hinter den geäußerten Argumenten zu erkennen. Indem Du aufmerksam zuhörst, kannst Du nicht nur gezielt auf die Argumente des Gegenübers eingehen, sondern auch Schwachstellen oder unlogische Schlussfolgerungen identifizieren. Dies ermöglicht es Dir, präzise Gegenargumente zu entwickeln, die nicht nur sachlich korrekt, sondern auch psychologisch durchdacht sind.

Eine weitere entscheidende Fähigkeit ist die zielgerichtete Vorbereitung. Eine gute rhetorische Leistung beginnt lange vor dem eigentlichen Gespräch oder der Verhandlung. Es gilt, Deine Argumente klar zu strukturieren, mögliche Einwände vorauszusehen und diese proaktiv in Deine Argumentationskette zu integrieren. Das bedeutet auch, Dich intensiv mit den Interessen und Bedürfnissen Deines Gegenübers auseinanderzusetzen. Nur so kannst Du Deine Botschaften so formulieren, dass sie nicht nur logisch überzeugen, sondern auch die emotionalen und psychologischen Aspekte berücksichtigen, die im Hintergrund stehen.

Körpersprache und nonverbale Kommunikation spielen ebenfalls eine zentrale Rolle. Deine Haltung, Gestik und Mimik unterstützen nicht nur Deine verbalen Aussagen, sondern können auch subtile Botschaften übermitteln, die Deine Position stärken. Eine offene und selbstbewusste Körpersprache signalisiert Sicherheit und Glaubwürdigkeit. In schwierigen Verhandlungssituationen kann eine kontrollierte nonverbale Kommunikation dazu beitragen, Ruhe zu bewahren und Deinem Gegenüber die eigene Standfestigkeit zu vermitteln.

Neben der reinen Präsentation Deiner Argumente ist die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte verständlich darzustellen, entscheidend. Gerade in juristischen Auseinandersetzungen, wo Laien, Richter oder gegnerische Parteien oft nicht über das gleiche Fachwissen verfügen, ist es wichtig, Deine Argumente klar, präzise und nachvollziehbar zu formulieren. Hierbei helfen rhetorische Techniken wie die Verwendung von Analogien oder das Reduzieren komplexer Sachverhalte auf einfache Kernbotschaften.

All dies geschieht regelmäßig durch verschiedene Übungen zu Kommunikationssituationen, die für den juristischen Berufsalltag typisch sind. So wird nicht nur der Themenkomplex "Rede" abgedeckt, sondern etwa auch Vortrag, Präsentation, Plädoyer sowie Verhandlungstechniken und Verhandlungstaktiken (einschließlich der Harvard-Methode).

Moot-Court

Die Studierenden können ihre in den o.g. Kursen erlernten Kommunikationsfähigkeiten etwa auch in den sog. Moot-Courts unter Beweis stellen. Dabei handelt es sich um von den Universitäten simulierte Gerichtsverhandlungen, bei denen sich Studierende in einem Wettkampf messen und ihre juristischen und rhetorischen Fähigkeiten trainieren können. Dazu wird den Studierenden ein fiktiver oder realer Fall zugeteilt, in dem sie jeweils eine der Prozessparteien vertreten müssen.

 

Mediation und Streitschlichtung

Ein Rechtsstreit muss aber nicht immer vor den Gerichten ausgehandelt werden. Ein Konflikt kann auch im Rahmen einer Mediation oder einer anderen außergerichtlichen Streitschlichtung gelöst werden. Diese Form der Streitbeilegung ist in den vergangenen Jahren zunehmend wichtiger geworden, was auch der Gesetzgeber erkannt und entsprechend mit dem Mediationsgesetz reagiert hat.

In diesem Gesetz finden sich u.a. auch die Voraussetzungen, die vorliegen müssen, um zertifizierter Mediator zu werden. Einen ersten Schritt kann man häufig jedoch auch an der Universität machen, die aufgrund des § 5a Abs. 3 DRiG die Mediation als Schlüsselqualifikation anbietet.

 

BWL für Juristen

Kenntnisse in der Betriebswirtschaftslehre (meistens mitsamt einer Einführung in die Volkswirtschaftslehre) sind vor allem für Wirtschaftsjuristen besonders wertvoll. Denn wer als Jurist Unternehmen beraten oder die Geschicke eines großen Konzerns lenken will, muss sich zwangsläufig mit allen Facetten von Unternehmensrecht und wirtschaftlicher Umsetzung befassen.

