Schnittstelle von IT und Steuerverwaltung

Veröffentlicht am 10.12.2024

Die juristische Schnittstelle von IT und Steuerverwaltung

Sabrina Schön vom Bayerischen Landesamt für Steuern im Interview

Sabrina Schön arbeitet am Bayerischen Landesamt für Steuern, der Mittelbehörde der bayerischen Steuerverwaltung und dort im IT-Bereich (IuK – Information und Kommunikation). Dort ist sie in dem Referat, das für die Softwareentwicklung von ELSTER zuständig ist, als Referentin eingesetzt.
 

Frau Schön, Sie sind als Volljuristin im Informations- und Kommunikationsbereich des Landesamts für Steuern tätig. Wie sind Sie zur Steuerverwaltung gekommen? Was macht die Arbeit in Ihrem Bereich besonders?

Während des Referendariats entdeckte ich eine Vorliebe für das Steuerrecht und war zudem in einer IT-rechtlich geprägten Kanzlei nebenbei tätig. Aufgrund der Wahlstation, die ich am Finanzamt Regensburg absolvierte, entschloss ich mich endgültig, den Karriereweg bei der Finanzverwaltung zu beschreiten.

Nach dem klassischen Einstieg als Sachgebietsleitung an einem Finanzamt nach dem Einweisungsjahr orientierte ich mich in Richtung des Verfahrens ELSTER, da ich dort den IT-Bezug wieder aufnehmen konnte und trotzdem das Steuerrecht nicht aufgeben musste. 

Meine Arbeit macht besonders, dass ich keinen „klassischen“ juristischen Beruf ausübe. Meine Tätigkeit ist geprägt durch Personalverantwortung, aber auch Managementaufgaben. Spannend ist, die vielen neuen Anforderungen für ELSTER zu prüfen und zuzuordnen, dann aber den Projektteams bei Bedarf auch mit juristischem Rat zur Seite stehen zu können. Die im Jurastudium erworbenen Fähigkeiten helfen mir dabei tagtäglich, den oft unbekannten Aufgaben zu begegnen.

Sabrina Schön
Sabrina Schön

Sie sind mit zuständig für das KONSENS-Verfahren ELSTER. Können Sie das Verfahren beschreiben?

KONSENS (koordinierte neue Softwareentwicklung der Steuerverwaltung) hat das Ziel, für ganz Deutschland eine einheitliche Steuersoftware zu entwickeln. Bayern ist hier als Auftragnehmer für ELSTER zuständig.

ELSTER (elektronische Steuererklärung) stellt zum einen das Online Finanzamt „Mein ELSTER“ als Portal für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmerinnen und Unternehmer zur Verfügung, um den steuerlichen Verpflichtungen nachkommen zu können. Dabei können Steuererklärungen eingereicht werden, aber auch Anträge gestellt und Einsprüche erhoben werden. Zudem kann man seinen Steuerbescheid digital erhalten. Des Weiteren stellt ELSTER aber auch eine Schnittstelle bereit, damit Softwarehersteller sich an die Steuerverwaltung anbinden können. Wer also eine Software kauft oder eine App nutzt, um seine Steuererklärung zu erstellen, der nutzt die Infrastruktur von ELSTER.

Zudem gibt es auch eine Datenschnittstelle zu den Kommunen und zu vielen anderen Stellen, die verpflichtet sind, Daten an die Finanzverwaltungen zu schicken (z. B. Krankenversicherungen). Diese Daten stellt ELSTER dann auch wieder über die sogenannte „vorausgefüllte Steuererklärung“ den Nutzenden bereit. ELSTER speichert dabei keine Daten, sondern transportiert. Damit ist ELSTER die „Datenautobahn“ in die Finanzverwaltung aber auch wieder hinaus.     


ELSTER wird in Bayern für ganz Deutschland entwickelt. Welche Aufgaben übernimmt Ihr Referat - insbesondere die Volljurist:innen - dabei?

In meinem Referat sind wir für die Softwareentwicklung zuständig. Dabei geht es darum, Anforderungen aus KONSENS entsprechend umzusetzen. Die Fachbereiche liefern hierzu die konkreten Anforderungen. Zudem sind wir auch für den technischen Support zuständig.

Als Volljuristin stehen für mich Koordinationsaufgaben im Vordergrund. Zum einen sorgt man mit einem gleichmäßigen Personaleinsatz dafür, dass die anfallenden Arbeiten umgesetzt werden können. Zum anderen werden neu aufkommende Themen so lange begleitet, bis sie in ein Projekt gegeben werden können. Zum Teil übernimmt man auch selbst die Projektarbeit, so bin ich nun auch hauptsächlich in einem Projekt eingebunden, das die Verbesserung der Anwenderfreundlichkeit bei „Mein ELSTER" zum Gegenstand hat.

