Lächelnde Frau mit langen braunen Haaren

Wie stehen Jurist:innen zum Thema Digitalisierung?

Ergebnisse unserer Talentumfrage

Die Digitalisierung durchdringt heute nahezu alle Bereiche unseres Alltags – von der Art und Weise, wie wir kommunizieren, bis hin zu unserem Arbeitsalltag hat sich dadurch einiges verändert. Auch die Rechtsbranche bleibt von diesen Veränderungen nicht unberührt. Technologien wie Künstliche Intelligenz und der digitale Rechtsverkehr eröffnen neue Möglichkeiten – zugleich stellen sie aber auch traditionelle Arbeitsmethoden auf den Prüfstand. Auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit wurde die Digitalisierung von den Jurist:innen in unserer letzten Talentumfrage als Maßnahme für ein nachhaltigeres Arbeitsumfeld am häufigsten genannt.

In unserer aktuellen Talentumfrage haben wir deshalb den Status quo beleuchtet: Wie stehen Jurist:innen zum Thema Digitalisierung und wie digital sind juristische Arbeitgeber? Im Folgenden haben wir die Insights unserer Online-Umfrage mit 75 Teilnehmer:innen aufbereitet.*

Die wichtigsten Insights im Überblick

  • Sowohl Männern als auch Frauen ist das Thema Digitalisierung im Arbeitsalltag sehr wichtig 
  • 46 % der Frauen würden für mehr Digitalisierung im Arbeitsalltag ihren aktuellen Arbeitgeber wechseln 
  • Vor allem Befragte zwischen 20 und 30 Jahren ist die Digitalisierung im Arbeitsalltag so wichtig, dass sie dafür einen Arbeitgeberwechsel in Betracht ziehen 
  • Unternehmen sind im Bereich Digitalisierung am engagiertesten
  • Großkanzleien arbeiten am häufigsten mit Künstlicher Intelligenz

Digitalisierung nach Geschlecht

Die Digitalisierung beeinflusst die Rechtsbranche in vielfältiger Weise und kann sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich bringen. Ein interessanter Aspekt ist deshalb, wie sich die Digitalisierung in der Rechtsbranche je nach Geschlecht unterscheidet – wie wichtig ist den Geschlechtern die Digitalisierung? Wir haben die Antwort:

Wie wichtig ist dir das Thema Digitalisierung im Arbeitsumfeld?

  • Weiblichen Befragten ist das Thema Digitalisierung mit einem durchschnittlichen Wert von 8,8 auf einer Skala von 0 (überhaupt nicht wichtig) bis 10 (sehr wichtig) sehr wichtig
  • Mit einem durchschnittlichen Wert von 8,6 ist männlichen Befragten die Digitalisierung im Arbeitsumfeld auch sehr wichtig
  • Insgesamt ist das Thema Digitalisierung für Frauen etwas wichtiger (0,2 Prozentpunkte) als für Männer, auch wenn der Unterschied hier nur sehr gering ist

Es wird deutlich: Für beide Geschlechter ist das Thema Digialisierung sehr relevant. So relevant, dass sie dafür auch einen Jobwechsel in Erwägung ziehen?

Würdest du für ein digitaleres Arbeitsumfeld den Arbeitgeber wechseln?

  • Fast die Hälfte der weiblichen Befragten (46 %) würden für ein digitales Arbeitsumfeld einen Arbeitgeberwechsel in Betracht ziehen 
  • Bei den männlichen Befragten sieht es anders aus: Für 61 % würde ein Jobwechsel für mehr Digitalisierung nicht in Frage kommen

Dass Frauen mehr Wert auf ein digitales Arbeitsumfeld legen, wird bei einem potentiellen Jobwechsel noch deutlicher als in der vorherigen Frage. Dennoch sollte die Bedeutsamkeit der Digitalisierung beider Geschlechter von den Arbeitgebern nicht vernachlässigt werden: Sowohl bei den Männern auch als bei den Frauen würden mehr als ein Drittel der Befragten alleine aufgrund eines digitaleren Arbeitsumfeldes den Arbeitgeber wechseln.

Sowohl bei den Männern auch als bei den Frauen würden mehr als ein Drittel der Befragten alleine aufgrund eines digitaleren Arbeitsumfeldes den Arbeitgeber wechseln

Digitalisierung nach Alter und Position

Es ist keine Überraschung, dass jüngere Generationen mit einem digitalen Umfeld oftmals vertrauter sind als ältere Altersgruppen – auch der Umgang mit einem digitalen Arbeitsumfeld kann in unterschiedlichen Altersgruppen variieren. Die Auswertung unserer Online-Umfrage zeigt, inwiefern das Alter der Befragten ihre Wahrnehmung der Wichtigkeit der Digitalisierung beeinflusst. 

