Überforderter Berufsanfänger

Verfasst von Laura Hörner|Veröffentlicht am 22.11.2021

Jung, motiviert, überfordert?

9 Tipps, wie du als Anwalt besser in deinen ersten Job startest

Der Einstieg in den Juristenberuf kann sich anfühlen wie ein Sprung ins kalte Wasser. Klar, im Referendariat und in dem ein oder anderen Praktikum hast du bereits Berufserfahrung gesammelt. Die Erwartungen sind nun jedoch höher: Du sollst eine steile Lernkurve hinlegen, hast deine ersten Mandanten, sollst alle von deinen Fähigkeiten überzeugen und musst nebenbei noch zahlreiche neue Menschen kennenlernen. Viele Berufseinsteiger fühlen sich gerade in den ersten Wochen und Monaten überfordert und zweifeln an sich selbst. Die richtige Einstellung und einige Tipps können dabei helfen, die anfänglichen Schwierigkeiten zu überwinden.

1. Ziehe bei Fragen Literatur hinzu

Als frisch gebackener Anwalt weißt du, woher du dein Wissen am besten bekommst: natürlich aus Büchern. Auch für den Einstieg als Rechtsanwalt gibt es die passende Lektüre. Besonders hilfreich ist der DAV Ratgeber für junge Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Darin findest du auf 600 Seiten zum Beispiel Musterverträge oder Infos zum Berufsrecht. Auch Handbücher für deinen Fachbereich solltest du dir dringend anschaffen – in diesen findest du die aktuelle Rechtsprechung und kannst so die Fragestellungen deiner Mandanten einfacher lösen.

2. Wer nicht fragt, bleibt dumm

Von einem Berufseinsteiger wird nach einem abgeschlossenen Studium mit guten Noten einiges erwartet – allerdings nicht, dass er bereits ein perfekter Anwalt oder eine perfekte Anwältin ist. Deshalb heißt es gerade am Anfang: Fragen, fragen, fragen. In den ersten Wochen kannst du noch ein wenig deine Narrenfreiheit genießen und auch scheinbar „dumme“ Fragen loswerden. Solange du engagiert bei der Sache bist und schnell dazulernst, werden dir diese zu Beginn gerne verziehen.

3. Gute Vorbereitung ist die halbe Miete

Das Wichtigste bei deiner Arbeit als Anwalt sind die Mandanten. Gerade Dauermandanten solltest du gut kennen, bevor du aktiv an Gesprächen mit ihnen teilnimmst. Informiere dich dafür bei deinen Kollegen oder bei den Rechtsanwaltsfachangestellten, die dir wichtige Infos über eure Mandanten geben können. Bist du nervös vor deinen ersten Gesprächen, hilft Sicherheit in der Vorbereitung. Frage deine Kollegen, wie sie sich auf ein Gespräch vorbereiten und mache dir immer Notizen, bevor du in einen wichtigen Termin gehst.

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4. Reflektiere deine Leistung

Die erste Zeit in der Kanzlei kann überwältigend sein und du hast nur wenig Zeit zur Reflexion. Gerade diese ist jedoch besonders wichtig, damit du dich weiterentwickeln und aus möglichen Fehlern lernen kannst. Nimm dir deshalb am Ende jedes Arbeitstages fünfzehn Minuten Zeit und denke noch einmal darüber nach, was du heute gelernt hast, was vielleicht nicht so gut lief und was du in Zukunft besser machen möchtest. Am besten hältst du dies zusätzlich schriftlich fest, um deine Vorsätze verbindlicher zu machen.

5. Ordnung ist das halbe Leben

Als Anwalt ist eine gute Organisation das A und O. Dass du zu Beginn noch Schwierigkeiten hast, dich perfekt zu organisieren, ist deiner mangelnden Erfahrung geschuldet. Du kannst die Prioritäten noch nicht gut einschätzen und unter- oder überschätzt vielleicht den Zeitaufwand bestimmter To-Dos. Umso wichtiger ist es, dass du an deiner Organisationsfähigkeit arbeitest. Plane morgens deinen Tag, priorisiere deine Aufgaben und nutze digitale Tools, um den Überblick über deine To-Dos, Fristen und Termine zu behalten. Vergesse dabei auch nicht, die ein oder andere Pause einzuplanen: Nur wenn du zwischendurch kurz abschaltest, kannst du deine beste Leistung bringen.

Übrigens: Es kann sich auch lohnen, nicht nur einen Überblick über deine Termine, sondern auch über deine Fragen zu behalten. Notiere dir alles, was du in Erfahrung bringen möchtest, aber bisher keine Möglichkeit dazu hattest.

