Sind strikte Hierarchiestrukturen noch zeitgemäß? Hat sich der juristische Arbeitsmarkt diesbezüglich weiterentwickelt und was hat Greenberg Traurig spezifisch verändert?
Aus meiner Sicht muss man zwischen Hierarchien auf fachlicher Ebene und Hierarchien auf persönlicher Ebene unterscheiden. Auf persönlicher Ebene sind Hierarchiestrukturen nicht mehr wirklich zeitgemäß. Wir begegnen uns auf Augenhöhe, egal ob Partner:in, Referendar:in oder Business Staff.
In der Bearbeitung der Mandate gibt es hingegen auch heute noch klare Hierarchiestufen und die helfen auch. Insbesondere in besonders zeitkritischen Situationen bei einer Transaktion muss klar sein, wer die Letztentscheidung trifft – diese Verantwortung wälzen wir nicht auf unsere jungen Kolleginnen und Kollegen ab. Trotzdem schätzen wir Widerspruch gerade auch in fachlicher Hinsicht. Dafür arbeiten wir schließlich im Team und stellen kluge Menschen ein.
Sollten junge Jurist:innen immer mit dem Ziel der Partnerschaft in eine Großkanzlei einsteigen – ganz nach dem Prinzip "up-or-out"?
Unser Bewerbungsprozess ist grundsätzlich darauf ausgelegt, Kolleginnen und Kollegen zu finden, die langfristig bei GT tätig sein wollen. Für mich als Recruitment-Partner ist es ein Erfolg, wenn die Fluktuation in der Kanzlei niedrig ist. Das gelingt uns in der Regel auch sehr gut. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass – egal, wie viel Mühe wir uns im Bewerbungsprozess geben – nicht jede Einstellung passt.
Im Übrigen verändern sich Menschen, Lebensumstände und auch Lebenswege sind individuell. Daher gilt bei uns weder ein „up-or-out-Prinzip“ noch sind wir beleidigt, wenn sich jemand entscheidet, eine andere berufliche Herausforderung anzunehmen. Wichtig ist uns, dass man auch in solchen Fällen im Guten auseinander geht und – im Idealfall – eine ordentliche Abschiedssause stattfindet.
Gehört für Sie – insbesondere als Teamleiter – auch mal eine Prise Humor dazu? Erinnern Sie sich an ein besonders witziges Ereignis bei Greenberg Traurig?
Auf jeden Fall – ohne Humor geht es nicht! Mein Job macht mir insbesondere auch deshalb so viel Spaß, weil ich die Menschen mag, mit denen ich zusammenarbeite. Das gilt GT-intern, aber auch mit Mandantinnen und Mandanten. Die besonders witzigen Ereignisse behalten wir dann aber doch lieber für uns…
Greenberg Traurig verschreibt sich der Diversity. Wie setzt Ihre Kanzlei diesen Vorsatz erfolgreich um? Wie ist dies für Sie und Ihre Kolleg:innen spürbar, Herr Dr. Osteroth?
GT wurde in den USA von Anwält:innen gegründet, denen man aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Glaubens in anderen Kanzleien keine Chance geben wollte. Diese Gründungsgeschichte ist auch heute noch eine Verpflichtung für uns.
GT soll eine Kanzlei sein, in der jede und jeder willkommen ist. Wir wissen, dass das Leben und Karrierewege nicht immer gerade verlaufen. Wir wissen auch, dass unser Bildungssystem nicht gerecht ist und deshalb immer noch eine Mehrheit an Juristinnen und Juristen hervorbringt, die aus einer ähnlichen sozialen Schicht kommen und nicht die Vielfalt unserer Gesellschaft widerspiegeln. Wir wollen aber Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen ansprechen und ermutigen, sich bei uns zu bewerben.