Jura abbrechen oder durchziehen?
„Bitte seien sie selbstkritisch! Reflektieren Sie für sich selbst spätestens nach dem zweiten Semester, ob sie bis zum Schluss durchhalten“. Diesen sinngemäßen Satz hat mein ehemaliger Professor für Strafrecht in der ersten Vorlesung als Erstes im Hörsaal fallen lassen – für uns als damalige Erstis sehr amüsant. Schließlich haben sich die meisten von uns bewusst für diesen Studiengang entschieden.
Einige Semester später, als ich im 4. Semester meinen Schein für die Schlüsselqualifikation erwerben wollte, kam es zu folgender Situation: Ein Kommilitone saß neben mir, der bereits im 13. Fachsemester war. Auf die Frage, wieso nach 6,5 Jahren kein Examensversuch gestartet wurde, er also nicht vorher den Schein für die Schlüsselqualifikation erworben hat, reagierte er mit den üblichen Floskeln, wie:
- „Meine Klausuren werden immer unfair gestellt, deswegen bin ich noch nicht scheinfrei.“
- „Bald melde ich mich an.“, oder
- „Ich möchte perfekt auf mein Examen vorbereitet sein, schließlich will ich ein Prädikat!“
Solche Aussagen sind leider keine Seltenheit von denjenigen, die bereits 12 oder mehr Semester Jura studieren. Natürlich spricht nichts dagegen, wenn du dir 1-2 Semester Bedenkzeit nimmst, um zu entscheiden, ob du das Jurastudium fortsetzen willst oder nicht. Je länger du die Entscheidung allerdings hinauszögerst und je weiter fortgeschritten du im rechtswissenschaftlichen Studium ist, desto schwieriger wird die Entscheidung – und besser geht es dir davon vermutlich auch nicht.
Dir sollte klar sein: Die spätere Tätigkeit in den klassischen Juristenberufen wird sich vom Studium kaum unterscheiden, auch was den Druck anbelangt. Um das Haftungsrisiko zu minimieren, wirst du z.B. auch als Rechtsanwalt an jede Anspruchsgrundlage, Einwendung oder Einrede denken müssen. Auch an solche der Gegenseite. Als Richter wird von dir erwartet, dass du die relevanten Rechtsnormen kennst, ohne dass der Kläger sie in der Klageschrift benennt. Deine Entscheidungsgründe müssen in sich verständlich sein. Als Richter ist man schließlich nur dem Gesetz unterworfen. Als Organ der Rechtspflege hängst du also nicht, wie z.B. in Suits, ständig in coolen Bars ab und schmeißt eine Akte deinem Gegenüber hin, womit sich die Sache dann erledigt.
Wichtig ist vor allem folgender Punkt: Hast du gerade einen kleinen Durchhänger, aber grundsätzlich Spaß am Studium oder ist das Jurastudium schon seit längerem eine einzige Qual für dich? Meistens lassen sich kleine Durchhänger nach einem Semester überwinden – und ehrlich gesagt, kenne ich niemanden, der durchgehend top motiviert Jura studiert hat. Merkst du allerdings, dass es mehr als ein kleiner Durchhänger ist, solltest du dich zumindest mit deinen verschiedenen Optionen nach Abbruch des Jurastudiums auseinandersetzen.