Diplompsychologin und Business Coach Diane Manz im New Lawyers Podcast

Verfasst von Laura Hörner|Veröffentlicht am 27.04.2022

Wie ticken Jurist:innen? Psychologin Diane Manz hat die Antwort

Diplompsychologin & Business Coach Diane Manz im New Lawyers Podcast

Kann man wirklich alle Jurist:innen in eine Schublade stecken? Macht die Uni Jurastudierende zu Egoist:innen? Und wie geht man am besten mit Stress um? Diane Manz ist Diplompsychologin und Business Coach und hat sich auf die Beratung von Jurist:innen spezialisiert. Im New Lawyers Podcast von TalentRocket spricht sie mit Alisha Andert über diese und viele weitere Fragen.

 

Eigentlich wollte Diane Manz Profilerin werden – inspiriert hatte sie dazu der Film „Das Schweigen der Lämmer“ mit dem wohl bekanntesten Kannibalen der Filmgeschichte, Hannibal Lecter. Da dieser Berufswunsch in Deutschland nur schwer umzusetzen war, ging sie letztendlich in den Personalbereich und arbeitete 15 Jahre lang in einer Anwaltskanzlei. Während dieser Zeit begleitete sie zahlreiche Jurist:innen auf ihren Karrierewegen – und hat sich damit schließlich selbständig gemacht. Als Coach unterstützt Manz nun bei der Findung von Lösungswegen, hilft dabei, mit einer neuen Perspektive auf Probleme zu sehen, und erklärt Jurist:innen Konzepte wie Führung oder Stress. Besonders häufig kommen zu ihr Jurist:innen, die in ihrer Situation nicht mehr glücklich sind, die sich verändern möchten, aber nicht wissen wie.

Wichtig ist für ein Coaching laut Manz vor allem die Freiwilligkeit. „Jemand, der nicht wirklich will, dem kann ich auch nicht gut helfen“, stellt sie klar. Das könne zum Beispiel dann vorkommen, wenn Kanzleien das Coaching veranlassen – meist verschwinde die anfängliche Skepsis jedoch schnell.

Wertvolle Einblicke in die juristische Arbeitswelt

Im New Lawyers Podcast kommen die unterschiedlichsten Menschen mit spannenden Karrierewegen zu Wort - hier findest du die aktuellsten Folgen!

Der Blick in die Vergangenheit hilft oft weiter

Um ihren Coachees zu helfen, lässt Manz ihre Kund:innen oftmals in die Vergangenheit schauen. Sie fragt sie danach, weshalb sie sich für das Jurastudium entschieden haben, was ihre Vorstellungen und Wünsche waren – und wie das mit ihrer jetzigen Situation übereinstimmt. Die Unzufriedenheit lasse sich oft mit einem Wechsel in eine Kanzlei mit anderer Arbeitskultur mindern, aber auch von der Kanzlei zu einem Unternehmen oder andersherum.

Aber ein Wechsel ist nicht immer die beste Lösung. Auch Kommunikation sei wichtig: Zum Beispiel für Frauen (oder auch Männer), die aus der Elternzeit zurückkommen und gar nicht mehr für Projekte angefragt werden, für welche sie mehrere Tage verreisen müssten. Ein Gespräch darüber, was Jurist:innen mit Kindern noch leisten können oder möchten, bleibt laut Manz oftmals ganz aus – wodurch auch viel Potenzial verschenkt werde.

Die Ausbildung macht Jurist:innen zu denen, die sie sind

Auch wenn man Jurist:innen nicht alle in eine Schublade stecken könne, erkennt Manz eine Tendenz, die gar nicht so weit entfernt ist vom typischen Jura-Klischee: „Ich glaube, dass letztendlich [die Ausbildung] dafür prägt, dass Juristinnen und Juristen sehr perfektionistisch sind, sehr starke Einzelkämpfer, Menschen mit einem sehr, sehr hohen Anspruch an sich selbst und andere.“

Ich glaube, dass letztendlich [die Ausbildung] dafür prägt, dass Juristinnen und Juristen sehr perfektionistisch sind, sehr starke Einzelkämpfer, Menschen mit einem sehr, sehr hohen Anspruch an sich selbst und andere.
- Diane Manz

Den Grund dafür sieht sie nicht unbedingt in der Persönlichkeit, sondern vor allem in der Ausbildung. „Ich glaube, dass viele Leute ins Jurastudium gehen, weil sie die Welt verändern wollen“, sagt Manz. Im Studium seien die Studierenden dann einem hohen Druck ausgesetzt, einem Stoff, der oftmals unbezwingbar erscheint. Dazu komme der Konkurrenzkampf und das Misstrauen unter Studierenden, was dazu führe, dass wenig Unterstützung bei anderen gesucht wird – Schwäche komme im Studium nicht gut an.

Der Stress hört nicht nach dem Studium auf, sondern zieht sich durch das ganze Berufsleben. Laut Manz ist es aber nicht immer das Ziel, weniger Stress zu haben. Stattdessen müssten Jurist:innen lernen, wie sie mit herausfordernden Situationen umgehen und wie sie die Angst davor verlieren könnten. Dabei – sowie bei vielen anderen Problemen – helfe vor allem Selbstreflexion und das Hinterfragen der eigenen Denkmuster. Als abschließenden Tipp gibt sie Jurist:innen im Karrierestress unter anderem mit, sich selbst Ziele zu setzen: Denn wer nicht wisse, wo er hin möchte, der verbaue sich seine Karriere.

 

Wenn du mehr darüber wissen möchtest, wie Stressmanagement für Jurist:innen funktioniert und was es mit dem Imposter-Syndrom auf sich hat, dann hör doch mal rein in diese Folge des New Lawyers Podcasts!