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6. Onboarding 2.0

Wenn du dich als Berufsanfänger deinen Aufgaben nicht gewachsen fühlst und nicht weißt, was zu tun ist, dann liegt das in vielen Fällen gar nicht an dir selbst – sondern daran, dass du nicht richtig eingearbeitet wurdest. Hast du das Gefühl, dass dir viele wichtige Informationen fehlen, dass du keinen guten Überblick über die Kanzlei, deine Aufgaben und die Mandanten bekommen hast, dann solltest du dringend um ein klärendes Gespräch mit der verantwortlichen Person bitten. Denn ein schlechtes Onboarding wird sich auf deine Leistung auswirken und das ist auch nicht im Interesse deines Arbeitgebers. Bereite dafür Themen vor, für die du dir eine bessere Einarbeitung wünschst und mache konkrete Vorschläge, wie du dir diese vorstellst. So kann dein Gegenüber deine Wünsche besser verstehen und nach Lösungen suchen.

Wenn du dich als Berufsanfänger deinen Aufgaben nicht gewachsen fühlst und nicht weißt, was zu tun ist, dann liegt das in vielen Fällen gar nicht an dir selbst – sondern daran, dass du nicht richtig eingearbeitet wurdest.

7. Kenne deine Grenzen

Gerade in der ersten Zeit wirst du dich gedanklich auch außerhalb deiner Arbeitszeiten mit deinen neuen Aufgaben beschäftigen. Das ist ganz normal, denn nur die wenigsten können nach der Arbeit einen Schalter umlegen und einfach bis zum nächsten Morgen alles ausblenden. Dennoch solltest du deine psychische Gesundheit im Blick behalten und auch einmal abschalten. Dazu gehört es, Grenzen zu ziehen und für deinen Arbeitgeber ab einer gewissen Zeit nicht mehr erreichbar zu sein. Lenke dich nach Feierabend von der Arbeit ab, indem du Dinge tust, die dir Spaß machen, und dich mit Freunden triffst.

Natürlich wird das nicht immer gelingen und in der Realität wird es auch vorkommen, dass du ab und an wichtige Arbeit nach Hause mitnehmen musst. Jedoch sollten sich solche Vorkommnisse in Grenzen halten – was uns zu unserem nächsten Punkt bringt.

8. Lerne, nein zu sagen

Als Berufsanfänger willst du dich beweisen: Du möchtest zeigen, dass du belastbar bist, viel schaffst und dein Wissen unter Beweis stellen. Viele junge Juristinnen und Juristen bringt das in eine Zwickmühle, denn weil sie als belastbar gelten möchten, bürden sie sich zu viel Arbeit auf und sind infolgedessen überfordert. Deshalb solltest du lernen, Nein zu sagen - auch wenn dir das schwerfällt. Erkläre deinem Chef oder den Kollegen, dass du bereits genug Arbeit hast und dich gerne zu einem späteren Zeitpunkt um die neuen Aufgaben kümmern kannst.

Mache dir keine Sorgen, dass dir das zum Nachteil werden könnte. Im Gegenteil kann es zeigen, dass du richtig priorisieren kannst und deine eigenen Fähigkeiten kennst, wenn du auch einmal Absagen erteilst. Achte dabei darauf, dass du bestimmt auftrittst und beschwere dich nicht über zu viel Arbeit, sondern begründe dein Nein immer mit konkreten Ansagen wie „Ich mache das gern, muss aber erst noch dieses wichtige Projekt abschließen, bevor ich mich darum kümmern kann.“

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9. Vergesse nicht dein Potenzial

Viele Berufsanfänger leiden zu Beginn ihrer Karriere unter dem sogenannten Hochstapler-Syndrom: Sie haben das Gefühl, dass ihre Erfolge nur zufällig entstehen, während sie für ihre Misserfolge selbst verantwortlich sind. Wenn du dieses Gefühl hast, dann erinnere dich immer daran, dass du aus vielen Bewerberinnen und Bewerbern für diese Stelle ausgesucht wurdest – und das hat sicherlich seinen Grund. Dein Arbeitgeber hat in dir am meisten Potenzial gesehen und die Entscheidung wohlüberlegt getroffen. Es gibt also keinen Grund dafür, dein Selbstbewusstsein zu verlieren.

 

Wenn du dich als Berufsanfänger überfordert fühlst, dann vergesse nie, dass du damit nicht allein bist: Jeder hat einmal angefangen und bei den wenigsten gelingt der Einstieg perfekt und ohne den ein oder anderen Fehltritt. Sehe solche Vorkommnisse nicht als eigenes Versagen, sondern als Möglichkeit an, dazuzulernen. Als Anwältin oder Anwalt solltest du auch mit schwierigen Situationen umgehen und an diesen wachsen können. Dabei hilft dir dein Selbstbewusstsein sowie eine positive Einstellung – an beidem kannst du aktiv arbeiten.


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Laura Hörner
Kulturwirtschaft Uni Passau

Als freie Autorin schreibt Laura Hörner bei TalentRocket über Themen rund um die juristische Karriere. Besonders interessiert sie sich dabei für die vielfältigen Karrierewege, die Jurist:innen offenstehen.