Arnd Haller, Senior Legal Director bei Google, im New Lawyers Podcast

Verfasst von Laura Hörner|Veröffentlicht am 07.06.2023

Arnd Haller: Googles juristischer Wegbereiter

Der Senior Legal Director des Tech-Riesen im New Lawyers Podcast

Zurückzuschauen ist nicht so Arnd Hallers Ding – und das ist auch gut so, schließlich arbeitet er in einem zukunftsweisenden Unternehmen. Darüber, wie er als Rechtsanwalt zu Google kam, welche Herausforderungen zu seinem Joballtag gehören und was Bewerber:innen bei dem Tech-Riesen mitbringen sollten, spricht er in dieser Folge des New Lawyers Podcast mit Alisha Andert.

 

Als Arnd Haller 2005 zu Google kam, hatte das Unternehmen in Deutschland 30 Mitarbeiter:innen – heute sind es rund 3.000. Begonnen hat seine Karriere in der Großkanzlei Taylor Wessing in Hamburg, wo er neben anderen Silicon Valley Start-ups auch Google beriet und dort schließlich ein Secondment absolvierte.

Dass man überhaupt einen Juristen im Unternehmen braucht, wurde damals sogar von Google selbst zu Beginn noch angezweifelt – und Hallers damaligen Anwaltskolleg:innen gaben sogar zu bedenken, ob eine Suchmaschine überhaupt ein gutes Businessmodell ist. Nichtsdestotrotz entschied sich Haller für den Wechsel in das Unternehmen. Ihn überzeugten die Tech-Themen, die schnelle und mutige Arbeitsweise und nicht zuletzt der „Drive“ der Menschen dort.

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Das sind die neusten Folgen:

Google zieht politische Aufmerksamkeit auf sich

Rückblickend hat Haller alles richtig gemacht: Er hatte die Möglichkeit, eine eigene Rechtsabteilung aufzubauen und dem Unternehmen Rechtsrat zu erteilen. Mit der Zeit hat sich seine Rolle gewandelt. Heute hat er die Position des Senior Legal Directors bei Google in Deutschland inne, leitet regionale Teams in Deutschland, Österreich, der Schweiz, England, Irland, den Benelux-Staaten und Skandinavien. Als Mitglied der Geschäftsleitung von Google in Deutschland hat er zudem Managementverantwortung.

Die Arbeit in Googles Rechtsabteilung beschreibt Haller als sehr komplex. Es gebe viele Produkte und Nutzer:innen, viele regionale Märkte mit unterschiedlichen Rechtsordnungen. Dazu kommt, dass der Tech Bereich sehr stark reguliert ist – und die Firma natürlich viel politische Aufmerksamkeit auf sich zieht. „Man kann wenig Dinge bei Google in der Rechtsabteilung tun, die nicht morgen oder […] in den nächsten Wochen oder Monaten von Politikern kommentiert werden, von Journalisten beschrieben werden“, sagt er.

Man kann wenig Dinge bei Google in der Rechtsabteilung tun, die nicht morgen oder […] in den nächsten Wochen oder Monaten von Politikern kommentiert werden, von Journalisten beschrieben werden.
- Arnd Haller

Vorreiterrolle in vielen rechtlichen Fragen

Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen hat Haller viel Spaß an seinem Job. „Ich sehe mich eigentlich eher so als Innovationrechtler und nicht als Experte in einem konkreten Rechtsbereich“, erklärt er. Ein Blick in das Gesetz helfe bei Google oft nicht, weil das Unternehmen beim Launch neuer Produkte meist eine Vorreiterrolle einnimmt. Die Rechtsstreite tragen dann oftmals dazu bei, dass die Rechtsauslegung erst klar wird.

Arbeit gebe es für die „juristischen Pfadfinder“ genug – gerade im Moment kämen besonders viele Vorhaben aus Brüssel, um innovative Unternehmen zu regulieren. Auch sonst mangelt es nicht an spannenden Projekten bei Google. Neben vielen anderen ist Haller zum Beispiel Google Street View im Gedächtnis geblieben, weil das Produkt nicht nur rechtlich, sondern auch gesellschaftlich umstritten war. Auch aus diesem Blickwinkel müssten die Jurist:innen bei Google neue Projekte betrachten.

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Vorerfahrung ist bei Google ein Muss

Um solche Herausforderungen zu meistern, setzt Google nicht auf einen bestimmten Typ von Anwält:innen, sondern ganz im Gegenteil auf möglichst viel Diversität. Gesucht wird nicht die „eierlegende Wollmilchsau“, sondern Fachkenntnis und Spezialisierung – und Vorerfahrung. Ohne diese hat man bei Google keine Chance. Auch Referendar:innen werden erst einmal nicht übernommen, damit sie anderweitig Erfahrungen sammeln können.

Neben Themen wie kultureller, sozialer, sexueller und religiöser Vielfalt sowie diversen Alters- und Familienstrukturen spielt auch die Geschlechterfrage bei der Einstellung eine Rolle. Haller erklärt, dass in der Rechtsabteilung Frauen nicht der Vorzug gegeben wird, sondern von einem divers besetzten Panel die besten Bewerber:innen eingestellt werden – was dazu geführt hat, dass in seinem Bereich zwei Drittel der Mitarbeiter:innen und Teamleads weiblich sind. Und er geht sogar noch einen Schritt weiter: wenn Kanzleien für ein Mandat bei der Firma pitchen, fragt Google immer explizit nach Diversität und weiblichen Anwält:innen – was schon die ein oder andere Kanzlei in Verlegenheit gebracht hat.

 

Dich interessiert, wie die Rechtsabteilung bei Google in das Unternehmen eingebunden ist? Oder du möchtest wissen, was sich Arnd Hallers Meinung nach in der Rechtsbranche verändern muss? Dann hör doch mal rein in diese Folge des New Lawyers Podcasts!

