Alisha: Genau, zu deinem Marketing-Kanal wollen wir später noch kommen. Zunächst bleiben wir mal beim juristischen Feld, denn du bist ja technisch IT-Rechler, Medienrechler, das ist sozusagen dein fachliches Umfeld. Und du hast da, das wissen vielleicht manche gar nicht, weil sie dich gerade von YouTube und von den heutigen Marketing-Kanälen kennen, aber du hast auch dort an relativ spannenden Entscheidungen mitgewirkt, auch beim BGH, kannst du mal davon berichten?
Christian: Ja, tatsächlich, die spannendste Entscheidung für uns war das Morpheus-Urteil und das war ein 17-Jähriger und dessen Wohnung bzw. die Wohnung seiner Eltern hatten die durchsucht, weil er nämlich ein paar Robbie Williams-CDs getauscht hatte, damals noch mit Napster, heute wäre das wahrscheinlich BitTorrent gewesen und wir hatten da diesen einen Tag, da gab es 140 Hausdurchsuchungen in ganz Deutschland. Also die Polizei, die glaubte, ein Riesenschlag gegen organisierte Kriminalität sei gelungen. Es waren aber nur Wohnungen von Kiddies, bzw. deren Eltern, die Musik getauscht hatten. Wie dem auch sei, Landgericht Köln und Oberlandesgericht Köln hatten mir gesagt, dass ich das Ding verliere und ich hab's auch verloren, weil die Eltern ihre Aufsichtspflicht gegenüber diesem 17-jährigen verletzt hatten. Sie hätten nämlich die ganze Zeit neben ihm sitzen müssen, während er im Internet war.
Alisha: Sehr realitätsnah.
Christian: Sehr realitätsnah. Mein Sohn ist jetzt 16.
Alisha: Setz dich mal neben den, den ganzen Tag.
Christian: Setz dich mal neben den. Du willst da nicht neben sitzen. Du willst nicht ne Stunde zugucken, wie er sich Papaplatte auf YouTube reinzieht. Keine Ahnung, der geht ja sogar noch, aber da ist wirklich auch TikTok-Content, keine Ahnung, was er sich da reinzieht. Egal. Ich dachte, das kann nicht wahr sein. Und da haben wir das Ding zum Bundesgerichtshof hochgebracht und das war echt staatstragend. Die Richter, die stehen dann da und du stehst vor den großen Herren des Bundesgerichtshofs. Du darfst ja nicht selber auftreten. Ich war sozusagen nur Beistand für unseren BGH-Anwalt. Und ja, da sagten die Richter schon direkt zu Anfang, naja, wir haben ja auch Kinder. Ich dachte so, puh, ein Glück. Und dann ging es wirklich darum, dass die ausgeurteilt haben, naja, Eltern müssen Kinder belehren, wenn sie sie erstmalig ins Internet lassen. Wenn sie das nicht getan haben, können sie in die Haftung kommen. Allerdings, danach müssen sie nicht mehr neben ihren Kindern sitzen. Und das hat mir damals schon geholfen für 20.000 Verfahren, die ich damals schon für Tauschbörsen-Nutzer gegen die Musikindustrie geführt hatte. Und da haben wir echt den Kopf aus der Schlinge gezogen mit diesem BGH-Urteil und auch ein bisschen Rechtsgeschichte geschrieben.
Alisha: Das finde ich nämlich auch. Also das ist schon spannend und ich glaube, dass auch eine Entscheidung ist, die viele tatsächlich betrifft, von der viele schon mal gehört haben, weil das natürlich echt durch die Medien gegangen ist und wirklich einen Unterschied gemacht hat, kann ich mich tatsächlich ganz gut daran erinnern. Von daher war ich selber überrascht, denn ich wusste bis zu unseren Gesprächen vorab überhaupt nicht, dass das von dir mitgetragen wurde. Also tatsächlich hast du da einen großen Beitrag geleistet. So, jetzt wollen wir aber mal zu diesem ganzen großen YouTube- und Marketing-Aspekt kommen. Das ist wahnsinnig spannend, denn man kann glaube ich sagen, du bist einer der ersten, wenn nicht vielleicht sogar der erste Anwalt, der YouTube zumindest auf dem Level aktiv als Marketing-Tool eingesetzt hat. Und da würde ich jetzt ganz gerne mal an den Anfang dieser Entwicklung schauen, denn irgendwann ist man ja der erste, der das macht und macht sich erst mal irgendwie zum Deppen, oder? Wie sind so die Reaktionen der anderen gewesen?