Wie wichtig ist dir das Thema Digitalisierung im Arbeitsumfeld?

  • Den Befragten zwischen 20 und 30 Jahren ist das Thema Digitalisierung mit einem durchschnittlichen Wert von 8,4 auf einer Skala von 0 bis 10 sehr wichtig
  • Mit einem durchschnittlichen Wert von 9,1 ist den Befragten zwischen 31 und 40 Jahren ein digitales Arbeitsumfeld am wichtigsten 
  • Die Befragten über 40 Jahren liegen an zweiter Stelle: Mit einem Wert von 8,9 ist ihnen die Digitalisierung auch sehr wichtig

Auffällig ist, dass die Digitalisierung im Arbeitsumfeld der jüngsten Generation am wenigsten wichtig zu sein scheint – das könnte daran liegen, dass sie bereits im jungen Alter damit in Berührung gekommen sind und als “Digital Natives” mit den neuen Technologien aufgewachsen sind. Die Digitalisierung ist dadurch sowohl alltäglicher als auch selbstverständlicher, weshalb Personen zwischen 20 und 30 Jahren andere Bereiche als noch wichtiger empfinden. Dass das Thema für die jüngste Generation ebenfalls eine sehr wichtige Rolle spielt, zeigt die nächste Frage: 

Würdest du für ein digitaleres Arbeitsumfeld den Arbeitgeber wechseln?

  • 49 % der Befragten zwischen 20 und 30 Jahren würden für ein digitaleres Arbeitsumfeld ihren Arbeitgeber wechseln 
  • Am wenigsten sind es bei den Befragten zwischen 31 und 40 Jahren: Nur etwas mehr als ein Drittel (35 %) würde ein Arbeitgeberwechsel für mehr Digitalisierung in Frage kommen
  • Bei den über 40-Jährigen sieht es ähnlich aus: 38 % der Befragten würden ihrem aktuellen Arbeitgeber für ein digitaleres Arbeitsumfeld den Rücken kehren

Wenn es zum Arbeitgeberwechsel kommt, wird die Relevanz der Digitalisierung für jüngere Altersgruppen deutlich: Fast die Hälfte der Befragten zwischen 20 und 30 Jahren sind für ein digitaleres Arbeitsumfeld dazu bereit, ihren Arbeitgeber zu wechseln. Damit schaffen sie es – mit 11 % Vorsprung – auf den 1. Platz. Spiegelt sich diese Bereitschaft auch in den jeweiligen Positionen wider?

Würdest du für ein digitaleres Arbeitsumfeld den Arbeitgeber wechseln?

  • 61 % der befragten wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen würden für mehr Digitalisierung im Arbeitsalltag ihren Arbeitgeber wechseln 
  • Auch über die Hälfte (57 %) der Referendar:innen wären für ein digitaleres Arbeitsumfeld bereit, ihrem Arbeitgeber den Rücken zu kehren 
  • Nur knapp ein Drittel der Rechtsanwält:innen würden für mehr Digitalisierung ihre aktuelle Stelle kündigen

Auch in dieser Auswertung wird der Zusammenhang zwischen Alter und dem Wert, der auf die Digitalisierung gelegt wird, deutlich: Vor allem Positionen, die am Anfang einer juristischen Karriere stehen, ziehen einen Wechsel für einen digitaleren Arbeitsalltag in Betracht. Sehen wir uns nun an, welche Arbeitgeber in Sachen Digitalisierung vorne liegen.

Mit einem durchschnittlichen Wert von 9,1 ist den Befragte zwischen 31 und 40 Jahren ein digitales Arbeitsumfeld am wichtigsten

Digitalisierung der Arbeitgeber

Vor allem Arbeitgeber in der Rechtsbranche werden aufgrund der Digitalisierung vor eine Vielzahl neuer Herausforderungen gestellt: Kanzleien müssen sich nicht nur mit der Implementierung neuer Technologien, sondern auch mit den veränderten Erwartungen ihrer Mitarbeiter:innen und Mandant:innen auseinandersetzen. Wie engagiert sind die Arbeitgebertypen in der Rechtsbranche? Wir haben die Antwort:

Wie engagiert ist dein Arbeitgeber im Bereich Digitalisierung?