Die Themen dieser Folge im Überblick:

 

  • Ab 01:48: Icebreaker-Frage: Welchen Tipp würdest du dem Arndt von vor einer Woche geben?
  • Ab 02:44: Wie kamst du zu Google?
  • Ab 04:54: Wusstest du, wie groß Google werden würde?
  • Ab 06:10: Was fasziniert dich an Google?
  • Ab 08:40: Wie läuft die juristische Arbeit bei Google?
  • Ab 11:09: Wo liegen die größten Herausforderungen und was macht dir am meisten Spaß?
  • Ab 15:15: Was ist deine Rolle bei Google?
  • Ab 17:10: Seit wann bist du bei Google?
  • Ab 18:14: Wie arbeitet ihr mit anderen Abteilungen zusammen?
  • Ab 21:45: Google Street View
  • Ab 23:49: Welche Rolle spielen gesellschaftliche Fragen?
  • Ab 27:08: Was müssen Bewerber:innen bei Google mitbringen?
  • Ab 32:07: Was sind die Werte von Google?
  • Ab 37:14: Was kann man für mehr Gender Diversity tun?
  • Ab 39:48: Was muss sich in der Rechtsbranche ändern?

Hier findest du das komplette Transkript der Folge mit Arnd Haller

Intro & Icebreaker

 

Alisha Andert: Arnd Haller ist Syndikus-Rechtsanwalt und Senior Legal Director bei Google in Deutschland. Wie er damals von der Großkanzlei zu einem kleinen Start-up wechselte, wie sein Alltag heute aussieht und was Google für den Kulturwandel im Rechtsbereich tut, das wird er uns hoffentlich heute alles erzählen.

Arnd Haller: Ja, vielen Dank für die Einladung.

Alisha: Ja, du hast dich gerade schon über die Icebreaker-Frage ein bisschen beklagt, aber du kommst trotzdem nicht dran vorbei. Ich hab nämlich eine, da muss man mal vielleicht kurz drüber nachdenken... und zwar möchte ich gerne von dir wissen, welchen Tipp würdest du dem Arnd von vor einer Woche gern geben?

Arnd: Ganz ehrlich, meistens gucke ich nicht zurück. Ich will gar nicht wissen, welche Tipps ich letzte Woche mir gegeben habe. Ich gucke lieber nach vorne. Ich kann mir einen Tipp geben, vielleicht für nächste Woche.

Alisha: Was ist das?

Arnd: Ich glaube, ich habe dann diesen schönen Podcast hinter mir und bin dann total relaxed und ganz geerdet.

Alisha: Okay, also du hast dich ein bisschen gedrückt vor meiner Icebreaker-Frage, muss ich sagen, aber ich akzeptiere das. Dann blicken wir direkt auf deinen Werdegang und fang mal vorne an. Du hast deine juristische Karriere bei Taylor Wessing begonnen. Wie kam es denn dann überhaupt zu deinem Wechsel zu Google?


Werdegang

 

Arnd: Ja, genau, ich habe bei Taylor-Wessing in Hamburg angefangen, damals als Associate in einer Großkanzlei, also ganz klassisch, grüner Bereich, Urheberrecht, Datenschutzrecht, Wettbewerbsrecht, Jugendschutz, ein paar Rechtsstreitigkeiten geführt, Vertragsrecht und so weiter. Und das war eine prima Kanzlei damals, die eine Reihe von Mandanten aus dem Tech-Bereich beraten hat. Später hat man die dann alles Start-ups genannt, aber zu dem Zeitpunkt haben wir von Start-ups noch nicht geredet. Das waren dann vielleicht so kleinere und mittlere Unternehmen, die irgendwas im Tech-Bereich gemacht haben und damals schon eine ganze Reihe von Silicon Valley Start-ups. Und ja, eines dieser Silicon Valley Unternehmungen war Google und insofern habe ich schon früh angefangen, mit Google zu arbeiten, habe die Leute dort kennengelernt. Das war dann bei Google zu einem sogenannten Secondment, etwas, was damals noch nicht so richtig en vogue war, aber heute üblich ist- machen wir inzwischen permanent bei Google. Ja, und in der Zeit habe ich in London und Hamburg bei Google gearbeitet, also quasi Arbeit beim Mandanten und für den Mandanten und zwar ausschließlich. Und irgendwann war es dann nur noch ein kleiner Sprung, um zu sagen, ich mach das jetzt ganz, ich gehe ganz zu Google. Und Google war am Anfang noch nicht so überzeugt, dass sie Juristen wirklich brauchen. Aber irgendwann hatte ich sie, glaube ich, so weit. Und sie haben verstanden, man braucht wohl doch ein paar Juristen bei Google. Und dann haben sie mich angesprochen. Und dann bin ich sozusagen von Kanzlei-Seite dann auf Unternehmenseite gewechselt.

Alisha: Ich finde, das sind immer so Stories. Wenn man so hört, ja, so ein kleines Tech-Start-up aus dem Silicon Valley. Und das war dann Google. Das klingt so wie diese Story von Leuten, die irgendwann mal vor 80 Jahren Aktien gekauft haben, so für fünf Cent. Und das ist dann irgendwie Apple oder Microsoft geworden. So ein bisschen daran erinnert mich deine Geschichte auch. Würdest du sagen, ist es damit vergleichbar? Oder war schon damals abzusehen, dass das mal eine ganz große Nummer wird?

Arnd: Jein, also als ich anfing, gab es in Deutschland 30 Mitarbeiter und weltweit 3.000. Heute gibt es in Deutschland 3.000 und weltweit so 180 .000. Also es ist schon aufs richtige Pferd gesetzt, wenn man zurückguckt. Aber damals haben gerade so Freunde aus der Kanzleisszene mich eher ein bisschen komisch angeguckt. Denn die haben gesagt, Google macht ja interessant sein, aber Google ist nur eine Suche. Vielmehr haben die nicht. Also ob das wirklich ein erfolgreiches Geschäftsmodell ist, weiß man nicht so genau. Und erst nach und nach kamen ja dann andere Unternehmenszweige dazu wie YouTube und Cloud und die ganzen großen Bereiche, die Google zu dem gemacht haben, was Google heute ist.


Faszination Google

 

Alisha: Okay, das macht es natürlich noch besser, wenn dann auch noch Leute so ein bisschen skeptisch waren und dann entwickelt sich das so positiv. Google ist ja wirklich ein riesiges Unternehmen und auch für viele Dinge bekannt und ich glaube, es gibt viele Leute, die beeindruckt sind von dem Unternehmen. Was ist deine persönliche Sicht darauf? Was fasziniert dich an Google?

