Alisha Andert: Sehen Sie auch schon ganz konkrete Anwendungsfälle und Potenziale, wo vielleicht mit Hilfe von künstlicher Intelligenz auch der Zugang zum Recht für Bürgerinnen und Bürger verbessert werden kann? Und wo sehen Sie vielleicht auch die Grenzen dafür?
Georg Eisenreich: Ja, also man muss sich klar sein, zunächst einmal werden diese generativen Sprachmodelle das Niveau in der Breite heben. Also das, was Sprachmodelle leisten können und das, was von jedem abgerufen werden kann, wird das neue Niveau sein und das wird natürlich viel, viel höher sein, als es bisher der Fall ist. Und ich war jetzt beim EDV-Gerichtstag in Saarbrücken, da habe ich das Beispiel auch genannt. Also angenommen, es gibt Streit zwischen einem Vermieter und einem Mieter. Dann kann sich der überlegen, zum Mieterverein zu gehen, einen Anwalt zu nehmen, alles irgendwie teuer. Aber der kann natürlich auch ChatGPT nutzen, dann bekommt der, ob es stimmt oder nicht, zumindest ein sprachlich gut formuliertes Schreiben und das ist dann in dieser Beziehung zwischen Mieter und Vermieter auf dem Markt und tut seinen Dienst, weil der andere muss sich auch beschäftigen, kennt dann die Rechtslage vielleicht auch nicht, überlegt sich, geht er zum Haus- und Grundbesitzerverein, es kostet einen Haufen Geld, der Anwalt kostet auch einen Haufen Geld und dann führt das vielleicht dazu, dass man sich dann einigt. Also das hat schon eine Wirkung, das heißt, das Niveau der Sprachmodelle ist das neue Niveau, das in der Breite abgerufen werden kann. Das heißt, es ist ein höheres Niveau, das wird nicht immer alles richtig sein, im Gegenteil, das ist auch das Problem, was sprachlich gut formuliert ist, aber Unsinn ist, hat leider auch eine große Wirkung, aber es ist halt einfach Unsinn. Deswegen brauchen wir Experten die dann am Ende auch wieder unterscheiden können. Und das könnte ein Problem sein, dass es in der Qualität von oben dazu führt, dass die abnimmt. Weil, wenn ein neuer Standard gesetzt wird, dann wirklich die Energie zu investieren, dass man den Experten hat, der prüft, was jetzt da stimmt und was nicht, wird man oft nicht immer haben oder nicht immer haben wollen. Aber zunächst mal hebt es das Niveau tatsächlich in der Breite.
Alisha Andert: Ich finde, man kann immer den Eindruck bekommen, wie ich gerade schon sagte, dass wirklich sich alles um KI dreht und auf einmal Organisationen oder auch Unternehmen, auch gerne mal der Staat, der einerseits irgendwie noch damit kämpft, das WLAN einzurichten, auf der anderen Seite schon immer direkt ganz weit vorne mit dabei ist, wenn es um KI geht und Robo-Judges und Robo-Lawyers und alles ist Robo. Dazwischen ist ja eine ganz, ganz große Lücke zwischen dem, was tatsächlich draußen ist und was mit KI eventuell irgendwann mal möglich wäre und ich würde jetzt mal vielleicht so breit sagen, nicht nur KI, sondern generell eben mit Technologie und Digitalisierung. Und mein Eindruck ist immer, dass wir da noch ganz, ganz, ganz weit weg sind und ich frage mich, was muss denn passieren? Also wie bereitet man denn diese Rechtswelt, die teilweise noch gar nicht verstanden hat, dass sie davon auch noch ganz, ganz weit weg ist, wie bereitet man die denn mal darauf vor, realistisch?
Georg Eisenreich: Also bevor wir jetzt dazu kommen, dass perfekte Schriftstätze von Anwälten durch KI gemacht werden oder Urteile, was nicht passieren wird, weil am Ende Menschen immer entscheiden müssen, gibt es unterhalb von KI noch so unglaublich viele Möglichkeiten, dass wir die erst einmal nutzen sollten, beziehungsweise dann KI in den Bereichen, wo es Sinn macht, zum Beispiel bei der Recherche, bei Textvergleichen, bei Textstrukturierungen, also zur Unterstützung von denen, die arbeiten, einzusetzen. Genau, ein Teil beschäftigt sich mit diesen Zukunftsthemen, der größere Teil ahnt, dass da irgendwas kommen wird, hat irgendwie eine vage Ahnung, aber jetzt keine vertiefte Kenntnis und ein Teil ist da völlig unbeleckt von diesen Themen. Das ist ja immer so. Aber das bedeutet natürlich, dass wir frühzeitig auch im Studium, in der Ausbildung, Referendariat, alle sich mit diesem Thema beschäftigen müssen. Die Welt zum Teil oder größeren Teil von heute, aber zumindest von morgen, ist digital. Also muss ich mich da auch entsprechend bewegen können, weil das natürlich auch das Marktumfeld sein wird, auch der Wettbewerb. Und diejenigen, die das nutzen können, sinnvoll einsetzen können, haben natürlich einen Vorteil gegenüber anderen. Aus meiner Sicht wird das auch einen Kostendruck auf dem Anwaltsmarkt, in der Anwaltsberatung zur Folge haben. Und wer sich nicht beschäftigt hat, natürlich ganz schwere Nachteile. Die Mandanten werden auch entscheiden. Wenn jemand gute Ergebnisse bringt mit Einsatz von KI und der braucht dann zwei Stunden und ein anderer braucht acht Stunden, der wird nicht mehr bereit sein, die sechs Stunden mehr zu zahlen.
Alisha Andert: Ja, wir denken die ganze Zeit, irgendwann muss dieser Punkt ja mal kommen und irgendwann wird er wahrscheinlich auch kommen.
Georg Eisenreich: Ja, das wird ein Prozess sein.
Alisha Andert: Und welche Rolle sehen Sie da für sich als Politiker oder für die Politik generell? Was ist Ihr Beitrag dazu, diese Lücke zu schließen?
Georg Eisenreich: Also, wir haben verschiedene Handlungsfelder. Der eine ist zunächst einmal der eigene Bereich Justiz. Das heißt, wir beschäftigen uns mit zwei Zielrichtungen. Wo können wir selbst nutzen? Wo können wir besser werden, effizienter werden, digitaler werden? Wo können wir den Zugang zum Recht erleichtern? Das ist ein ganz wichtiges Thema, das viele Menschen bei uns im Land einfach eine Scheu haben, auch die Justizanwälte in Anspruch zu nehmen, weil es eine andere Welt ist, weil Kosten ausgelöst werden. Also hier einen niederschwelligeren Zugang zum Recht zu schaffen, ist ja auch ein großer Anspruch des Staates. Also wir wollen nützen, wir wollen besser werden. Auf der anderen Seite geht es immer auch um den rechtlichen Rahmen, weil hier geht es nicht nur um wirtschaftliche Themen, sondern auch um gesellschaftliche, rechtspolitische, ethische Themen. Eine Gesellschaft muss entscheiden, was sie möchte, was sie nicht möchte. Also geht es um das Thema natürlich Regulierung. Und es geht darum, besser zu werden, digitaler zu werden, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Und deswegen sind wir da eben als Förderer und Unterstützer auch unterwegs.