Zudem stehe ich zur Verfügung, wenn ein juristischer Blickwinkel gefragt ist, oder juristische Themen auch zur Weitergabe in Fachreferate aufgearbeitet werden müssen. Die Abgabenordnung und der Datenschutz stehen bei ELSTER im Fokus und sind immer zu beachten. Aber es kann auch zu anderen, teils kuriosen Fragestellungen z. B. in Supportfällen kommen. Geht es darum, dass ein Vertrag mit einem Dienstleister abzuschließen ist, helfe ich als Juristin bei der Ausgestaltung der Leistungsbeschreibung oder übersetze „Technikdeutsch“ in „Juristendeutsch“.

Als Referentin stelle ich zudem die Schnittstelle zu anderen Referaten und zur Leitungsebene dar und bin auch Ansprechpartnerin für das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat. Derzeit bin ich in einem großen agilen Projekt auch strategisch und koordinativ tätig und finde es sehr spannend, immer wieder Neues zu lernen. 

Insgesamt ist die Arbeit also sehr abwechslungsreich und gar nicht abschließend zu beschreiben.
 

Gibt es über das “klassische” Portal von ELSTER für Bürger:innen hinaus weitere relevante Schnittstellen für die Steuerverwaltung? 

Neben dem klassischen bekannten Portal „Mein ELSTER“ entwickeln wir auch eine Schnittstelle, über die sich die kommerziellen Softwarehersteller an ELSTER anbinden und somit Übermittlungen vollziehen können.

Zudem fungiert ELSTER auch als Identity Provider insbesondere im Rahmen des Unternehmenskontos. Das bedeutet, dass Organisationen digitale Verwaltungsleistungen von Behörden, die sich am Unternehmenskonto angebunden haben, wahrnehmen können, indem sie sich mithilfe ihres ELSTER-Zertifikats identifizieren. Auch im Rahmen der Corona Hilfen wurde eine Identifikation mithilfe von ELSTER vorgenommen. 

Spannend ist die Mitwirkung bei der strategischen Ausrichtung von ELSTER. Das gefällt mir besonders an meinem Beruf: ich lerne jeden Tag neue Dinge und übernehme gleichzeitig viel Verantwortung.
Sabrina Schön

Welche Aufgaben und Projekte erwarten Sie in Ihrer Tätigkeit und welche Strategien wenden Sie an, um sich in komplexen Sachverhalten schnell einen Überblick zu verschaffen?

Typischerweise befassen sich Juristinnen und Juristen mit der Bearbeitung juristischer Fragestellungen im Rahmen von Fallgestaltungen. Dies ist bei uns ganz anders.

Meine juristischen Fähigkeiten sind trotzdem tagtäglich gefordert. Oft müssen Entscheidungen gefällt werden und dabei ist es essentiell, sich ein Bild von der Sachlage zu verschaffen. Zudem spielen in vielen Prozessen auch juristische Fragen eine Rolle, und sei es nur, falls Datenschutzhinweise angepasst werden müssen. Typische Aufgaben sind die Unterstützung der Referatsleitung, insbesondere auch bei der Personalführung.

Unser Referat umfasst 80 Köpfe, da trägt man Verantwortung. Hinzu kommen klassische Managementaufgaben sowie die Teilnahme an bundesweiten Arbeitsgruppen.

Ich arbeite im Projekt auch mit externen Firmen zusammen. Eine Aufgabe in diesem Zusammenhang ist auch die Lenkung dieser Zusammenarbeit im Team. Spannend ist die Mitwirkung bei der strategischen Ausrichtung von ELSTER. Das gefällt mir besonders an meinem Beruf: ich lerne jeden Tag neue Dinge und übernehme gleichzeitig viel Verantwortung.   
 

Die Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung ist oft Vorurteilen - wie das des öden Schreibtischjobs - ausgesetzt. Was können Sie diesem Klischee entgegenbringen?

Wer den klassischen Schreibtischjob sucht, wird bei uns nicht fündig. Wir haben ein modernes Arbeitsumfeld und auch moderne Arbeitsbedingungen. Ich habe z. B. noch nie ein Fax genutzt. Wir sind in der IuK voll digitalisiert, was ich sehr zu meinem Vorteil einsetzen kann und was die Arbeit z. B. im Homeoffice erleichtert. An die Tools musste ich mich zwar erst gewöhnen, so arbeiten aber auch IT-Firmen.