Arnd: Also ich glaube, es faszinieren mich unterschiedliche Sachen. Also damals, als ich anfing, hat mich unheimlich dieser Start-up Spirit gepackt, weil das wirklich sehr angenehm anders war als in einer Großkanzlei. Es ging um andere Themen. Es ging zwar auch um juristische Themen, aber die Themen waren alle sehr Tech-getrieben, sehr schnell, sehr mutig, innovativ. Das hat mir imponiert. Natürlich auch die Leute. Das muss man schon sagen, diejenigen, die damals da waren, und das ist heute auch nicht anders, waren schon im Schnitt ziemlich coole Leute, die Drive hatten.

Alisha: Cooler als in der Kanzlei?

Arnd: Cooler als in der Kanzlei, ja, das würde ich schon sagen. Sagen wir mal unkonventioneller im Schnitt. Das heißt nicht, dass es nicht coole Leute in Kanzleien gibt. Die gibt es reihenweise. Aber es sah alles ein bisschen anders aus. Man hat sich geduzt. Auch die Anwälte gingen in T-Shirt und Jeans zur Arbeit. Darauf kam es halt nicht an. Und es gab unsere CEOs damals, die Firmengründer, die immer gesagt haben "you can be serious without a tie". Das fand ich als Jurist ganz angenehm, tatsächlich arbeiten zu können, vielleicht auch ohne eine Krawatte. Darauf kommt es halt nicht an. Die Krawatte sagt nichts darüber hinaus, ob jemand juristisch qualitativ gute Arbeit abliefert oder nicht. Und das hat mich gereizt. Und dann sicherlich auch die Möglichkeiten, Rechtsabteilung aufzubauen. Ich hätte nicht arbeiten wollen in einem Unternehmen als One-Man-Show, der alleine für eine Rechtsabteilung verantwortlich ist. Ich wollte gerne mit anderen zusammenarbeiten und sah bei Google wirklich die gute Chance, einfach was Neues zu machen und aus einer kleinen Rechtsabteilung, die aus einer Person bestand, dann etwas größeres, effektiveres zu machen.

Alisha: Ich glaube, generell kann man ja sagen, dass die Arbeit von Kanzleien und Rechtsabteilungen sich grundlegend unterscheidet, auch wenn im Kern natürlich juristische Arbeit steht. Und dann kommt noch hinzu, dass Google ein Tech-Konzern ist, ein Unternehmen, was sehr, sehr stark gewachsen ist in der Zeit, seitdem du da bist. Wie können wir uns denn die juristische Arbeit in so einem Unternehmen wie Google vorstellen?

Arnd: Das ist eine gute Frage. Ich würde mal sagen, komplex. Es ist ziemlich komplex inzwischen, denn man kann auf Google-Produkte oder auf die Google-Herausforderungen in der Rechtsabteilung wirklich aus unterschiedlichen Perspektiven gucken. Einmal ist Google ein großes Unternehmen mit vielen Produkten, mit sehr vielen Nutzern. Und Google ist in sehr vielen regionalen Märkten tätig. Was bedeutet, dass in den Märkten unterschiedliche Rechtsordnungen gelten? Und heute kommt noch hinzu, dass die Märkte im Tech-Bereich tatsächlich hoch reguliert sind. Das waren sie vor 15 Jahren noch nicht. Aber heute gibt es eine Fülle von Regularien, die zu erfüllen sind von Tech-Unternehmen. Und dann kommt natürlich noch eine extrem hohe politische Aufmerksamkeit hinzu. Man kann wenig Dinge bei Google in der Rechtsabteilung tun, die nicht morgen oder jedenfalls irgendwann in den nächsten Wochen oder Monaten von Politikern kommentiert werden, von Journalisten beschrieben werden. Und man muss sich viele Fragen dann gefallen lassen. Und das ist im Übrigen auch völlig richtig für große Unternehmen. Aber das bedeutet, dass man wirklich sehr die Probleme aus unterschiedlichen Blickwinkeln sich angucken muss. Also man muss mit vielen Leuten sprechen, damit man sich tatsächlich ein rechtliches Bild geben kann. Und das ist durchaus anders als die Arbeit in der Kanzlei, wo man üblicherweise eine Art Sachverhalt im Grunde genommen vorgelegt bekommt von den Mandanten und dann eine juristische Analyse dazu schreibt. Das funktioniert in aller Regel bei uns- bei Google- nicht. Man muss tatsächlich viele Leute konsultieren, um erst mal zu verstehen, was gibt es für Interessen intern, was gibt es für Anforderungen extern, und wie kann man aus all diesen einzelnen Komponenten dann eine sinnvolle, überzeugende Beratung intern an diejenigen geben, die die juristische Expertise halt abgefragt haben.


Herausforderungen und Rolle im Konzern

 

Alisha: Ja, das klingt tatsächlich spannend und komplex zugleich und unterscheidet sich vielleicht tatsächlich nochmal von einigen anderen Unternehmen, da Google ebenso im Fokus der Öffentlichkeit steht. Worin siehst du bei dieser Arbeit die größten Herausforderungen? Und gleich noch dazu, was macht wiederum am meisten Spaß?

Arnd: Spaß machen viele Dinge, zum Glück. Sonst würde ich das nicht mehr machen. Ich hab auf die Frage, wie man eigentlich die Rechtsbereiche beschreiben kann, mit denen wir zu tun haben, irgendwann mal gesagt, ich sehe mich eher als Innovationsrechtler und nicht als Experte in einem konkreten Rechtsbereich. Warum Innovationsrechtler? Weil meistens ein Blick ins Gesetz gar nicht hilft bei der Arbeit, die wir haben. Das ist durchaus anders als in vielen anderen Rechtsbereichen, wo vielleicht ein Blick in ein Palandt oder in andere Kommentare durchaus mal weiterhilft. Das machen wir auch. Aber meistens stehen dort nicht die Antworten, nach denen wir suchen. Denn die Produkte, für die wir beraten, sind in aller Regel neue Produkte. Oder es gibt neue rechtliche Fragestellungen. Und deswegen sind wir eher so ein bisschen als juristische Pfadfinder unterwegs und versuchen zu beraten, zu erfühlen, zu entwickeln, wo denn dieser juristische Pfad lang laufen kann. Es sind fast immer Risikoanalysen. Es ist selten die Antwort, die wir unseren internen Mandanten geben, ja, rechtmäßig oder nein, rechtswidrig, sondern es ist häufig irgendwo dazwischen. Es ist häufig eine Produktberatung, die wir geben "ja, aber man kann ein Produkt in Deutschland vielleicht in einer bestimmten Art und Weise einführen, wenn bestimmte Dinge beachtet werden..." Und dann ist es auch häufig die Frage, welches Risiko sind die Produktteams bereit einzugehen, bevor sie ein Produkt auf den Markt bringen? Und wenn ich an den Bereich Rechtsstreitigkeiten denke, sind die meisten Rechtsstreitigkeiten, die wir führen, eigentlich präzedenzieller Natur. D.h. wir sind diejenigen, die dann dazu beitragen, dass irgendwann klar ist, wie das Recht auszulegen ist. Wie Gerichte denn das Recht auslegen für Sachverhalte, mit denen wir es zu tun haben. Das macht unheimlich Spaß, der Erste zu sein oder die Ersten, die die Dinge mal neu denken, neu ausprobieren. Das ist im Übrigen im Bereich Regulierung auch der Fall. Wir haben mit einer Vielzahl von Regulierungsvorhaben der Bundesregierung oder auf europäischer Ebene zu tun, die genau geschaffen werden, um innovative Unternehmen zu regulieren, weil man möglicherweise sieht, welche Defizite es gibt oder weil man gelernt hat, wie man mit Unternehmen oder Produkten umgehen möchte als Gesellschaft. Und auch da gibt es häufig Regulierung zum ersten Mal. Und häufig stammt diese Regulierung aus Deutschland oder aus der EU. Wenn man so mal die globale Perspektive einnimmt.