Die Themen dieser Folge im Überblick:

 

  • Ab 2:07: Icebreaker-Frage: Wenn du nur noch an einen einzigen Urlaubsort fahren könntest, welcher wäre es?
  • Ab 3:53: Weshalb hast du dich als Coach auf den Rechtsbereich spezialisiert?
  • Ab 5:52: Was machst du als Coach?
  • Ab 8:00: Lassen sich Jurist:innen gut coachen?
  • Ab 9:19: Was sind typische Herausforderungen von Jurist:innen?
  • Ab 10:39: Wie hilfst du in konkreten Situationen?
  • Ab 12:47: Liegt Unzufriedenheit oft am Umfeld?
  • Ab 16:00: Fordern Frauen in der Karriere zu wenig ein?
  • Ab 17:54: Was ist das Imposter-Syndrom und wer ist betroffen?
  • Ab 19:02: Gibt es ein juristisches Psychogramm?
  • Ab 23:07: Woher kommt die „Jura-Mentalität“?
  • Ab 27:38: Was ist Stress? Wie funktioniert Stressmanagement?
  • Ab 34:53: Ein abschließender Tipp zu Karriere-Stress

Hier findest du das komplette Transkript der Folge

Intro & Icebreaker

 

Alisha Andert: Diane Manz ist Diplompsychologin und unterstützt Juristinnen und Juristen als Coach bei der Verwirklichung ihrer Karriereziele und sie berät Kanzleien zur Entwicklung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zudem hat sie mehrere Jahre als HR-Managerin in einer Großkanzlei gearbeitet. Wie sie auf die juristische Karriereplanung und auf die Psyche von Juristinnen und Juristen blickt und natürlich welche Tipps sie uns mitgeben kann, darüber sprechen wir heute. Schön, dass du da bist, Diane Manz. Danke, ich freue mich auch. Es ist ein sehr, sehr schöner Tag heute, zumindest in Berlin und ich bin schon gedanklich im Sommer und im Urlaub und dazu passt die Icebreaker-Frage, die ich dir heute mitgebracht habe. Wenn du für den Rest deines Lebens nur noch an einen einzigen Urlaubsort fahren könntest, welcher wäre das?

Diane Manz: Ja, also hier ist genauso schönes Wetter wie in Berlin und ich freue mich auch jetzt schon, dass wir in drei Wochen genau an diesen Urlaubsort fahren und das wäre die Gegend rund um Saint-Tropez an der Côte d'Azur in Südfrankreich. Also da fahren wir schon sehr lange hin, da bin ich auch mit meinen Eltern, als ich klein war, häufig hingefahren. Das ist einfach wunderschön und ich glaube, das ist der Ort, auf den ich am wenigsten verzichten könnte.

Alisha: Schön. Was gefällt dir da besonders gut?

Diane: Also das erste ist natürlich das Meer und ich finde, dass der Himmel da einfach auch ein Tick blauer ist als woanders. Es ist insgesamt eine sehr, sehr schöne Gegend, also auch von der Vegetation her. Es ist, obwohl es ja eine sehr bekannte Urlaubsgegend ist, überhaupt nicht irgendwie mit großen Hotels verbaut, sondern es ist alles noch relativ ursprünglich und mit kleinen Häuschen. Es ist einfach ein sehr, sehr schönes Lebensgefühl dort. Es gibt einfach auch wahnsinnig viel zu sehen und genauso kann man eben einfach auch am Lieblingsstrand vor sich hin chillen.


Werdegang & Coaching-Ansätze

 

Alisha: Ja, ich bin jetzt auf jeden Fall gedanklich schon ein bisschen woanders, muss mich jetzt erstmal hier wieder zu den juristischen Themen zurückbringen. Wobei man ja sagen muss, dass du ja tatsächlich selber keine Juristin bist, aber wir sprechen in dem New Lawyers Podcast. Daraus kann man dann ablesen, dass du doch einen relativ engen Bezug zur Juristerei hast. Du bist aber tatsächlich Psychologin. Wie kamst du denn überhaupt auf den Rechtsbereich als Fokusbereich? Sind wir alle irgendwie so besonders hilfsbedürftig, besonders kaputt? Nein, Quatsch. Aber wie kamst du da drauf?

Diane: Also ich hab letztendlich sogar angefangen, Psychologie zu studieren, nachdem ich das Schweigen der Lämmer gesehen hab und hatte im ersten Schritt eigentlich den Wunsch, Profiler zu werden, was sich dann aber hier in Deutschland relativ schwierig gestaltet hat. Und auch im Rahmen des Studiums hab ich einfach so viele andere Ideen und Eindrücke bekommen, dass ich mich letztendlich dann dazu entschieden hab, in den Personalbereich zu gehen. Nach meiner ersten Stelle in einem Telekommunikationsunternehmen bin ich dann als Personalerin in einer Anwaltskanzlei gelandet. Das war mehr oder weniger zufällig, also das hatte ich nicht direkt als Ziel, jetzt in eine Kanzlei zu gehen, aber als ich das angeboten bekommen habe, klang das für mich nach einem sehr spannenden Arbeitsbereich. Insgesamt habe ich jetzt 15 Jahre in der Kanzlei als Personaler gearbeitet, also sehr lange Zeit als Personalleiterin auch und habe da eben den kompletten Bereich verantwortet und alles gemacht, was in irgendeiner Form mit Personal zu tun hat. Und da ist natürlich auch ein großer Teil Beratung und man lernt die Juristen eben sehr, sehr gut kennen.

Alisha: Ich hatte in einem kurzen Moment wirklich Sorge, dass dich Hannibal Lecter dazu inspiriert hat, in den juristischen Bereich zu gehen. Okay, das ist natürlich interessant. Das heißt, du bist über den Personalbereich in der Kanzlei darauf gekommen und hast dich danach selbstständig gemacht und arbeitest unter anderem als Coach. Was ist denn deine Tätigkeit da, was machst du da genau?