Es macht Spaß bei einem großen Digitalisierungsvorhaben in Deutschland dabei sein zu können und es mitgestalten zu können - das ist alles andere als öde. Ich bearbeite nicht allein irgendwelche Akten, sondern arbeite im Team. Mein Arbeitsalltag ist dabei auch viel von Videokonferenzen geprägt.
 

Digitalisierung ist bekanntlich ein schnelllebiger Megatrend. Inwiefern spielen Rechtsprechung und aktuelle Gesetze für Sie in der Steuerverwaltung und für ELSTER eine Rolle?

Neue Gesetze spielen eine zentrale Rolle bei ELSTER. Die jeweiligen Änderungen müssen im Rahmen der Jahresanpassungen oder auch während eines laufenden Jahres für die jeweiligen Veranlagungszeiträume eingepflegt werden. Bestes Beispiel ist hier die Grundsteuer. Hier wurden verschiedene Grundsteuergesetze geschaffen, die dann u.a. in ELSTER umgesetzt werden mussten, damit Menschen ihre Steuererklärung abgeben können. Aktuelle Rechtsprechung hat hingegen weniger Einfluss auf die tägliche Arbeit. Aber wenn hier Grundsatzentscheidungen getroffen werden, können auch diese sich kurzfristig auf die Digitalisierung auswirken.
 

Sie haben schon Erfahrungen im IT-Recht, Medienrecht und Wettbewerbsrecht mitgebracht. Wird eine Qualifikation im IT-Bereich für Ihr Referat vorausgesetzt? 

Tatsächlich habe ich während des Referendariats in einer Kanzlei gearbeitet, die diesen Schwerpunkt hatte. Unabhängig davon ist für meine aktuelle Position keine spezifische Qualifikation im IT-Bereich vorausgesetzt. Ein Interesse für IT und technische Zusammenhänge ist sicher von Vorteil. Vielleicht macht das die Stelle aber doch wieder zur typisch juristischen Tätigkeit: Man muss offen sein, um sich in völlig fremde Themen neu einzuarbeiten. Zudem muss man damit umgehen können, nicht von vornherein Experte für jede Spezialfrage zu sein. Glücklicherweise wird das aber auch nicht erwartet. In meinem Referat stehen einem alle mit Rat und Tat zur Seite. 

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Abseits vom Schreibtisch: Was schätzen Sie an Ihrem Arbeitgeber? Welchen Stellenwert nimmt die Balance zwischen Arbeit und Privatleben ein?

Ich schätze sehr, dass ich von Anfang an Verantwortung übernehmen durfte und eigenständig arbeiten kann. Zudem bietet gerade die Finanzverwaltung sehr viele Möglichkeiten, eigenen Interessen nachgehen zu können. Zudem finde ich die Arbeitsbedingungen sehr fair. Gerade als Frau sehe ich hier den großen Vorteil der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. 

Die Work-Life-Balance ist für mich auch wichtig. Ich arbeite gerne und mache auch gerne mal Überstunden, damit etwas vorwärts geht. Dies wird durch flexible Arbeitszeiten und Home-Office-Möglichkeiten honoriert und natürlich können die Überstunden auch wieder abgebaut werden. Als Frühaufsteherin schätze ich aber auch die Möglichkeit, schon früh anfangen zu können – ich glaube, das ist dann doch wieder „beamtentypisch“.
 

Wenn Sie einen Elevator Pitch zu den Vorzügen der juristischen Arbeit in der Steuerverwaltung geben müssten – was würden Sie potenziellen Nachwuchsjurist:innen sagen?

Wenn Ihr Lust auf eine spannende Aufgabe mit täglich neuen Herausforderungen habt, Euch die Arbeit mit Menschen Spaß macht und Ihr ein Teil der Digitalisierung der Verwaltung sein wollt, dann seid Ihr bei uns genau richtig. 


Ihr Fazit?

Meine Erfahrung ist, dass alle hier zusammenhalten. Im IuK-Bereich gefallen mir gerade auch die flachen Hierarchien. Spaß machen auch die Dienstreisen. Ein Highlight war dabei z. B. unser ELSTER-Treffen, bei dem ich bundesweit viele Kolleginnen und Kollegen kennenlernen durfte und die Bedeutung des Verfahrens über die Anwendungsentwicklung hinaus erfasst habe. 


Vielen Dank, Frau Schön!