Alisha: Ja, ich glaube, dass tatsächlich hier nochmal so eine Besonderheit darin besteht, dass ihr ja auch technische Produkte anbietet, wo oftmals auch in dem Bereich noch nicht oder nicht schnell genug oder noch nicht ausführlich genug reguliert wurde. Weil grundsätzlich ist es ja schon so, dass auch andere Unternehmen Produkte auf den Markt bringen und dementsprechend auch gucken müssen, ok, neues Produkt, wie passt das zu den Begebenheiten, die schon da sind. Aber gerade wenn man so ein Unternehmen wie Google ist, was halt immer mit Dingen auch sozusagen um die Ecke kommt, die es in der Form vielleicht noch gar nicht gegeben hat und dann in so einem technischen Bereich tätig ist, wo wir wissen, die Regulierung hinkt eigentlich immer ein bisschen hinterher, kann ich mir vorstellen, ist es besonders komplex. That being said, worin würdest du eigentlich hauptsächlich deine Rolle im Konzern betrachten? Bist du so etwas wie Rechtsanwalt? Im Unternehmen bist du Berater im Unternehmen? Bist du Regulierer? Wo siehst du dich?

Arnd: Das ist eine super Frage, denn ich glaube, die Aufgabe hat sich ein bisschen entwickelt über die Zeit. Früher, als ich anfing bei Google, war ich sicherlich der Rechtsanwalt, der im Unternehmen selbst den Rechtsrat erteilt hat. Das mache ich teilweise auch nach wie vor, aber inzwischen leite ich ja die regionalen Teams von Google in Deutschland, Österreich, der Schweiz, England, Irland, Osteuropa, Benelux, Skandinavien, also eine Reihe von europäischen Ländern, eine Reihe von Ländern, die außerhalb der EU stehen, wie England beispielsweise oder auch die Schweiz. Ich habe insofern eher eine Managementverantwortung innerhalb der Rechtsabteilung bei Google in Europa. Bin gleichzeitig aber auch Mitglied der Geschäftsleitung von Google in Deutschland. Also insofern viele Business Insights, berate mit den anderen Vertretern in der Geschäftsleitung zu allen möglichen Themen, die Google in Deutschland betreffen. Also insofern ist es heute eigentlich so eine Mischung aus juristischem Management, den üblichen Aufgaben eines solchen Leiters einer Abteilung und dann aber nach wie vor Rechtsberatung. Klar, die entsprechenden Entscheidungsgremien und Rechtspolitik gehört ganz klar dazu. Das kann man nicht mehr auseinanderhalten. Alles, was wir tun, ist auch politisch, ist nicht nur rechtlich relevant, sondern auch politisch relevant. Insofern muss man das durchaus im Blick haben.

Alisha: Man muss sagen, du bist ja auch schon eine ganze Weile dabei. Kannst du noch mal sagen, seit wann du schon bei Google tätig bist?

Arnd: Ich habe bei Google angefangen im Jahr 2005. Also inzwischen seit 17 Jahren.


Standing der Rechtsabteilung bei Google

 

Alisha: Also das ist auf jeden Fall schon ganz schön viel. Da hast du schon einiges gesehen und wahrscheinlich auch schon einige unterschiedliche Rollen in der Zeit eingenommen. Du hattest vorhin mal so schön gesagt, man muss sich immer sehr viele verschiedene Perspektiven einholen. Wenn man bei Google arbeitet und vor allem wenn man etwas rechtlich bewerten oder beraten möchte. Unter anderem natürlich auch die internen Perspektiven auch von anderen Abteilungen. Jetzt ist es so, dass man häufig hört, ich kenne es auch natürlich aus meiner eigenen Beratung, dass die Rechtsabteilung sich immer so ein bisschen isoliert fühlt in den Unternehmen und das Gefühl hat, wir werden immer gar nicht richtig eingebunden oder wir werden zu viel eingebunden, aber an der falschen Stelle. Immer alles was kompliziert ist, wird zur Rechtsabteilung geschickt, aber die Sachen, die wir eigentlich uns angucken wollten von Anfang an, da hat uns wieder keiner gefragt. Also so ein bisschen dieses Thema, nicht 100% integriert zu sein mit den anderen Abteilungen, vielleicht ist es ja etwas, was ihr besonders gut hinbekommt, gerade weil ihr einen interdisziplinären Ansatz da verfolgt. Das würde mich mal interessieren, wie schafft ihr es mit den anderen Abteilungen als Legal Team zusammenzuarbeiten?