Christian: Also, das Erste, was ich gemacht habe, war ein Video: Wie ist die Rechtslage bei Ed Hardy-Abmahnungen? Ed Hardy war eine Klamottenmarke.
Alisha: Ich erinnere mich, das war eine Geschmacksverirrung der Menschheit.
Christian: Absolut. Aber die waren nicht unerfolgreich.
Alisha: Sehr erfolgreich.
Christian: Ja, jedenfalls so erfolgreich, dass sich viele Leute gefällt, die Klamotten aus der Türkei mitgebracht haben und überflüssige Stücke oder getragene Stücke oder einfach mehr mitgebracht haben, dann verkauft haben, auf Ebay und teuer abgemahnt wurden. Ich dachte mir, jetzt probierst du mal diese neue Plattform YouTube aus. Das ist jetzt auch zwölf Jahre her. Und meine Frau sagte mir damals, kannst dich machen, Christian, YouTube, das gucken doch nur Kinder.
Alisha: Und du möchtest ja jetzt keine Kinder als Mandanten akquirieren, ne?
Christian: Genau, richtig. Ich dachte mir so, ist doch jetzt egal. Ich bin ein Spielkind. Ich bin auch noch ein Kind. Also lass mich das mal ausprobieren. Also ich hergegangen, meine Webcam genommen. Die Webcam hatte auch ein Mikrofon und einfach reingeredet in die Webcam.
Alisha: Geil, Webcam ist auch so ein Relikt. Das hat auch irgendwie keinen Wind mehr in der Form, oder? Sondern diese kleinen, dicken Dinger, die man sich sozusagen noch so irgendwo draufgeschnallt hat auf den Computer.
Christian: Absolut. Heutzutage sind die im Laptop alle integriert, aber damals hast du sie tatsächlich noch irgendwo draufgeschnallt. Und ja, ich hab da reingesprochen, ein Video hochgeladen, kein Licht gehabt, keinen Ton großartig gehabt, das war alles Grotte. Und da sagt mir eine Freundin, die bei Stern TV gearbeitet hat, bei RTL, Christian, wenn du es so schlecht machst, dann kannst du es mit YouTube auch direkt ganz sein lassen.
Alisha: Man braucht ehrliche Freunde in seinem Umfeld.
Christian: Absolut. Ich hab's dann auch direkt sein gelassen. Ein Jahr lang hab ich es nicht mehr angepackt, das Thema YouTube damals. Und da dachte ich mir, kann doch nicht wahr sein, dass ich das nicht hinkriege. Ich bin doch so ein Techie, probier überall was aus. Und hab dann eine ordentliche Kamera bestellt. Also ein Freund von mir, der war Fotograf und der hat mir das alles erklärt. Hat gesagt, du brauchst einen ordentlichen Fotoapparat. Das war damals eine Canon EOS 7D. Die hab ich bei Amazon bestellt. Gutes Licht und einen guten Tonaufnahmegerät. Und witzigerweise ist das gleiche Aufnahmegerät damals vor zwölf Jahren, mit dem wir auch hier diesen Podcast aufnehmen, das Zoom H4M. Das war damals schon State of the Art und ist es heute noch.
Alisha: Sehr gut. Das ist auch schon mal gut, dass unser Mikro das Beste ist, was man haben kann.
