7 tipps zur Gründung der eigenen Kanzlei als Rechtsanwalt

Eigene Kanzlei gründen | Als Anwält:in in die Selbstständigkeit

In 7 Schritten zur Selbstständigkeit als Jurist

Die Gründung einer eigenen Kanzlei bringt neben den Vorteilen der Selbständigkeit viele Hürden mit sich, auf die Jurist:innen im Jurastudium kaum vorbereitet werden. Wie du als Anwält:in unternehmerisch tätig wirst und welche Schritte du bei deiner Kanzleigründung beachten solltest, verraten wir dir im Folgenden.  

 

1. Schritt: Die Zulassung als Anwalt

Das erfolgreiche Ablegen der Zweiten Juristischen Prüfung ist die Grundvoraussetzung, um als Rechtsanwältin bzw. Rechtsanwalt tätig werden zu können, doch es ist nur der erste Schritt. Nachdem du diese Hürde genommen hast, ist der nächste wichtige Schritt die Beantragung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Diese Zulassung ist notwendig, um rechtlich als Anwalt agieren zu dürfen. Der Antrag auf Zulassung wird bei der für deinen Gerichtsbezirk zuständigen Rechtsanwaltskammer eingereicht, die in der Regel am Sitz des Oberlandesgerichts (OLG) angesiedelt ist. Die relevanten rechtlichen Grundlagen für die Zulassungsverfahren finden sich in den §§ 6 ff. der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Dort sind die Voraussetzungen wie z.B. die persönliche Eignung, das Nichtvorliegen von schwerwiegenden strafrechtlichen Verurteilungen und der Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung detailliert geregelt. Die Rechtsanwaltskammer prüft deinen Antrag und entscheidet, ob du die beruflichen Pflichten eines Rechtsanwalts zuverlässig erfüllen wirst. Nach positiver Entscheidung und der Aushändigung einer entsprechenden Zulassungsurkunde bist du berechtigt, die Berufsbezeichnung „Rechtsanwältin“ bzw. „Rechtsanwalt“ zu führen und eine Kanzlei zu eröffnen oder dich einer bestehenden anzuschließen. Es ist auch ratsam, sich bereits vor der Zulassung mit den berufsrechtlichen Pflichten vertraut zu machen, die mit der Tätigkeit als Anwalt verbunden sind, um von Anfang an eine hohe professionelle Standards zu gewährleisten.

2. Schritt: Notwendige Vorüberlegungen

Möchtest du als selbständige:r Anwält:in tätig sein, solltest du dir zunächst über einige Punkte auf der Makroebene zur Entwicklung des anwaltlichen Geschäftsmodells Gedanken machen. Dazu gehören unter anderem folgende Fragen:

  • Soll die Kanzlei alleinig oder mit anderen gegründet werden?
  • Welche Rechtsform soll sie haben?
  • Welche Rechtsgebiete/Fachbereiche sollen abgedeckt werden?
  • Wo erscheint die Gründung am sinnvollsten (beispielsweise Stadt oder Dorf etc.)?

Darüber hinaus müssen auch Vorüberlegungen auf unternehmerischer Ebene erfolgen: Du solltest konkrete Strategien und Ziele erarbeiten, insbesondere mit Blick auf die Unternehmensplanung (Finanzen, Liquidität und Investition), Mandantenakquisition, Personalverwaltung, Office Management sowie Rechnungswesen.

Vorüberlegungen im mandantenorientierten Bereich sind ebenso sinnvoll, etwa zur geplanten Bibliothek oder Datenbank sowie zur Durchführung des Datenschutzes.
 

3. Schritt: Die Umsetzung des Geschäftsmodells

Die Umsetzung des Geschäftsmodells beginnt mit der Anmeldung deiner freiberuflichen Tätigkeit beim Finanzamt. Zu diesem Zeitpunkt, solltest du auch bereits über alle notwendigen Sachmittel verfügen. Dazu gehören etwa der Raum, in dem du arbeiten wirst, Arbeitsgeräte und IT-Ausstattung, Büromaterial und gegebenenfalls ein Kraftfahrzeug. Zudem müssen auch einige Dinge beachtet werden, die mit der anwaltschaftlichen Tätigkeit erstmal überhaupt nichts zu tun haben, wie z.B. Sicherheitsvorkehrungen innerhalb der Büroräume in Form einer Erste Hilfe Ausrüstung.

In dieser Phase kannst du zudem schon darüber nachdenken, Personal einzustellen, sei es in Form eines Sekretariats oder einer Assistenz. Das Sekretariat befindet sich im Vergleich zu Assistenz auf einer stark ausgeprägten Hierarchieebene. Es arbeitet lediglich an übertragenen Aufgaben, während die Assistenz innerhalb bestimmter Gebiete selbstständig arbeitet. Sicherlich kannst du am besten beurteilen, welche Form der Unterstützung in dein Kanzleikonzept passt.