Arnd: Ich weiß nicht, ob wir das besser machen als andere Unternehmen. Das glaube ich eigentlich gar nicht. Aber in der Tat ist unsere Zusammenarbeit extrem kompliziert und komplex. Und ich gebe nur mal ein Beispiel. Und zwar bleibe ich jetzt erst mal in der Rechtsabteilung. Ich hatte vorhin schon gesagt, wir bringen Produkte auf den Markt zu unterschiedlichen Zeitpunkten in unterschiedlichen Ländern. Es gibt unterschiedliche Regulierungsanforderungen. Wie kommt man damit eigentlich zurecht? Und bei Google gibt es Juristen und Juristinnen, die eine unterschiedliche Perspektive einnehmen. Es gibt diejenigen, die sich nur auf ein konkretes Produkt spezialisieren. Die beraten also die Produktteams weltweit zu diesem Produkt. Die kennen das Produkt inside out, kennen es technisch, kennen alle Personen, die mit diesem Produkt befasst sind. Die nehmen ausdrücklich eine Produktsicht ein und wollen, dass dieses Produkt überall in Märkten rechtmäßig auf den Markt kommen kann. Und dann gibt es diejenigen, zu denen ich gehöre, die sich Produkte aus einer regionalen Ebene angucken. Also wir interessieren uns nicht für ein konkretes Produkt, sondern wir interessieren uns für alle Produkte, die in unserem Markt angeboten werden, haben also eine lokale Sicht. Und dann gibt es noch Kollegen, die haben spezielle Aufgabenbereiche rechtlicher Art. Das sind zum Beispiel Kartellrechtler oder Datenschutzrechtler oder Verbraucherschutzrechtler. Die machen nichts anderes, als sich unter diesem Aspekt die Produkte in den verschiedenen Märkten anzugucken. Das heißt, man muss eigentlich bei jedem Produktlaunch immer mit einer Reihe von anderen Juristinnen und Juristen sich austauschen. Das ist sozusagen die Komplexität auf der juristischen Ebene und mit anderen Teams. Ich habe den Eindruck, dass die Rechtsabteilung bei Google eine ziemlich zentrale Rolle einnimmt. Denn die Gefahr, dass man Produkte auf den Markt bringt, die nachher nicht rechtmäßig sind, ist einfach zu gefährlich und zu teuer. Und das versucht man durchaus zu verhindern. Deswegen versucht man die Rechtsabteilungen recht frühzeitig einzubeziehen. Jedenfalls, wenn alles ideal läuft. Das funktioniert auch nicht immer einwandfrei. Insofern sind wir durchaus auch diejenigen, die sagen, ihr müsst uns eher einbeziehen. Aber in aller Regel funktioniert das eigentlich ganz gut.


Spannende Projekte der letzten Jahre

 

Alisha: Ja, da muss ja schon eine gewisse Awareness dafür da sein. Ich glaube, daran mangelt es häufig. Oder man hat irgendwie ein schlechtes Gefühl dabei, die Rechtsabteilung mit einzubinden. Das ist zumindest etwas, was häufig vom Business gespiegelt wird. Manchmal ist es auch Unwissenheit. Also wahrscheinlich ist es schon eine Awareness und auch ein Kulturthema, auch wie man sich gibt. Und da kann ich mir vorstellen, dass ihr mit eurem Ansatz ganz gut fahrt. Vom Zuhören klang es auf jeden Fall schon relativ komplex, muss ich auch sagen. Aber das ist mit Sicherheit auch der Komplexität der Produkte geschuldet. Und in dem Zusammenhang wird das sicherlich ganz gut funktionieren. Hast du irgendwie ein ganz konkretes Projekt, an das du dich erinnerst, was vielleicht besonders spannend gewesen ist oder wo es besonders auch auf diese Zusammenarbeit angekommen ist?

Arnd: Das ist eine ganz tolle Frage. Ich bin gar nicht sicher, ob ich ein besonders spannendes Projekt herauspicken kann, aber um ein paar spannende Projekte mal zu nennen, die vielleicht auch bekannt sind. Street View war beispielsweise eines dieser Produkte bei Google, die unheimlich spannend waren, rechtlich spannend waren. Die zu unheimlich viel Kontroverse geführt haben, politischen Forderungen an Google, das einzustellen oder zu verbieten, dass dieses Produkt auf den Markt kommt. Jahre später hat sich das eigentlich als rechtmäßig herausgestellt, aber zu dem Zeitpunkt war es halt umstritten und das sind Momente, wo man durchaus auch sich die Frage stellt: sind rechtliche Fragestellungen überhaupt ausreichend oder muss man nicht noch weiter denken? Muss man nicht auch darüber nachdenken, ist eine Gesellschaft für ein bestimmtes Produkt auch noch nicht vorbereitet. Und das ist, glaube ich, mein Learning aus dem Streetview-Launch damals, dass das in Deutschland noch nicht in der breiten Masse gewollt war, obwohl es rechtlich möglich war, es anzubieten. Diese Fragestellung muss man sich in der Rechtsabteilung ja noch stellen.

Alisha: Ja, und genau das finde ich einen wahnsinnig spannenden Aspekt, weil das sind ja dann durchaus auch mal soziale, soziologische, auch vielleicht mal philosophische oder ethische Fragen, die man sich stellen muss, wo wir als Juristinnen und Juristen immer ganz klar sagen, wir haben hier unsere juristische Brille und so bewerten wir die Dinge. Und dann kommen halt noch so weitere Raster hinzu, die aber für den Erfolg des Unternehmens total relevant sind am Ende oder für den Erfolg des Produkts in dem Fall. Total interessant, also wie schafft man das dann, das mit einzubringen? Du sagst, es ist ein Learning gewesen. Habt ihr das anders jetzt eingebunden? Habt ihr da irgendwie noch andere Leute, die da mit dran sind? Oder ist das ein Kriterium, was ihr euch ganz bewusst anschaut jetzt auch in Produkt- Launches?

Arnd: Ja, ich glaube schon, dass wir das besser machen als damals. Ob wir das immer richtig machen, weiß ich nicht. Aber zumindest stellen wir uns die Frage, müssen wir alles tun, was rechtlich möglich ist? Und die Antwort auf diese rhetorische Frage lautet natürlich, nein, muss man nicht. Aber wie kann man tatsächlich definieren, was man nicht machen sollte, obwohl es zulässig wäre? Und sich da auch immer selbst zu überprüfen, ist ein Land wirklich bereit für ein Produkt? Wenn nicht, warum launcht man es vielleicht nicht in einem anderen Land, um es mal auszuprobieren? Aber dass man auch nicht Sachen gleich unterbindet und sein lässt. Manchmal dauert das einfach ein paar Jahre und dann ist das Bedürfnis für ein bestimmtes Produkt im Markt größer. Auch das passiert. Manchmal ist das Produkt das Richtige, aber der Zeitpunkt der Falsche.