Christian: Absolut. Und dann habe ich die Aufnahme gemacht, die war auch deutlich besser. Und der Gag ist, ich wusste gar nicht, welches Thema ich machen sollte. Also hatte ich mir diese Kamera bestellt für, ich glaube, anderthalbtausend Euro. Öffne den Amazon Karton. und der war leer. Das heißt, ich habe eine anderthalbtausend Euro Kamera bestellt und sie war leer. Das war die Kamera, mit der ich YouTube starten wollte.
Alisha: Das ist kein gutes Omen für deine YouTube-Karriere.
Christian: Dachte ich auch und deswegen habe ich gemacht, das erste Video von mir auf dem echten WBS-Kanal ist der Versendungskauf bei Amazon. Wer haftet, wenn das Paket leer ist? Großartig! Also, ja. Das war das erste Video. Hatte, glaube ich, 100 Zuschauer. Ich war komplett happy bei 100 Zuschauern. Und nachher hatten wir dann mal 10.000 Zuschauer. Heute bin ich enttäuscht. Alles, was unter 60.000, 70.000 Zuschauer geht, bist du enttäuscht. So ändern sich dann auch die Ansprüche.
Alisha: Genau, so verändern sich die Ansprüche. Wie hast du denn gleichzeitig diesen Web-Auftritt schrittweise professionalisiert? Also was passiert auf der Reise "von ich bin froh, dass ich 100 Aufrufe habe" zu "unter 60-70 .000 bin ich enttäuscht". Was ist in der Zeit quasi passiert? Was waren so deine Schritte?
Christian: Also das Schlimme ist immer der Anfang, das muss man sicherlich so sagen, weil da machst du noch alles selbst. Ich habe die Sachen selber geschnitten, habe mir die Texte selber getextet, hochgeladen, denn ich war ja nur angestellter Anwalt und habe das immer abends gemacht. So und das war hart. Da habe ich dann ein Video pro Monat erst gemacht, dann ein Video pro Woche. Aktuell sind wir wieder bei drei pro Woche, waren aber jetzt mal acht Jahre täglich einem Video. Dann habe ich mir einen Jurastudenten besorgt, den Jan, und der hat damals mir die Videos schon mal geschnitten. Das war ja schon mal gut. Dann hatte ich schon mal jemanden, der scheidet. Dann habe ich mir einen nächsten Jurastudenten engagiert und der hat die Themen geschrieben. So, schon mal vorgeschrieben. Dann hatte ich schon mal Texte. Ja, und so ging das Schritt für Schritt. Jetzt sind wir ein Team für alle Social Media Aktivitäten von zehn Leuten. Das heißt, du hast richtige Redaktionskonferenzen, Slack-Channel, wo die Themen gesammelt werden. Das ist schon Stück für Stück, Jahr für Jahr professionalisiert worden und wir machen das immer weiter. Also zuletzt habe ich den ganzen Produktionsworkflow auf Asana umgestellt, so ein Task-Tool, mit dem ich eben gucken kann, in welcher Stage befindet sich gerade eine YouTube-Idee- von "anrecherchiert", zu "wird gemacht", zu "Skript liegt vor", "Skript ist abgenommen", "Skript ist fertig", "Skript ist drehbereit". Durchwandert das Stufen, mit denen ich eigentlich nichts mehr zu tun habe. Ich kriege nur noch fertige Skripte und die sortiert nach "mach das jetzt bitte Christian, weil wir wollen es morgen senden". Also ja, das hat sich da echt gewandelt, der ganze Produktionsprozess und professionalisiert.
Alisha: Ja, da hat sich deine Rolle ja dann auf jeden Fall auch verändert, von der Person, die alles macht hin, dann doch eher zu Ulrich Wickert, muss ich sagen. Also du hast eine gute Entwicklung, die du dir da am Anfang gewünscht hast, auf jeden Fall hingelegt. Ich habe in Vorbereitung auf den Podcast mir das ein oder andere Video auch noch mal angeguckt. Und seitdem krieg ich auch ständig Alarme, dass wieder ein neues Video hochgeladen wurde.
Christian: Dann mach ich irgendwas richtig.