Diane: Gut, also ein Coach, erstmal ganz allgemein, unterstützt ja dabei, Menschen im Hinblick auf Lösungswege zu unterstützen. Das heißt, man begleitet, man regt dazu an, die Perspektive zu wechseln, andere Lösungen als die, die man vielleicht bisher ausprobiert hat, auszuprobieren und auf diesem Weg aber letztendlich dann ganz eigene Lösungswege zu entwickeln, die man vielleicht alleine so nicht sehen würde. Beim systemischen Ansatz ist es so, dass der ja letztendlich den Menschen immer in seiner Wechselwirkung mit der Umwelt zieht. Und daraus geben sich dann eben auch Ansätze zu Perspektivenwechsel. Und letztendlich lädt das systemische Denken dazu ein, einfach mal anders hinzuschauen, was man quer zu denken, Unterschiede zu sehen, die einem so vielleicht im ersten Schritt nicht auffallen und einfach nochmal eine ganz andere Vielfalt ins Spiel auch zu bringen. Und natürlich hilft es auch, auf diesem Weg zum Beispiel Entscheidungen zu treffen, was immer wieder ein Punkt ist, der im Coaching sehr häufig auftaucht. Grundsätzlich muss man sagen, ich ergänze meinen Coaching letztendlich dadurch, dass ich natürlich gerade wenn ich mit Juristen spreche, die dann sagen, naja, Sie haben ja die Erfahrung in der Kanzlei, was würden Sie denn sagen? Also dass ich da Tipps gebe und damit auch natürlich ein bisschen Beratung mache. Ich erkläre auch Konzepte, die hinter bestimmten Ansätzen stehen. Also zum Beispiel Konzepte zu Führung oder eben Konzepte zu Stress. In die Richtung ist es dann eben auch so ein bisschen Training. Und natürlich diene ich auch durch die lange Erfahrung in der Kanzlei gerne einfach als Sparringspartner. Und diskutiere ein paar Möglichkeiten aus mit den Leuten.

Alisha: Jetzt mal so ganz frei: würdest du sagen, dass Juristinnen und Juristen gut zu coachen sind?

Diane: Wenn sie freiwillig kommen, ja. Es gibt auch welche, die geschickt werden. Naja, also wer sich privat an mich wendet, kommt natürlich freiwillig, das ist ganz klar. Wenn natürlich eine Kanzlei beauftragt, Coaching zu machen mit Rechtsanwälten, Rechtsanwältinnen oder auch anderen Mitarbeitenden, dann besteht da manchmal so eine gewisse Skepsis. In der Regel geht es ganz schnell, dass die Leute sich dann auch drauf einlassen und auch den Mehrwert sehen für sich und den Mehrwert auch ziehen können. Es gibt manchmal Situationen, da meldet sich dann der Coachie und sagt aber dann am Ende "ah nee, ich möchte es eigentlich doch nicht machen". Und da ist es dann auch gut so. Weil jemand, der nicht wirklich will, dem kann ich auch nicht gut helfen. Und ich glaube, da würde ich nicht unbedingt sagen, dass die Juristen sich unbedingt von anderen unterscheiden.


Typische Herausforderungen & Themenfelder

 

Alisha: Okay, das ist schon mal ein bisschen beruhigend. Wir müssen unbedingt auch noch später auf das Psychogramm von Juristinnen und Juristen eingehen, wo du ja wirklich sehr, sehr vertiefte Einblicke hast. Mich würde vorab noch interessieren, bei welchen Herausforderungen unterstützt du denn so? Was sind so typische Felder, in denen du dann tätig wirst?

Diane: Also ein Punkt, der ganz ganz häufig kommt, ist, dass Menschen kommen, die sagen, ich hab das Gefühl, ich bin hier, wo ich bin, nicht mehr glücklich. Ich möchte mich gerne verändern, ich weiß aber nicht so richtig, wohin. Das heißt, da ist es dann so die Kernfrage, zum Beispiel, wenn ich in der Großkanzlei bin, will ich hier bleiben und versuchen, hier Karriere zu machen? Was müsste ich dafür ändern? Will ich in eine andere Kanzlei gehen und da einfach genauso versuchen, wie ich es jetzt hier auch gemacht habe? Oder will ich inhouse gehen, ja, also raus aus dem Kanzlei-Bereich. Und das geht natürlich genauso oder andersrum. Und es kommt dann auch manchmal noch die dritte Frage, will ich vielleicht was ganz anderes machen? Also will ich vielleicht gar nicht mehr als Rechtsanwalt arbeiten. Wobei, sag ich mal, das Häufigste eigentlich ist, dass gewechselt werden soll in anderen Bereich. Und Schwerpunkt mit der Frage, bleibt's bei Kanzlei oder geh ich inhouse? Weil das natürlich einfach ganz viele Grundbedingungen verändert.

Alisha: Und wie hilfst du denn eigentlich in so einer Situation? Also, wie kann man sich das systemische Coaching da jetzt vorstellen, wenn ich jetzt zu dir komme und sage, ich weiß irgendwie nicht mehr, ob ich meinen Job noch so ausüben möchte?