Wichtig sind natürlich außerdem auch Themen rund um die Vermarktung deiner Kanzlei; so auch deine sogenannte Corporate Identity. Deine Firmenfarben sowie dein Firmenschriftbild sollten stets einheitlich sein, insbesondere auf deiner Website, Briefbögen, Visitenkarten und Firmenschild.

4. Schritt: Die Mandantenakquisition

Es geht ans Eingemachte: Die Mandantenakquisition. Diese erfolgt oftmals durch ein geschicktes Marketing, welches wiederum ein gut durchdachtes Geschäftsmodell voraussetzt. Die Marketingmaßnahmen sind allerdings beschränkt: Rechtliche Grenzen ergeben sich zum einen aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), aber auch aus dem Berufsrecht (Sachlichkeit, Werbung um einzelne Mandate). Bevor du mit deinem Marketing loslegst, solltest du demnach genau prüfen, was im Rahmen des Möglichen liegt.

Nach dem UWG ist insbesondere aggressive Werbung verboten. Dazu zählt beispielsweise die direkte telefonische Kontaktaufnahme mit potenziellen Mandanten ohne vorherige Zustimmung (Cold Calling), da dies als belästigende Werbung angesehen werden kann. Auch irreführende Werbeaussagen, die beispielsweise besondere Erfolgsquoten suggerieren, sind nicht zulässig.

Aus dem Berufsrecht ergeben sich spezielle Beschränkungen für Rechtsanwälte, die das Werben um einzelne Mandate, also die gezielte Ansprache einzelner Personen mit dem Angebot der Übernahme eines bestimmten Mandats, untersagen. Dies schließt unangemessene persönliche Werbeformen, wie das Verteilen von Visitenkarten in Gerichtssälen oder das gezielte Anschreiben von Unfallbeteiligten (sogenanntes Anwaltliches Direktmarketing) aus. Solche Praktiken könnten die gebotene Sachlichkeit und Seriosität der Berufsausübung untergraben und das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Anwaltschaft beschädigen.

Erlaubt sind hingegen natürlich ein Internetauftritt, Unternehmensbroschüren, Vorträge, Veröffentlichungen und Mandantenveranstaltungen sowie das allgemeine Netzwerken.

Darüber hinaus sind mögliche Mandantenerwartungen Teil des Marketings. Diese Erwartungen variieren je nach der Mandantenzielgruppe. Zu den wichtigsten Mandantenerwartungen gehören etwa professionelle Abläufe mitsamt fristgerechter und sachgerechter Bearbeitung sowie Konfliktlösung, Erfolg in der Sache, transparente Honorargestaltung, verständliche Sprache sowie ein guter Service, also freundlicher Umgang, Zuverlässigkeit, Erreichbarkeit und Schnelligkeit in der Bearbeitung.

Im Übrigen sind auch die Öffnungszeiten sowie die Möglichkeiten von Hausbesuchen an den jeweiligen Erwartungen der Mandanten auszurichten. Darüber hinaus ist Mundpropaganda oftmals das beste Marketing. Wer den Mandantenerwartungen gerecht wird, wird in aller Regel mit entsprechender Werbung der eigenen Mandanten entlohnt.

Im Allgemeinen gilt also folgender Grundsatz: „Das schönste Marketing nützt nichts, wenn die Mandantenerwartungen enttäuscht werden.“

 

5. Schritt: Umsatz und Gewinn

Der Gewinn deiner Anwaltskanzlei hängt maßgeblich von deinem erzielten Umsatz ab – und der Umsatz hängt wiederum von Anzahl und der Zahlungskraft der Mandanten ab. Es ist deshalb nicht unüblich, dass der für den Gewinn erforderliche Umsatz in der Regel erst nach einiger Anlaufzeit erreicht wird. Bei der Finanzierung deines Unternehmens solltest du deshalb beachten, dass du dir in den ersten Monaten voraussichtlich kein Gehalt auszahlen kannst und du diese Übergangszeit ebenso finanzieren musst – unter Umständen setzt dies also eine erhöhte Kreditwürdigkeit voraus.
 

6. Schritt: Buchführung und Rechnungswesen

Rechtliche Vorgaben zur Buchführung und dem Rechnungswesen ergeben sich neben dem Handelsgesetzbuch (HGB) auch aus den Steuergesetzen sowie dem Berufsrecht. Diese Vorschriften zielen darauf ab, eine ordnungsgemäße und transparente finanzielle Dokumentation und Berichterstattung zu gewährleisten.