Alisha: Gab es noch ein zweites spannendes Projekt, über das du gerne sprechen möchtest?

Arnd: Es gab so viele. Also Google Books war zum Beispiel ein rechtlich und tatsächlich unheimlich spannendes Produkt. Google Arts & Culture ist ein echtes Lieblingsprodukt von mir, das leider viel zu wenig bekannt ist.

Alisha: Ich kenn es auch nicht, es ist deine Chance...

Wer hört, sollte unbedingt mal nach Google Arts & Culture suchen. Eine wunderschöne Digitalisierung einer Vielzahl von Bildern aus Museen, die miteinander verglichen werden können. Man kann suchen in den Kulturwerken und das ist großartig, aber leider nicht bekannt genug. Und dann, na ja, die ganzen Regulierungsthemen finde ich persönlich im Moment unheimlich spannend. Also der Digital Services Act, der Digital Markets Act, der AI Act für Künstliche Intelligenz, Data Act und so weiter und so weiter. Was aus Brüssel im Moment kommt an einem Stakato von neuen Regulierungsprojekten ist absolut unglaublich und alle Juristinnen und Juristen sollten da wirklich ein offenes Auge drauf haben, denn das wird das Internetangebot in Europa über den nächsten zehn Jahre massiv ändern, teilweise beschränken, teilweise sicherer machen. Also, es hat wirklich viele positive und negative Auswirkungen und wir in der juristischen Szene werden alle massiv damit zu tun haben. Also, das ist Job-Guarantee für die Legal Professionals.


Kritierien für die juristische Arbeit bei Google

 

Alisha: Ja, also ein positives Statement auch für diesen Podcast. Ihr müsst euch alle keine Sorgen machen, es gibt ohne Ende Jobs und das ist eigentlich auch direkt mein Stichwort für die nächste Frage. Wenn wir jetzt schon ein bisschen was darüber erfahren, wie die Arbeit bei Google aussieht in der Rechtsabteilung, ich würde mal sagen, viel, viel Neues, was man da bekommt. Ein bisschen muss man sich also auch darauf einlassen, dass man eben Dinge nicht nachschlagen kann, sondern eventuell kreativ bleiben muss, viele Perspektiven einnehmen können, mit unterschiedlichsten Leuten zusammenarbeiten können, aufgrund der Komplexität der Rechtslage, aber eben auch der Komplexität des Unternehmens und der Produkte. Jetzt mal andersherum gefragt, wen sucht ihr denn? Wer kann diese Kriterien erfüllen? Oder wonach schaust du, wenn du Leute für die Rechtsabteilung suchst?

Arnd: Üblicherweise sind wir immer auf der Suche nach guten, interessanten Kolleginnen und Kollegen. Ich würde sagen, letztlich suchen wir nicht die eierlegende Wollmilchsau. Letztlich ist es Kompetenz und Persönlichkeit, was immer zählt. Bei allen juristischen Berufen und bei unserem hier bei Google. Ganz besonders. Erst mal muss natürlich die Fachkenntnis stimmen. Wir brauchen wirklich gute Juristinnen und Juristen und idealerweise solche, die sich spezialisiert haben auf irgendeinen Bereich, also Vertragsrecht oder Datenschutz, Verbraucherschutz, Kartellrecht, Litigation und ähnliche Bereiche. Und das ist auch kein Wunder, sind  sehr gute Englischkenntnisse natürlich zwingend erforderlich, wenn man in einem globalen Unternehmen arbeiten möchte und was wir auch verlangen, ist immer Vorerfahrung. Das heißt, wir stellen nicht Leute ein frisch aus dem Referendariat. Wir lieben Referendare, wir geben auch Referendaren immer Stellen, um sich dann hier weiterzubilden. Aber dann schicken wir eigentlich alle noch einmal nach draußen in die weite Welt zu Kanzleien und anderen Unternehmen und dort lernen sie dann das juristische Handwerk und manche kommen dann tatsächlich wieder zurück. Insbesondere solche, die, ja, von ihrer Persönlichkeit gut passen. Und das sagt sich immer so, Persönlichkeit, klar. Aber ich hab den Eindruck, dass bei Juristen tatsächlich es auch Leute gibt, die so ein bisschen als Einzelkämpfer oder Ellenbogen-Typen unterwegs sind. Und die können hervorragende Juristen sein, passen aber nicht so gut zum Teamwork, das wir hier betreiben. Also, es muss menschlich echt passen. Und man muss wirklich eine große Flexibilität mitbringen. Und das meine ich der Gestalt, dass sich die Tätigkeitsbereiche bei uns ständig ändern. Und deswegen muss man mit so einer Lockerheit auch hier anfangen. Weil man nicht weiß, ob das, was man heute macht, in einem Jahr noch genauso aussieht. Aber Leidenschaft für die Bereiche ist ist wichtig. Üblicherweise stellen wir Leute ein aus Kanzleien, aus anderen Unternehmen. Aber jetzt im letzten Jahr haben wir zwei tolle neue Kollegen eingestellt in Deutschland. Und zwar beide im Regulierungsbereich. Einer der Kollegen war vorher Richter, der andere Ministerialbeamter. Also auch aus solchen Bereichen kann man durchaus bei Google landen. Und das finde ich ist eigentlich ein gutes Zeichen, dass die juristischen Berufsbilder heute ziemlich durchlässig sind, wenn man so ein Typ ist, der Bock darauf hat, mal was Neues auszuprobieren.

Alisha: Also das mit der Einzelkämpfermentalität unter Juristen, das kann ich natürlich so überhaupt nicht stehen lassen. Das ist mir komplett neu. Aber es ist auch nochmal gut zu hören, dass man damit tatsächlich bei einem Unternehmen wie Google, wo es vor allem eben auch um Zusammenarbeit ankommt, nicht so gut landen kann. Und ich glaube, es gibt da draußen noch sehr, sehr, sehr, sehr, sehr viele Leute, die einen ganz offenes, flexibles und tolles Mindset haben, die auch zu euch passen könnten.