In aller Regel bietet der Kurs "BWL für Juristen" auch Einblicke in die Rechtsökonomik. Es geht dabei maßgeblich um die folgenden Fragen: Was sind die Auswirkungen von Rechtsnormen auf das Verhalten der betroffenen Personen? Sind diese Auswirkungen gesellschaftlich wünschenswert? Wann sind gesetzliche Regelungen „effizient“? Wann sind sie „gerecht“?

Einige Universitäten bieten solche Kurse ebenso an, zum Teil besteht sogar die Möglichkeit ein sog. Wirtschaftszertifikat zu erwerben. Dafür müssen regelmäßig verschiedene Grundlagenkurse zu BWL, VWL und Recht und Ökonomik sowie nachfolgend einige BWL-Bachelor-Kurse erfolgreich bestanden werden.

Die Studierenden können ihre in den o.g. Kursen erlernten Kommunikationsfähigkeiten etwa auch in den sog. Moot-Courts unter Beweis stellen.

Psychologie für Juristen

Im Familienrecht, aber auch im Strafrecht, spielt Psychologie oftmals eine große Rolle. Entsprechende Kenntnisse können sich deshalb positiv in der eigenen Argumentation niederschlagen, jedenfalls dienen sie einem besseren Opfer-Verständnis. Deshalb bieten einige Universitäten entsprechende Kurse an.

Inwieweit eine Interdisziplinarität zwischen Jura und Psychologie konkret besteht, erfahrt ihr hier: „Interdisziplinarität: Jura trifft Psychologie – Anhand des Beispiels ‚Gewalt gegenüber Kindern"

 

Die Gesetzesgestaltung als juristische Schlüsselqualifikation

Einige Universitäten bieten auch Kurse zur Gesetzesgestaltung an, die insbesondere solche Studierende ansprechen sollen, die sich vor allem für das öffentliche Recht begeistern bzw. später in der Politik arbeiten möchten. In der Praxis ist es häufig Aufgabe der Juristen, die Parlamente, Regierungen und Behördenleitungen zu beraten und bei der Anfertigung von Entwürfen von Gesetzen und anderer Rechtsnormen zu unterstützen.

Ein Gesetz zu formulieren verlangt jedoch andere Fertigkeiten und Kompetenzen als die Auslegung und Anwendung bestehender Gesetze. Diese Fertigkeiten und Kompetenzen sollen in diesen Kursen vermittelt werden. Dies geschieht in aller Regel durch die eigene Erarbeitung eines Gesetzesentwurfs in mehreren Arbeitsschritten, ausgehend von einer ersten Analyse des politischen Auftrags über die (strategische) Wahl der passenden Regulierungsstruktur bis zur Niederschrift des Normtextes und der Gesetzesbegründung.

 

‚Practice Talks‘ als Einführung in die Praxis

Einen praktischen Bezug haben auch die sog. Practice Talks, die von einigen Universitäten angeboten werden. In diesen Reihen berichten erfahrene Juristen von ihrer täglichen Arbeit, um den Studierenden damit einen Einblick aus erster Hand zu gewähren.

Die Studierenden erfahren so aber nicht nur, auf was es in der beruflichen Praxis tatsächlich ankommt, sondern auch, welche Möglichkeiten Juristen offen stehen – auch jenseits der klassischen Berufsbilder Richter und Anwalt bzw. dessen, was Sie sich möglicherweise darunter vorstellen.

Sie sind in aller Regel so konzipiert, dass Vorkenntnisse sicherlich hilfreich, aber keinesfalls zwingend erforderlich sind. Dies gilt auch dann, wenn sie mit der Schwerpunktausbildung verzahnt sind.

Einige dieser Practice Talks haben auch aktuelle Themen zum Inhalt, die nicht nur die Praktiker beschäftigen.
 

Ein bestandenes Staatsexamen weist eine gewisse Bildung nach. Der ständige Wandel des Rechts macht es jedoch unausweichlich, dass man sich stets weiterbildet. Darüber hinaus sollten sich Volljuristen niemals auf ihr Wissen über die juristische Materie ausruhen, sondern stets über den Tellerrand schauen, insbesondere wenn sie in Rechtsgebieten beschäftigt sind, die interdisziplinär geprägt sind, etwa Wirtschaftsrecht mit einer Konvergenz zu BWL oder Familienrecht mit einer Konvergenz zur Psychologie.
Ratsam ist es außerdem, sich frühzeitig um eine entsprechende Weiterbildung zu kümmern. Deshalb stehen bereits den Studierenden regelmäßig verschiedene Möglichkeiten offen, die zwar fakultativ sind, dennoch stets in Anspruch genommen werden sollten.

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