Diane: Also, was wir im ersten Schritt machen, ist einfach mal genau hingucken, was denn grade da ist. Also, zum Beispiel, wenn jetzt jemand kommt, und sagt, ich bin da nicht mehr glücklich, ich möchte gern was anderes machen, dann schauen wir uns natürlich erst mal an, was ist denn genau das, was da jetzt gerade nicht passt und was ist denn eigentlich das, was man sich wünscht? Wie sieht denn ein Idealzustand aus? Warum habe ich Jura studiert? Warum wollte ich Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin werden? Was habe ich mir vorgestellt? Was habe ich mir vorgestellt, als ich den Arbeitsvertrag in der Kanzlei unterschrieben habe. Was hat man mir gesagt, was ich mache und was mache ich jetzt? Ist das das gleiche und was gefällt mir an der Arbeit und was gefällt mir nicht? Und manchmal kommt dann eben auch raus, dass vielleicht einfach die ganze Art und Weise, wie in der Kanzlei gearbeitet wird, eigentlich nicht meinem Arbeiten und meinen Ansätzen entspricht und dass ich vielleicht in der anderen Kanzlei, in der Werte und Kultur ein bisschen anders sind, ich sehr, sehr gut zurechtkommen würde. Vielleicht gefällt mir aber auch insgesamt die Art und Weise nicht, wie in der Großkanzlei gearbeitet wird. Und ich möchte gern eher inhouse arbeiten. Wir machen eigentlich im ersten Schritt eine sehr, sehr, sehr ausführliche Diagnostik. Und oft passiert allein dadurch schon was. Dass in dem Moment, wo ich mir klarer darüber werde, was will ich eigentlich, was für Bedingunge ich habe und welche ich möchte, dass da schon unheimlich viel passiert.

Alisha: Ja, total. Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Das kennt man ja auch selbst von sich, wenn man so einer Unzufriedenheit mal so ein bisschen auf den Grund geht und reflektiert darüber und dann eigentlich schon ganz schnell festhält, ah, okay, das ist es vielleicht, was mich stört. Würdest du sagen, dass es häufig eher das Umfeld ist als die Tätigkeit? Also zum Beispiel, dass es jetzt gar nicht darum geht, dass ich nicht mehr im Datenschutz arbeiten möchte, sondern dass es eher die Kultur ist oder die Art zu arbeiten? Oder ist das so ausgeglichen?

Diane: Das ist sehr unterschiedlich. Also es gibt durchaus Leute, die kommen und sagen, man hat mir einfach da was anderes versprochen. Ich finde aber, da ist es dann eher, da ist dann nicht so die Frage im Coaching, was will ich denn wirklich, sondern wie schaffe ich denn den Absprung? Und wie finde ich dann jetzt wirklich das, was ich haben will? Es ist natürlich schon auch so, dass gerade bei Frauen auch so Großkanzleikultur mit größeren Schwierigkeiten verbunden ist im Weg auf die Partnerschaft.

Alisha: Warum?


Frauenspezifische Coaching-Bereiche

 

Diane: Na ja, es ist ja grundsätzlich so, es fangen 50 Prozent Neueinsteiger, also Berufseinsteiger, die weiblich sind, an - und in der Partnerschaft enden. Naja, wenn's gut läuft, irgendwas um die 15 Prozent.

Alisha: Hast du da eine Sicht drauf, woran das liegt?

Diane: Na ja, es ist grundsätzlich einfach das Thema mit Vereinbarkeit. Also, dass eben häufig Frauen auf dem Weg schwanger werden und es dann schwieriger ist, zum Beispiel aus der Teilzeit raus auch in die Partnerschaft zu gehen. Es liegt da aber auch letztendlich strukturell daran, dass das viel vorweggenommen wird. Also Beispiel, eine Frau, die zurückkommt und ein Kind hat, wird vielleicht gar nicht mehr gefragt, ob sie an einem Projekt teilnimmt wo es nötig ist, dass man zum Beispiel mehrere Tage unterwegs ist und nicht zu Hause ist. Ja, also auch woanders übernachtet. Nur weil ich Frau bin und Kind hab, heißt das ja noch nicht, dass ich nicht in der Lage bin, irgendwo anders zu übernachten und vielleicht meine Kinderbetreuung auch mal anders zu organisieren.

Alisha: Zum Beispiel über den Vater?

Diane: Ja, zum Beispiel. Und da wird halt oft vorweggenommen, dass man eben nicht mehr so einsatzfähig ist. Da wird auch oft vorweggenommen, dass man unflexibel ist, ohne dass das wirklich diskutiert wird. Ich erlebe es ganz oft, dass Rechtsanwältinnen und die zuständigen Partner oder auch Partnerinnen gar nicht wirklich drüber sprechen, wie das denn aussehen soll, wenn man nach der Elternzeit zurückkommt. Oder die auch, wenn man dann zurückkommt, gar nicht abklären, wozu bin ich bereit, was kann ich leisten, was kann ich nicht leisten, wo will ich noch hin? Und dass dadurch auch traurigerweise ganz viele Möglichkeiten verloren gehen.

Alisha: Das ist eigentlich das Traurigste daran, dass dieses ganze Potenzial da auch liegen bleibt.

Diane: Absolut. Und da muss man, glaube ich, auch einfach Frauen immer wieder noch fördern und unterstützen und motivieren zu sagen, du bist für deine Karriere auch verantwortlich. Es ist nicht alles nur Bringschuld der Kanzlei. Es ist auch wichtig, dass man selbst sagt, wo man hin will und was man bereit ist, dafür zu leisten und was man auch geben kann und wie Flexibilität aussehen kann.

Alisha: Okay, interessant. Also, würdest du sagen, aus deiner Perspektive ist das oftmals auch so eine Art vorauseilender Gehorsam von Frauen, vielleicht auch bestimmte Dinge gar nicht einzufordern?