Arnd: Aber ich sollte unbedingt noch eine Sache sagen, denn es ist eigentlich eigenartig. Wir haben nämlich immer Leute eingestellt. Und genau jetzt, wo heute der Podcast stattfindet, stellen wir gerade keinen ein. Warum? Weil Google das erste Mal bekannt gegeben hat in der 25-jährigen Geschichte, dass wir Stellen abbauen müssen weltweit. Und möglicherweise ist davon auch die Rechtsabteilung betroffen. Aber ich nehme fest an, dass das nicht von Dauer sein wird. Nach Regen kommt Sonne. Ich bleib zuversichtlich, es gibt derart viel juristische Herausforderungen bei Google, dass ich fest der Überzeugung bin, dass wir auch bald wieder Juristinnen und Juristen einstellen.


Verkörperung von Werten und Diversity bei Google

 

Alisha: Ich glaube, ehrlich gesagt, bis der Podcast ausgestrahlt wird, das dauert ja auch noch mal ein bisschen, hat sich das wahrscheinlich schon wieder geändert. Von daher, vielleicht machen wir da einen Disclaimer einfach am Anfang nochmal. Ich will aber trotzdem nochmal auf ein anderes Thema zu sprechen kommen. Gerade im Kontext mit Google hört man immer viel davon, dass das Unternehmen eine andere Unternehmensmentalität habe, dass Werte gelebt werden. Das ist immer so ein bisschen Buzzword-mäßig, wie das generell so gesagt wird, ja, wir haben irgendwie unsere Werte und danach leben wir. Aber zumindest der Eindruck nach außen ist, dass Google sich da tatsächlich Mühe gibt, nach bestimmten Werten zu funktionieren. Was sind diese Werte deiner Meinung nach? Also welche Werte verkörpert Google für dich und was tut ihr dafür, um das auch als Rechtsabteilung tatsächlich zu leben?

Arnd: Ja, eine super Frage. Diversity und Inclusion sind die wichtigen Worte und das sind nicht nur Buzzwords, sondern das spielt in unserem Unternehmensumfeld eine riesengroße Rolle. Intern sehr viel und es ist nicht nur ein Marketing, was dahinter steht. Zum Glück ist Google lange Vorreiter bei diesen Themen und das gilt auch für unsere Rechtsabteilung. Thema Gender Diversity, um das mal aufzugreifen. Google ist ja ein Technologieunternehmen und wie alle Tech-Unternehmen haben wir natürlich die gleiche Herausforderung. Die Mehrzahl der Mitarbeiter ist männlich. Das ist einfach überall im Tech-Bereich so. Das ist auch an den Universitäten so. Man kriegt vor allen Dingen Männer und vergleichsweise wenig Frauen. Und in der Rechtsabteilung haben wir versucht, das immer anders zu sehen. Wir haben immer gesagt, wir stellen die besten Bewerber und Bewerberinnen ein. Und dabei ist zumindest in meinem Bereich das Ergebnis entstanden, dass zwei Drittel der Mitarbeiter weiblich sind. Im Übrigen auch zwei Drittel der Teamleads weiblich sind. Und das ist bei uns überall eigentlich so in der Rechtsabteilung. Und das liegt schlicht daran, dass wir sehr gute Bewerbungen bekommen und weiblichen Bewerbern nicht den Vorzug geben, aber sicherstellen, dass wir genügend haben und dass sie eine Chance bekommen in jedem einzelnen Gespräch. Und auf jedem Hiring-Panel sitzen immer Männer und Frauen, um das abzubilden. Also hier wird niemand eingestellt durch nur Männer oder nur durch Frauen, sondern immer durch divers besetzte Panel. Und mir ist dieses Thema so ein bisschen immer zu sehr fokussiert auf Gender Diversity. Ich bin eigentlich ein Fan davon, das viel weiter zu denken und auf kulturelle Vielfalt zu achten und sexuelle und religiöse Vielfalt und aber auch alter familiäre Situation, hat man Kinder hat man keine, Kenntnisse, Erfahrungen, Sprachen und so weiter und. Ich gucke eigentlich die die Bewerber immer darauf hin an ob sie irgendetwas mitbringen, von dem ich meine, dass es so noch nicht in der Rechtsabteilung vorhanden ist, also irgendwas neues irgendwas spezielles. Irgendwas, wo man sagt das hat eigentlich nur diese neue Person dieser neue Bewerber und das wollen wir haben weil das unsere Kultur besser macht, breiter macht. Und das ja haben wir schon sehr sehr stark auch in die Kultur integriert. Und ansonsten vielleicht noch mal einen ganz anderen Aspekt, der in Deutschland vielleicht weniger wichtig als in anderen Ländern ist. Nämlich Herkunft im Sinne von auch monetärer Herkunft. Häufig sind in anderen Ländern diejenigen, die auf der Highschool und dann auf den entsprechenden Elitejura-Universitäten landen, diejenigen, die von zu Hause aus schon das Glück hatten, dass ihnen ein bisschen mehr mitgegeben wurde. Und das versuchen wir aufzufangen durch eine Idee, die wir jetzt auch in Europa eingeführt haben, des Google Legal Summer Institutes. Eine tolle Möglichkeit für Studenten, vor allen Dingen Studentinnen, die aus unterrepräsentierten Gruppen kommen, bei Google und in Großkanzleien ein Sommerpraktikum zu belegen. Und das ist etwas, was in den letzten Jahren hervorragend angenommen wurde, was wir in diesem Sommer auch nochmal ausweiten werden. In Deutschland haben wir zusammen gearbeitet mit Baker McKenzie, Hogan Lovells und Taylor Wessing, die Praktikanten eingestellt haben, die die Möglichkeit hatten, in der Kanzlei zu arbeiten und dann zu Google zu kommen und hier auch Einblicke zu bekommen. Und wie gesagt, das ist gut angenommen worden und ich hoffe, dass gerade diese Studenten darauf aufbauen können, sehen was geht, wie Rechtsabteilungen funktionieren und die ermutigt werden- "Ja, wenn die das schaffen, dann schaffe ich das vielleicht auch. Dann streng ich mich vielleicht an, gehe in eine bestimmte Richtung und erreiche etwas, wo ich vorher dachte, dass ich das nicht erreichen könnte."

