Härting sagt über sich selbst: „Wir sind nicht ganz normal. Aber im besten Sinne.” Was macht Ihre Kanzlei so anders und vor allem besonders?
Spannende Frage! Wir legen Wert auf flache Hierarchien und offene Kommunikation. Niemand muss bei uns Scheu haben, Dinge, die ihn/sie bewegen, anzusprechen. Wir geben Raum zum Ausprobieren von Ideen - egal, ob sie von Studierenden, der Assistenz oder Partner:innen stammen. So organisieren wir regelmäßig Gremien und Ideenwettbewerbe, in denen sich Mitarbeitende direkt mit eigenen Ideen einbringen können und legen Wert auf ein gemeinsames Gestalten des Kanzleialltages.
Unsere Räumlichkeiten sind offen und Arbeitsplätze mobil gestaltet, damit Mitarbeitende möglichst gemischt miteinander sitzen. Die Partner:innen sitzen in einem Raum mit Studierenden und Associates zusammen. Am folgenden Tag dann wieder in komplett anderer Konstellation. Geschlossene Türen findet man bei uns nur bei wichtigen Meetings und Telefonaten.
Wir veranstalten gerne Events neben dem Kanzleialltag oder nach Feierabend und legen Wert darauf, auch über das Business hinaus ein gutes Verhältnis miteinander zu haben, ob beim gemeinsamen Fußballspielen, Yoga oder Kanufahren.
Wir können mit dem teilweise noch sehr angestaubten, konservativen Image des Anwaltsberufs nicht viel anfangen und versuchen durch unterschiedliche Arbeitsmodelle mit Homeoffice-Möglichkeiten und Auslandsaufenthalten sowie einem modernen, digitalen Arbeitsumfeld auch Berufseinsteiger:innen für den Beruf zu begeistern.
Bei Neueinstellungen streben wir nach einer möglichst großen Vielfältigkeit an unterschiedlichsten Persönlichkeiten. Berufsanfänger:innen sind bei uns ebenso willkommen wie Juraprofis. Dabei schauen wir auf Motivation und Engagement und weniger auf persönlichen Background.
Diese Vielfalt spiegelt sich ebenfalls in der Zusammensetzung unserer Mandant:innen wieder, ob Privatperson, junge Start-ups, innovative Unternehmen oder Konzerne von Weltrang.
Ihre Kanzlei hat – zumindest testweise – die 4-Tage-Woche eingeführt. Gab es einen konkreten Auslöser für die Einführung? Warum haben Sie sich zunächst für eine Testphase entschieden?
Das Thema 4-Tage-Woche war in unseren europäischen Nachbarländern schon etablierter; zwischen den Partner:innen unserer Kanzlei wurde das Ganze - anfangs eher beiläufig und scherzhaft gemeint – dann doch immer wieder zum Gesprächsthema. Irgendwann ließ es uns nicht mehr los. Gleichzeitig entstand bei unseren Mitarbeitenden der Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance.
Uns war klar, eine Kanzlei kann nur mit motivierten und erholten Mitarbeitenden funktionieren. Wir wollten hin zu besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf, stressfreierer Planbarkeit von Arztbesuchen, Ehrenämtern und Freizeitaktivitäten.
Ziel war es gleichzeitig, nicht abzuwarten, bis sich das Konzept auch in Deutschland etabliert, sondern selbst aktiv zu werden. Wir wollten nicht einfach auf den Zug aufspringen, sondern selbst gestalten. Das Thema kam fest auf unsere Agenda. Bevor man ein Konzept nicht in der Praxis testet, lässt sich aber nur schwer abschätzen, welche Auswirkungen die 4-Tage-Woche auf die Arbeitsabläufe einer Rechtsanwaltskanzlei hat oder ob sich der Mehrwert einstellen würde, den wir uns erhofften.
Viele Erfahrungswerte aus anderen Kanzleien gab es zu dem Zeitpunkt nicht. Deshalb stand schnell fest, dass wir das Konzept erst testen würden. In einer Abstimmung unter unseren Vollzeitmitarbeitenden sprachen sich dann auch fast 90 % für die Einführung einer Testphase aus.
Welche Herausforderungen sind Ihnen und Ihren Kolleg:innen bei der Planung der 4-Tage-Woche begegnet? Wie sieht die konkrete Umsetzung bei Härting aus?
Die größte Herausforderung in der Planung war, ein organisatorisches Chaos zu vermeiden. Daher war schnell klar, dass alle Mitarbeitenden am selben Tag frei haben würden. So herrscht auch bei Mandant:innen Klarheit darüber, wann wer wie erreichbar ist und der interne organisatorische Aufwand hält sich in Grenzen.
Zudem lag die Vermutung nahe, dass bei einer klar strukturierten 4-Tage-Woche mögliche Auswirkungen besser erfassbar wären. Um von einer längeren Erholungsphase aufgrund des Wochenendes zu profitieren, entschieden wir uns für den Freitag als zusätzlichen freien Tag. Freitags bleibt die Kanzlei zu.
Wir reduzierten in der Folge die Arbeitszeit aller Vollzeitmitarbeitenden von 40 auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich; sprich die Arbeitszeit unserer Mitarbeitenden entspricht täglich 9 Stunden von Montag bis Donnerstag zzgl. Pausenzeit.
In der Assistenz wurde ein freitäglicher Notdienst eingerichtet, damit für Notfälle die Erreichbarkeit sichergestellt sein würde und eilige Postein- und/oder -ausgänge nicht liegen bleiben. Dieser Notdienst wird durch einen zusätzlichen freien Tag in der Folgewoche ausgeglichen.