Diane: Auch. Kommt schon häufig vor, ja. Auch gerade das Einfordern der grundsätzlichen Kommunikation. Also, das stelle ich oft fest, wenn ich Beratungen mache für Rechtsanwältinnen, die zurückkehren. Also praktisch so ein Kind- und Karrierecoaching. Dass man häufig immer wieder motivieren muss zu sagen, ja, dann geh doch mal hin und sprich mal und frag mal, wie bestimmte Punkte sind. Und ich glaube, da kann man viel Unterstützungsarbeit auch noch leisten. Und die aber dann eben auch was bringt wirklich. Und manchmal kommt dann einfach "ach, das war ja einfach".

Alisha: Manchmal wird man auch positiv überrascht. Ja, da ist sicherlich was Wahres dran. Manchmal ist die Vorstellung davon, was einem entgegenkommen könnte, viel schlimmer als das, was tatsächlich passieren kann. Das kenne ich auch.

Diane: Auch so die Erwartung an sich selbst, ja, und das eigene Selbstbild, der eigene Selbstwert, wo ganz häufig immer wieder kommt "naja, mir ist doch eigentlich das, was mir bis jetzt zugefallen ist, alles eher zufällig zugefallen und ich bin gar nicht gut genug und nee, da melde ich mich lieber nicht für das große Projekt oder da bewerbe ich mich vielleicht nicht auf den nächsthöheren Job, weil ich einfach gar nicht so sicher bin, ob ich das kann"

Alisha: Das ist auch ganz typisch, das kenne ich auch aus dem Bekannten- und Freundeskreis vor allem - dieses Imposter-Syndrom. Ja, dass man immer denkt, das ist alles, hier bin ich zufällig gelangt, ich hatte einfach auch Glück und bald werden alle merken, dass ich das alles gar nicht kann und so. Fällt das häufiger auf? Also gibt es vielleicht Personengruppen, bei denen dir das häufiger auffällt? Sind das eher Frauen, sind das jüngere Leute, wer ist das eigentlich?

Diane: Also man würde ja im ersten Schritt fast annehmen, dass es häufiger Frauen sind, aber die Forschung zeigt, dass es Frauen genauso wie Männer betrifft. Ich glaube, der Unterschied an der Stelle ist, dass Frauen eher drüber reden und dass es deshalb präsenter ist. Von der Altersgruppe her kann ich wenig sagen, wie es jetzt in der höheren Altersgruppe ist. Man merkt es aber insgesamt, sage ich mal, von Studierenden bis auf Senior-Associate-Level. Und bereits im Studium besteht an vielen Stellen eine sehr starke Unsicherheit darüber, ob man leisten kann, was von einem gefordert wird.


Psychologische Zusammenhänge bei Jurist:innen

 

Alisha: Da müssen wir unbedingt auch noch drauf schauen. Vorher möchte ich jetzt aber deine Analyse der Juristinnen und Juristen hören. Also was macht den Rechtsbereich aus psychologischer Sicht aus? Gibt es sowas wie ein typisches Psychogramm? Gib uns mal deine Diagnose.

Diane: Also Psychogramm klingt ja immer gleich so böse.

Alisha: Findest du?

Diane: Ja, also zumindest so, dass man in bestimmte Schubladen gesteckt wird. Oder dass es ein fertiges Bild kreiert wird, von dem man dann nicht mehr runterkommt. Das ist natürlich auch so ein Vorurteil, was einem als Psycho immer sehr gerne entgegengebracht wird. Dass man eben Menschen in Schubladen steckt. Und das versuche ich hoffentlich erfolgreich nicht zu machen. Natürlich gibt es aber Punkte, die Juristinnen und Juristinnen an einigen Stellen gemeinsam haben. Ich würde auch sagen, es kommt immer darauf an, in was für einem Bereich bin ich. Ich glaube, man kann jetzt Amal Clooney, die als Menschenrechtlerin unterwegs ist, nicht gleichstellen mit - gehen wir in die ganz andere Richtung - dem Strafverteidiger, der Charles Manzon verteidigt hat. Oder auch, wenn ich für eine NGO arbeite oder für eine Großkanzlei sind da vielleicht auch noch mal sehr, sehr starke Unterschiede sowohl von Werten als auch von Herangehensweisen. Aber ich glaube, und das ist letztendlich, wir haben eben schon über die juristische Ausbildung gesprochen, ich glaube, dass letztendlich die sehr stark prägt dafür, dass - ich sag's jetzt mal plakativ - der Juristinnen und Juristen häufig sehr, sehr perfektionistisch sind, sehr starke Einzelkämpfer, Menschen mit einem sehr, sehr hohen Anspruch an sich selbst und auch an andere, was wieder eng mit dem Perfektionismus auch zusammenhängt. Und eben durch das Einzelkämpfertum eben auch wenig Unterstützung gesucht wird bei anderen. Was natürlich auch dann leichter zu führen kann, dass man sich überfordert. Und da durch den hohen Konkurrenzkampf, den man ja auch schon im Studium erlebt, oft auch ein gewisses Misstrauen gegenüber anderen besteht, was ja auch, sag ich mal so, in der juristischen Arbeit zum Teil liegt, weil es ja immer zwei Parteien gibt. Also auch das macht sicherlich was aus. Ganz interessant finde ich, dass zum Beispiel in den USA Juristen sich häufig als nicht so anerkannte Berufsgruppe sehen, was vielleicht ein Stück weit damit auch zu tun hat, dass es da eben noch Fälle gibt, wo ich halt McDonalds verklagen kann wegen dem verschütteten Kaffee für dreieinhalb Millionen oder dass da Menschen aus der Branche in Notaufnahmen sitzen und irgendwie große Schadensersatzklagen vermuten.

Alisha: Visitenkarten verteilen…

Diane: So was gibt es hier in Deutschland eben nicht. Ja, also ich denke, hier ist der Beruf ja eher ein sehr, sehr anerkanter.