Alisha: Ja, das ist ein schönes Projekt. Das klingt so, als ob das tatsächlich einen Effekt haben könnte. Jetzt ist es ja so, dass in der generellen Rechtsbranche dieses Gender Diversity Thema, insgesamt Diversity, aber gerade auch Gender Diversity, auch immer sehr scharf diskutiert wird, weil wir eigentlich gerade im juristischen Bereich überhaupt nicht, anders als die Tech-Branche, überhaupt nicht das Problem haben, dass wir nicht genug Frauen haben. Und sich das eigentlich nur nach oben hin immer weiter ausdünnt. Gibt es etwas aus deiner Sicht, was man da tun kann? Macht ihr da irgendwas? Kann man da irgendwie Einfluss nehmen oder wie macht ihr das bei euch?

Arnd: Bei Kanzleien Einfluss nehmen, nehme ich an, meinst du, oder?

Alisha: Zum Beispiel, ja.

Ja, ich glaube, man kann da sehr viel tun. Also mindestens mal große Mandanten wie Google können schon Einfluss nehmen. Also ein Beispiel. Wenn Kanzleien bei uns pitchen für ein Mandat und es gibt verschiedene Kanzleien, die in der Auswahl stehen, achten wir unheimlich darauf, wie die Diversity in den Kanzleien aussieht. Wenn es Gespräche gibt mit den Kanzleien, sagen wir ihnen immer am Anfang, uns ist Diversity wichtig, ich hoffe, ihnen ist Diversity auch wichtig, machen sie das doch mal deutlich, indem sie in jedem Fall auch mit Frauen aus dem Rechtsbereich, der uns interessiert, hier ankommen und sich vorstellen. Und das führt manchmal zu ganz skurrilen Situationen, dass nämlich Kanzleien gar keine Frauen haben, die in diesen Rechtsbereichen arbeiten und die dann ankommen und haben dann möglicherweise noch eine Arbeitsrechtlerin dabei, die aber gar nicht angefragt war oder Kolleginnen aus anderen Bereichen. Und das ist natürlich relativ traurig für diese Kanzleien, aber ich hoffe, man zeigt ihnen damit auch, dass Mandanten es wünschen, dass die Rechtsberatung auch divers ist. Und Mandanten haben da, glaube ich, einen ganz guten Hebel, um zumindest Wünsche zu äußern und zu gucken, was passiert. Also wir werden nicht den Markt irgendwie alleine ändern können, aber ich glaube, man kann zumindest kleine Steinchen ins Wasser werfen und hoffen, dass dann die Ringe um den Stein immer größer werden und sich zumindest die jungen Kolleginnen in Kanzleien auch stärker gesehen fühlen, auch mal Möglichkeiten bekommen ihre Arbeit zu präsentieren und ich habe von mehreren Kolleginnen gehört, dass das eine ganz gute Sache ist und dass wir das unbedingt auch beibehalten sollten.


Bedeutung von Innovation im Jura Bereich

 

Alisha: Ich hatte auch schon davon gehört und ich bin auch dafür, dass ihr das beibehaltet. Du hast vorhin so schön gesagt, du bist eigentlich Innovationsrechtler. Gleichzeitig ist Google auch ein Unternehmen, was dafür bekannt ist, besonders innovativ zu sein. Wenn du jetzt als vielleicht dein Gegensatz auf die juristische Branche schaust, was würdest du denn sagen? Was muss aus deiner Sicht passieren, damit vielleicht auch die Branche, in der wir tätig sind, da ein bisschen mithalten kann?

Arnd: Ach, in der Branche passiert glaube ich schon ganz viel. Man muss das nur sehen, wo und durch wen. Also ich bin da auch nicht der Richtige, um so tolle Tipps zu geben, aber ich finde, wenn man sich die Juristen anguckt von heute, sind die ja nun bekanntermaßen nicht gerade davon, wie soll man das sagen, also sind nicht die Treiber von Innovationen. Tun sich mit Innovationen doch eher ein bisschen schwer. Und ich würde mich da nicht mal selbst von ausnehmen. Als ich anfing bei Google, habe ich auch noch mit Blackberry und mit MS Outlook gearbeitet und das musste mir wirklich weggenommen werden. Und dann wurde mir ein Gmail-Account gegeben und Shared Folder und Mobilzugang und so weiter.

Alisha: Gut, dass man das bei Google bekommt, das ist ja klar.

Arnd: Ja, aber was ich damit sagen will ist, es ist ein Mindset. Man braucht einfach nur ein bisschen Mut, auch mal Sachen neu auszuprobieren. Und wer nichts verändert, verbessert auch nichts. Wer alles versucht zu verbessern, erreicht es möglicherweise nicht. Aber diese Idee, einfach offen zu sein für neue Sachen, neue Tools auszuprobieren. Zu sagen, ich weiß nicht, ob ich das so oder so machen sollte, einfach mal machen. Und dann Bestandsaufnahme, was hat sich verbessert, was hat sich verschlechtert, soll ich wieder zum Status Quo zurückgehen? Aber nicht nur zu warten, bis andere Innovationen betreiben. Ich glaube, das ist schon wichtig. Und in Deutschland gibt es inzwischen Legal Tech durchaus in ganz verschiedenen Bereichen. Und ich finde, da gibt es auch ganz gute Sachen. Die Kanzleien müssen sich immer fragen, was kann ich noch anders machen, was kann ich schneller machen, was kann ich besser machen? Wo gibt es den technischen Fortschritt in der Branche? KI ist das große Thema, zumindest in der Presse. Aber sind Kanzleien tatsächlich schon da, dass sie sich diese Frage ganz konkret stellen? Wo hilft mir als Kanzlei künstliche Intelligenz? Das ist, glaube ich, ein ganz spannender Bereich, wo Kanzleien schnell sich diese Frage selbst stellen müssen und dann Sachen einfach mal ausprobieren sollten.


Outro

 

Alisha: Einfach mal ausprobieren ist ein gutes Schlusswort. Ich bedanke mich bei dir für dieses Gespräch. Das war total spannend, mal zu sehen, wie Google von innen funktioniert. Und ich bin gespannt, wie sich deine Position in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird. Denn eins ist, glaube ich, klar: es geht immer weiter und es verändert sich permanent und dafür bist du, glaube ich, sehr gut gewappnet. Also schön, dass du da warst.

Arnd: Vielen Dank.


Laura Hörner-author-avatar-image
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Laura Hörner
Kulturwirtschaft Uni Passau

Als freie Autorin schreibt Laura Hörner bei TalentRocket über Themen rund um die juristische Karriere. Besonders interessiert sie sich dabei für die vielfältigen Karrierewege, die Jurist:innen offenstehen.