Persönliches Scheitern, Krankheiten oder Burn-out sind in der Berufswelt keine Seltenheit. Diese Themen werden heutzutage auch auf dem juristischen Arbeitsmarkt immer häufiger angesprochen. Welche Probleme werden Ihrer Meinung nach durch das “unter-den-Tisch-kehren” dieser Themen hervorgerufen? Und was unternimmt Ihre Kanzlei, um sich vor allem mit der mentalen Gesundheit der Kolleg*innen zu befassen?
Einen Burn-Out zu erkennen, kann sehr schwierig sein. Wer unter allen Umständen die Fassade aufrechterhalten will, dem wird das auch gelingen. Umso wichtiger ist es, „ein offenes Ohr“ für die Befindlichkeiten der Kolleg*innen zu haben. Mindestens genauso wichtig ist aber, dass die andere Seite sich öffnet. Nur wenn beides vorhanden ist, kann präventiv agiert werden. Es muss klar sein, dass keiner wegen Überlastung Nachteile oder gar eine Kündigung befürchten muss. Nur dann sinkt die Hemmschwelle, eigene Probleme anzusprechen und sich helfen zu lassen. Ich glaube, dass es uns bei Morrison & Foerster in den vergangenen Jahren gelungen ist, ein solch vertrauensvolles Umfeld zu schaffen.
Die Gesundheitsprogramme von Morrison & Foerster richten sich teilweise auch an Ihre Mandant*innen. Wie werden die Angebote angenommen und inwiefern hat sich der Mandantenkontakt für Sie und Ihre Kolleg*innen durch die aktuelle Situation verändert?
Unsere Mandant*innen sind regelmäßig in derselben Situation wie wir und arbeiten mit denselben Herausforderungen aus dem Home Office. Diese gemeinsamen Erfahrungen und Sorgen verbinden. Zudem sind die meisten unserer Mandant*innen digital sehr gut ausgestattet. Die virtuellen Meetings – etwa zu Fragen der „Führung in Coronazeiten“ – finden oftmals in einer weniger formellen Atmosphäre statt (praktisch von Wohnzimmer zu Wohnzimmer) und tragen daher zur Festigung der Mandatsbeziehungen bei. Echtes Networking mit neuen Kontakten ist jedoch schwieriger, denn bei digitalen Konferenzen fehlt der informelle Austausch, der beim gemeinsamen Kaffeetrinken oder Lunch stattfindet.
Das Leistungssystem, auf dem Kanzleien aufbauen, ist tief in dem juristischen Arbeitsmarkt verankert. Ist es Ihrer Meinung nach möglich, diese verfestigte Einstellung zu permanenten Höchstleistungen durch Selbstreflektion und Unterstützung seitens des Arbeitgebers zu verändern?
Ich persönlich glaube, dass es schwer ist, ein einmal erlerntes Verhaltensmuster zu verändern. Denken Sie nur daran, dass uns allen bewusst ist, wie wichtig eine gesunde Ernährung ist und trotzdem bestellen wir uns immer mal wieder einen Burger und Pommes. Grundvoraussetzung ist, dass wir selbst bereit sind, uns zu verändern und, dass wir einen echten Nutzen darin sehen, es auch zu tun. Wenn dann in der Kanzlei ein positives Umfeld dazu kommt, kann es durchaus gelingen, bessere Praktiken für den Arbeitsalltag zu entwickeln. Das ist aber ganz sicher ein Marathonlauf und kein Sprint.