Alisha: Das ist so, würde ich auch sagen. Mein Eindruck ist tatsächlich aber auch, dass die Juristinnen und Juristen das auch einfordern. Also, dass es irgendwie fast zum Selbstbild dazugehört, dass man auch möchte, dass es ein anerkanter Beruf ist.

Diane: Und ich glaube, das kriegen die auch schon in den ersten Semestern von den Professoren mitgegeben. Also ich kenne Geschichten, dass Professoren in die Vorlesungen gehen im Erstsemester und sagen, naja, sie brauchen sich gar nicht hier mit ihrem Nachbar irgendwie anzufreunden, weil die Wahrscheinlichkeit, dass der übermorgen weg ist, ist sehr hoch.

Alisha: Ja, schauen sie nach rechts und nach links, so es wird nur einer von ihnen dreien. Also das sind ja so die Geschichten, die man kennt, und die kennen auch wirklich alle, weil die, die ja tatsächlich stattfinden, oder die versteckten Bücher in der Bibliothek, weil man eine Hausarbeit schreibt und da steht was Wichtiges drin. Es ist interessant, ich frage mich halt immer, sind das schon Leute mit einem bestimmten Mindset, die dann Jura studieren? Ich meine, ich habe selber Jura studiert. Natürlich, wir denken alle von uns selber, dass wir ja nicht so sind. Niemand wird ja sagen, ja, ich habe genau die gleiche Denkart und trotzdem fällt es irgendwie auf. Oder ist es die Ausbildung, die einen vielleicht dann auch in so eine bestimmte Denkweise Mentalität reinbringt?

Diane: Also ich glaube tatsächlich, dass die Ausbildung eine sehr, sehr große Rolle spielt. Ich glaube, dass viele Leute ins Jurastudium gehen, weil sie die Welt verändern wollen, was ein ganz, ganz positiver Ansatz ist. Ich mein, klar, gehen sicherlich auch welche rein und sagen, ja, ich will Anwalt in der Großkanzlei werden oder keine Ahnung, ich habe bestimmte Vorbilder und will Menschenrechte verteidigen oder was auch immer. Also da gibt es, ich glaube, es gibt ganz, ganz viele Vorbilder, die da auch draußen sind, wegen denen man das vielleicht macht. Und dass der Ansatz grundsätzlich nicht der ist, ich gehe jetzt rein und versprühe Konkurrenzkampf und mach Druck den anderen noch und freue mich drauf, dass mir großer Druck gemacht wird. Also ich glaube nicht, dass das so ein Mindset ist, mit dem man da reingeht. Und ich glaube tatsächlich, dass die Ausbildung in der Art und Weise, wie sie von Anfang an gestrickt ist, da eine sehr, sehr große Rolle spielt. Es ist einfach insgesamt der Druck ist sehr hoch, der Stoff ist dicht und enorm, also eigentlich unbezwingbar. Zumindest wird es so dargestellt von Anfang an. 

Alisha: So fühlt es sich an, ja.

Diane: Und es gibt ja auch, also ich sag mal - jetzt als Psychologe kann ich das so sagen, das war ein ganz anderer Studiengang - wo auch, glaube ich, ganz anders herangegangen wird von den Studierenden. Aber bei den Juristinnen und Juristen ist es ja so, es gibt keinen Studiengang, in dem so viel Geld gemacht wird mit der Angst davor, dass man die Examen nicht schafft. Also ich kenne keinen Studiengang, wo so viele Leute zu Repetitorien gehen, weil sie Angst haben, sie schaffen es alleine nicht. Und dann zum Teil da sogar wieder noch scheckig gemacht werden und noch mehr Druck bekommen dadurch, dass ihnen vermittelt wird, wie groß der Stoff ist und was man ja noch alles irgendwie gelesen haben müsste und wie man es ja verstanden haben muss. Das ist sehr, sehr anspruchsvoll und wird auch natürlich so dargestellt - 'nur die Harten kommen in den Garten'. Also wenn man das schafft, muss man sich halt auch richtig durchbeißen und wer schwach ist, schafft es nicht.

Alisha: Und wenn man es dann geschafft hat, dann gehört man zu der Elite.

Diane: Genau, genau. Und eben dadurch, dass Schwäche natürlich da drin überhaupt nicht gut ankommt und das ist ein weiterer Punkt, wird natürlich wenig über Stress, Angst und Druck gesprochen und das macht es noch zusätzlich schwer. Also ich denke, wenn man darüber mehr sprechen würde, wenn die Leute sich auch mehr austauschen würden darüber, wie es ihnen damit geht, würde schon ein Stressfaktor verschwinden. Nämlich das Gefühl, damit allein zu sein.

Alisha: Ja, ich fühl mich total angesprochen. Ich denke mir rückblickend, auch wenn ich auf das Studium blicke oder auf alle Leute, die ich kenne, die da durchgegangen sind, es gibt kaum ein Studium, über das sich so viele Leute so einig sind, dass es reformiert werden müsste. Und dass es auch niemanden gibt - vielleicht so ein, zwei Professoren, die mit 15 Punkten selber aus dem Examen rausgegangen sind - aber sonst eigentlich niemanden, der sagt "ja, das war ein super Studium, das hat eigentlich Spaß gemacht". Also, die meisten, die ich kenne - ich persönlich kenne wirklich niemanden, der was anderes sagt - sagen halt "das war stressig. Das war einfach wirklich richtig, richtig stressig". Und ich kenne Leute, die halt nach 20 Jahren im Beruf sagen, sie träumen manchmal nachts noch vom Examen.

Diane: Die kenne ich auch, in der Tat. Die kenne ich auch. Also wirklich, die wenigsten blicken mit Freude auf ihr Studium zurück. Also das ist schon auch traurig . Und es ist wirklich, es ist ein insgesamt zusätzlicher Stressfaktor, weil ich in dem Moment, wo ich mich nicht wohlfühle, auch gar nicht so gut lernen kann.