  • Unternehmen sind mit einem durchschnittlichen Wert von 8,3 auf einer Skala von 0 (überhaupt nicht engagiert) bis 10 (sehr engagiert) im Bereich Digitalisierung am engagiertesten
  • Boutique Kanzleien (7,9), Großkanzleien (7,5) und mittelständische Kanzleien (7,2) sind ebenfalls sehr engagiert, können mit den Unternehmen dennoch nicht mithalten
  • Der öffentliche Dienst bildet das Schlusslicht: Mit einem Wert von 6,1 sind sie im Vergleich zu den anderen Arbeitgebertypen nur mittelmäßig engagiert

Dass Unternehmen im Bereich Digitalisierung am engagiertesten sind, ist keine Überraschung: Der elektronische Rechtsverkehr ist erst seit Januar 2022 verpflichtend – nach acht Jahren Vorlaufzeit. Rechtsabteilungen in Unternehmen sind unter Umständen schon länger in die digitalen Unternehmensstrukturen eingebunden und schaffen es dementsprechend auf Platz 1. Um einen detaillierten Einblick in die Digitalisierung zu gewähren, haben wir in unserer Online-Umfrage gezielt nach digitalisierten Arbeitsprozessen gefragt:

Welche Prozesse sind in deinem Arbeitsalltag digitalisiert?

  • Mit 79 % ist die Zeit- und Leistungserfassung auf dem ersten Platz: Dieser Prozess ist bei den meisten Arbeitgebern digitalisiert
  • Interne Buchhaltung (68 %), Fallbearbeitungen (66 %) und (vor)prozessualer Schriftverkehr (60 %) schaffen es auf die Plätze 2 bis 4 
  • Kontaktaufnahmen und Rechnungsstellungen bilden das Schlusslicht: Mit 57 % und 55 % setzen hier die wenigsten Arbeitgeber auf einen digitalen Prozess

Die am häufigsten digitalisierten Vorgänge sind interne Prozesse (Platz 1 und 2) – sobald es zum Mandant:innenkontakt kommt (Platz 5 und 6), nimmt die Digitalisierung ab. Sehen wir uns nun an, welcher Arbeitgebertyp die meisten Prozesse digitalisiert hat:

🥇 Unternehmen (⌀ 82 %)
🥈 Boutique Kanzlei (⌀ 71 %)
🥉 Mittelständische Kanzlei (⌀ 67 %)

Mit einem durchschnittlichen Wert von 82 % und 71 % bleiben auch hier die Unternehmen und Boutique Kanzleien auf dem ersten Platz. Auf den dritten Platz schaffen es die mittelständischen Kanzleien: Mit 67 % liegen sie knapp vor den Großkanzleien, welche es nicht auf das Treppchen schaffen. Macht sich diese Platzierung auch im Bereich der künstlichen Intelligenz bemerkbar? 

Wird in deinem Arbeitsalltag bereits mit Künstlicher Intelligenz gearbeitet?

  • In 68 % der Großkanzleien wir bereits mindestens gelegentlich mit Künstlicher Intelligenz gearbeitet
  • Bei den Unternehmen sind es etwas weniger: Hier nutzen 54 % mindestens gelegentlich Künstliche Intelligenz im Arbeitsalltag
  • Die mittelständischen und Boutique Kanzleien bilden mit dem öffentlichen Dienst das Schlusslicht: Hier wird nur bei maximal 25 % der Arbeitgeber regelmäßig auf die Künstliche Intelligenz gesetzt 

Auch in Sachen Künstlicher Intelligenz liegen die Unternehmen weit vorne, wurden von den Großkanzleien jedoch vom ersten Platz abgelöst. Werfen wir nun einen Blick auf die Bereiche, in welchen bereits mit Künstlicher Intelligenz gearbeitet wird:

In welchen Bereichen wird mit Künstlicher Intelligenz gearbeitet?