Alisha: Du hast ja tatsächlich auch Stressmanagement als ein deiner Schwerpunkte. Kannst du da mal ein bisschen mehr zu erzählen? Also mal angefangen damit, was ist denn aus deiner Sicht Stress? Und was kann man da mit einem guten Stressmanagement vielleicht verbessern? Was ist überhaupt Stressmanagement?


Coaching im Stressmanagement

 

Diane: Also Stress ist ja ein sehr, sehr inflationäres Wort mittlerweile.

Alisha: Stimmt, Stress hat man immer, ne?

Diane: Genau, und es ist ja auch total schick, Stress zu haben auf der einen Seite. Letztendlich sehe ich Stress als das Gefühl, mit einer Herausforderung nicht zurechtzukommen, sprich eine Herausforderung nicht bewältigen zu können. In dem Moment, wo ich was machen soll, von dem ich das Gefühl habe, ich schaffe das nicht, löst das Stress aus. So praktisch, wie ich als kleiner Mann vor dem Mammut stehe und im ersten Moment denke "oh mein Gott, was soll ich denn jetzt machen? Schaffe ich nicht so". Der Körper ist da ganz schlau, der gibt uns dann nämlich ganz, ganz viel Energie, die wir nutzen können, um entweder mit dem Mammut zu kämpfen oder vor dem Mammut wegzulaufen. In dem Moment, wo wir das tun, verbrauchen wir die Energie ja auch wieder. Heutzutage, wenn wir Stress haben, sprich vom Körper diese Energie bereitgestellt bekommen, sitzen wir häufig nur weiter am Schreibtisch und haben damit einen permanenten Energieüberschuss, der dann dazu führt, dass es eventuell auch körperliche oder psychische Schäden gibt. Das ist jetzt mal so die ganz grobe Kurzfassung davon, wie der Prozess funktioniert. Letztendlich geht es dann in der Stressbewältigung darum, eben nicht so, wie man das gerne im ersten Schritt sieht, einfach nur weniger Stress zu haben. Also sprich, weniger Situationen zu haben, die einen stressen. Und Stressoren einfach auszuschalten. Da wird dann gerne auch in Kanzleien zum Beispiel gesagt "hier ist es stressig, dagegen kann man nix machen". Was man aber machen kann, ist, man kann lernen, mit diesen herausfordernden Situationen anders umzugehen. Und das ist letztendlich das, was ich unter Stressmanagement verstehe, nämlich Kompetenzen zu erwerben, die mir helfen, mit den Herausforderungen und den stressigen Situationen, denen ich ausgesetzt bin, denen ich mich auch aussetzen möchte, einfach auf eine Art und Weise umzugehen, dass sie mir eben keine Angst mehr einjagen.

Alisha: Was wäre das denn zum Beispiel? Hast du da eine konkrete Methode im Kopf? Oder wie würde so eine Situation aussehen?

Diane: Ich sag mal in dem Moment, wo ich jetzt merke, ich komme in der Arbeit nicht zurecht und habe aber Sorge, das zuzugeben oder Sorge, jetzt mit meinem zuständigen Vorgesetzten zu sprechen. Dann macht mir das natürlich Angst, weil ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll. Da hab ich natürlich dann auch mehrere Möglichkeiten. Ich kann sagen, okay, ich setz mich jetzt zu Hause immer hin und schaff mir irgendwie den fachlichen Kram drauf und irgendwann geht's dann. Das ist eine Möglichkeit letztendlich. Kann aber auch hergehen und kann mit meinem Vorgesetzten besprechen, wie wir das vielleicht gemeinsam auf die Reihe kriegen können. Wenn ich mich das aber nicht traue, habe ich halt ein Problem. Das heißt, die Basis ist natürlich auch, ich muss natürlich überhaupt erst mal wissen, wo ich hin will. Und was ich irgendwie anders haben will, was mir Stress macht.

Alisha: Also die Analyse ist quasi immer Teil. Man muss sich immer erst mal damit auseinandersetzen, was eigentlich herkommt.

Diane: Absolut. Und Reflektion ist grundsätzlich auch dauerhaft so wichtig. Einfach auch sich zum Beispiel am Ende der Woche hinzusetzen und zu sagen, okay, was war denn jetzt gut? Was ist denn gut gelaufen und wo ist es denn so gelaufen, dass ich fast Schnappatmung gekriegt habe? Und sich dann eben die Situation anzugucken und zu sagen, was hätte ich anders machen können? Hätte ich mir Unterstützung suchen können? Hätte ich mit jemandem sprechen können? Ich meine grundsätzlich unterscheidet man eben drei verschiedene Herangehensweisen an solchem Kompetenzaufbau. Zum einen, dass man natürlich schon auch gucken kann, kann ich Stressoren reduzieren, also wo es einfach wirklich um Technik geht. Wenn ich einen Kollegen habe, der die ganze Zeit so laut telefoniert, dass ich mich nicht konzentrieren kann und deshalb mit meiner Arbeit nicht zurechtkomme, kann ich mich mit dem hinsetzen und kann entweder versuchen, in ein anderes Zimmer zu kommen, wo ich Ruhe habe, oder ich kann dem sagen, okay, kannst du bitte wenigstens besonders lange Telefonate nicht hier in unserem Büro, sondern im Konferenzraum führen? Ja, also da gibt es schon Möglichkeiten, wo man sozusagen Stressoren ausschaltet, die niemandem wehtun und die auch die Arbeit am Ende, oder die Qualität der Arbeit nicht beeinflussen dann. Auch wenn ich mit Baustellenlärm, der draußen vor der Tür ist, nicht arbeiten kann, dann muss ich gucken, dass ich mich woanders hinsetze. Wenn mein Zeitmanagement nicht gut ist, kann ich mir Zeitmanagementkompetenzen aneignen. Das nennt man dann instrumentelle Stresskompetenz, da habe ich schon eine ganze Reihe von Möglichkeiten, auch das "sich fachliches aneignen", was einem fehlt, zählt dazu. Dann gibt es den Bereich der mentalen Stresskompetenz, wo es darum geht, insbesondere hinderliche Denkmuster zu hinterfragen. Also da sind wir bei solchen Glaubenssätzen, wie es muss immer alles perfekt sein, ich muss es immer allen recht machen. Daran kann man arbeiten, weil das nämlich genau der Moment ist, wo man sich selbst unter Stress setzt. Da sind es nicht mehr die anderen, sondern da bin ich's, die mich selbst stresst. Und wenn ich diese Gedanken in den Griff kriegen kann, habe ich da einfach auch einen ganz wesentlichen Stressfaktor weniger. Und der dritte Teil ist dann letztendlich das, was man so grundsätzlich als Stressmanagement irgendwie versteht, ist nämlich die regenerative Stresskompetenz, sprich, ich suche mir Ausgleich, ich entspann mich, wobei da auch Entspannung nicht immer heißen muss, Entspannungsmethoden oder ich leg mich auf die Couch und ruh mich, sondern das kann auch heißen, ich hab Spaß mit Freunden. Oder ich gehe mit dem Stand-Up-Paddle auf den See, oder ich treffe mich mit Freundinnen abends zum Tanzen oder was auch immer. Da geht es letztendlich wirklich um Dinge, die mir einen Ausgleich verschaffen. Und dann natürlich sowas wie Sport grundsätzlich auch zum Energieabbau und grundsätzlich auch eine gesunde Lebensweise, genug Schlaf. Einigermaßen gesunde Ernährung, soweit man das schafft. Und auch einfach so eine grundsätzliche Selbstfürsorge.

Alisha: Es macht total Sinn, ich könnte da noch ganz, ganz lange mit dir drüber sprechen, weil ich nehme auch total viel mit gerade, was man alles machen kann. Vielleicht hast du zum Schluss für uns noch so etwas wie einen allgemeinen Tipp, den wir alle als Juristinnen und Juristen, aber natürlich auch als Nichtjuristen umsetzen können, um insbesondere mit unserem karrierebezogenen Stress umzugehen.

Diane: Also ich glaube, eines der wichtigsten Punkte so als Basis ist, sich selber Ziele setzen. Wenn ich nicht weiß, wo ich hin will, habe ich einfach ein echtes Problem. Und wenn ich nicht weiß, wo ich hin will, kann ich auch niemand anders sagen, wo ich hin will. Das heißt, ich verbau mir damit letztendlich auch die Möglichkeit, meine Karriereentwicklung nach vorn zu treiben und mich damit auch. Zum Beispiel um dem Stressfaktor "mein Partner oder mein Vorgesetzter fördert mich nicht" ein Stück weit vorzubeugen. Ziele sind ganz, ganz wichtig an der Stelle. Und zwar sowohl privat und beruflich. Also, sag mal da, an der Stelle, bester Rat von Sheryl Sandberg, Augen auf bei der Partnerwahl. Auch das gehört dazu, ja. 

Alisha: Absolut, absolut. 

Diane: Dann eben im zweiten Schritt darüber reden. Und zwar sowohl darüber, was man gerne möchte, als auch darüber, was gerade schief läuft. Weil wenn ich nicht drüber spreche, finde ich auch keine Lösungsmöglichkeit. Und Weglaufen ist halt nicht immer die beste Lösung. Oder einfach Job wechseln. Damit verbunden eben auch eigene hinderliche Denkmuster hinterfragen. Wenn ich jemand bin, der es immer allen recht machen will und zu allem "Ja" sage, mir einen Tisch voll lade, keine Zeit mehr hab, dann ist es klar, dass mich das wahnsinnig stresst. Und je besser ich daran arbeite, je mehr ich das durch förderliche Denkmuster, wie "ich darf auch mal nein sagen" oder "ich muss auch nicht immer allen gefallen", ersetzen kann, umso mehr Möglichkeiten werde ich auch haben, umso besser kann ich auch für mich selbst sorgen. Und umso besser kann ich die Dinge vorantreiben, die wirklich wichtig sind. Als letzten wichtigen Punkt, auch wirklich als Grundlage, ist Selbstfürsorge eine hohe Priorität geben. Weil wer soll sich um mich kümmern, wenn nicht ich? Je besser es mir geht, je besser meine Leistungsfähigkeit ist und je höher meine Lebensqualität ist, umso besser kann ich auch wirklich das machen, was ich gerne machen möchte. Also umso stärker kann ich mein Potenzial ausschöpfen.


Outro

 

Alisha: Ich nehme sehr, sehr viel mit. Ich habe direkt das Bedürfnis, mir was Gesundes zu kochen, einen Smoothie zu machen, um meine Handeln auszupacken und ein bisschen Selbstfürsorge zu betreiben. Ich bedanke mich vielmals bei dir für dieses super spannende Gespräch, für die Einblicke aus psychologischer Sicht, die kleine Therapiestunde, die ganzen Tipps. War total schön, dass du da warst. Vielen Dank, Diane Manz.

Diane: Ja danke. Hat mich sehr gefreut.


Laura Hörner-author-avatar-image
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Laura Hörner
Kulturwirtschaft Uni Passau

Als freie Autorin schreibt Laura Hörner bei TalentRocket über Themen rund um die juristische Karriere. Besonders interessiert sie sich dabei für die vielfältigen Karrierewege, die Jurist:innen offenstehen.