Im direkten Vergleich mit den digitalisierten Prozessen im Arbeitsalltag fällt die Nutzung von Künstlicher Intelligenz mit einem maximalen Wert von 26 % bei der Formulierungshilfe, beispielsweise bei Klagen, deutlich geringer aus. Dennoch wollen wir uns auch hier ansehen, welcher Arbeitgebertyp im Durchschnitt in den genannten Bereichen am häufigsten mit Künstlicher Intelligenz arbeitet:

🥇Großkanzlei (⌀ 29 %)
🥈 Unternehmen (⌀ 24 %)
🥉 Boutique Kanzlei (⌀ 11 %)

Mit einem durchschnittlichen Wert von 29 % schaffen es die Großkanzleien auf Platz 1: Hier wird vergleichsweise in den meisten Bereichen mit einer künstlichen Intelligenz gearbeitet. Auf dem zweiten Platz, mit nur 5 % weniger, schaffen es die Unternehmen (24 %). Mit einem durchschnittlichen Wert von nur 11 % schaffen es die Boutique Kanzleien auf den dritten Platz. Auch hier wird noch einmal deutlich, dass die Arbeitgeber bei diesem Thema eher noch zurückhaltend sind. Lassen wir nun die Jurist:innen zu Wort kommen: Welche weiteren Maßnahmen sollten im Bereich Digitalisierung integriert werden? Das Ergebnis findest du im nächsten Kapitel.

Unternehmen sind mit einem durchschnittlichen Wert von 8,3 (...) im Bereich Digitalisierung am engagiertesten

Weitere Maßnahmen im Arbeitsalltag

Inwiefern Prozesse und Bereiche bereits digitalisiert sind und wo schon mit Künstlicher Intelligenz gearbeitet wird, haben wir im vorherigen Abschnitt erfahren. Darüber hinaus haben wir die Teilnehmer:innen unserer Online-Umfrage gefragt, welche weiteren Maßnahmen zur Digitalisierung im Arbeitsalltag unternommen werden könnten. Die Ergebnisse findest du in der folgenden Grafik:

Welche weiteren Maßnahmen zur Digitalisierung könnten deiner Meinung nach im Arbeitsalltag unternommen werden?

  • Künstliche Intelligenz wurde mit einem Wert von 13 % von den Befragten am häufigsten genannt 
  • Auch digitalisierte Akten (8 %) sind für die Teilnehmer:innen eine Maßnahme, die im Arbeitsalltag helfen könnten 
  • Für eine bessere Organisation des Arbeitsalltags könnten fortschrittlichere IT-Programme (4 %), eine Option auf mehr Home Office (3 %) und eine bessere digitale Ausstattung (1 %) sorgen

Hier wird vor allem eines deutlich: Der Wunsch nach einem digitaleren Arbeitsalltag mit Künstlicher Intelligenz. Dies ist ein Zeichen für Arbeitgeber, im Umgang mit KI & neuen Technologien noch mutiger zu werden, um dem Interesse der Mitarbeitenden begegnen zu können.

Arbeitgeber können sich (..) trauen, mehr auf die Hilfe von KI und Co. zu setzen

Fazit & Ausblick

Die Digitalisierung ist auch in der Rechtsbranche angekommen und beeinflusst den Arbeitsalltag von Jurist:innen maßgeblich – unsere Talentumfrage zeigt, dass die Digitalisierung für viele Talente, unabhängig von Geschlecht, Alter und Position, eine entscheidende Rolle spielt und somit auch ein wichtiger Faktor für die Attraktivität eines Arbeitgebers ist. Vor allem jüngere Jurist:innen und wissenschaftliche Mitarbeiter:innen sind bereit, ihren Arbeitgeber nur für ein digitaleres Arbeitsumfeld zu wechseln, was die Bedeutsamkeit der Digitalisierung nochmal verdeutlicht. In Sachen Digitalisierung sind Unternehmen und Boutique Kanzleien führend, während der öffentliche Dienst das Schlusslicht bildet. Für Jurist:innen ist vor allem die Arbeit mit Künstlicher Intelligenz ein Faktor, der im Arbeitsalltag weiter ausgebaut werden sollte. 

Insgesamt zeigt sich, dass eine fortschreitende Digitalisierung nicht nur den Arbeitsalltag effizienter gestalten kann, sondern auch ein entscheidender Faktor für die Mitarbeiterzufriedenheit und vor allem -bindung ist. Arbeitgeber in der Rechtsbranche sollten sich daher bewusst machen, dass es sich lohnt, in digitale Technologien zu investieren und mit neuen Entwicklungen Schritt zu halten – vor allem, um den Erwartungen ihrer Mitarbeiter:innen gerecht zu werden und auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben.


* Infos zur Stichprobe

Im Juli 2024 wurde eine anonyme Online-Umfrage mit 75 Talenten durchgeführt (Geschlechterverteilung: 52 % weiblich, 48 % männlich; Verteilung auf Arbeitgebertypen: 29 % Großkanzlei, 23 % Boutique Kanzlei, 23 % Mittelständische Kanzlei, 15 % Unternehmen, 11 % Öffentlicher Dienst).