Als selbstständige:r Jurist:in sind verschiedene steuerrechtliche Pflichten zu beachten. Umsatzsteuerrechtliche Pflichten umfassen beispielsweise die monatliche Umsatzsteuermeldung, die bei der sog. Ist-Versteuerung erfolgt, bei der die Steuer nach den tatsächlichen Einnahmen berechnet wird. Im Bereich der Einkommensteuer sind jährliche Einkommensteuererklärungen sowie quartalsmäßige Vorauszahlungen erforderlich. Des Weiteren sind monatliche Lohnsteuerabzüge und entsprechende Meldungen für angestellte Mitarbeiter vorzunehmen.

Es ist auch wichtig, die GoBD (Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Dokumenten in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff) zu beachten, die detaillierte Anforderungen an die elektronische Buchführung und Datenhaltung stellen. Die Einhaltung dieser Grundsätze ist essentiell, um bei steuerlichen Außenprüfungen keine Probleme zu riskieren.

Für die effektive Verwaltung der Buchführung kann die Einstellung eines qualifizierten Steuerberaters oder die Nutzung spezialisierter Buchhaltungssoftware ratsam sein. Diese können nicht nur bei der Einhaltung aller relevanten gesetzlichen Anforderungen helfen, sondern auch bei der Optimierung der Steuerlast und der finanziellen Planung der Kanzlei.

Schließlich sollte die Implementierung eines internen Kontrollsystems (IKS) in Erwägung gezogen werden, das hilft, finanzielle Risiken zu minimieren, die Effizienz der betrieblichen Abläufe zu steigern und die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften sicherzustellen. Ein solches System kann auch die Grundlage für eine nachhaltige Skalierung der Kanzlei bilden.

Die Akquisition von Mandanten erfolgt oftmals durch ein geschicktes Marketing, welches wiederum ein gut durchdachtes Geschäftsmodell voraussetzt.

7. Schritt: Beachtung der beruflichen Pflichten

Als Rechtsanwält:in bist du durch die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und die Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) an eine Vielzahl beruflicher Pflichten gebunden. Dazu zählen insbesondere die Verschwiegenheit, Gewissenhaftigkeit und Unabhängigkeit. Diese Grundsätze sichern die Integrität des Berufsstands und gewährleisten das Vertrauen der Mandanten. Das strikte Verbot der widerstreitenden Interessen, festgehalten in § 43a Abs. 4 BRAO, dient dazu, Konflikte zu vermeiden und die unparteiische Beratung und Vertretung der Mandanten sicherzustellen.

Die Behandlung fremder Gelder ist durch die BORA geregelt, die eine strikte Trennung der Vermögenswerte der Mandanten von den eigenen Vermögenswerten vorschreibt. Dies erfolgt typischerweise durch die Einrichtung und sorgfältige Führung eines Anderkontos. Ein Verstoß gegen diese Regelungen kann ernsthafte berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Die BRAO schreibt zudem vor, dass jede:r selbständige Rechtsanwält:in eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen muss. Diese Versicherung deckt Schäden ab, die im Rahmen der beruflichen Tätigkeit entstehen könnten. Die Mindestversicherungssumme beträgt laut § 51 BRAO 250.000 Euro pro Versicherungsfall und insgesamt 1 Million Euro für alle Schadensfälle eines Versicherungsjahres. Diese Beträge bieten eine Grundabsicherung, können jedoch für spezialisierte oder risikoreichere Tätigkeitsbereiche als unzureichend betrachtet werden, weshalb in solchen Fällen eine Erhöhung der Deckungssumme empfohlen wird.

Wie oben schon erwähnt, ist bei der Gründung einer eigenen Kanzlei weiterhin die Wahl der Kanzleiform von Bedeutung. Während Einzelkanzleien größtmögliche Flexibilität und Kontrolle bieten, ermöglichen Sozietäten oder Partnerschaftsgesellschaften eine Aufteilung der Verantwortlichkeiten und können eine breitere fachliche Abdeckung bieten. Zudem ist eine sorgfältige Standortwahl entscheidend, um die Zielgruppe effektiv zu erreichen und die Kanzlei erfolgreich zu etablieren.

Die Fähigkeit, auch unternehmerische Aspekte wie die Kanzleiführung und betriebswirtschaftliche Prozesse zu managen, ist ebenfalls entscheidend. Hierzu zählen unter anderem effiziente Buchführung und die sorgfältige Rechnungsstellung. Um langfristig erfolgreich zu sein, ist es unabdingbar, sich kontinuierlich fachlich weiterzubilden und die eigenen unternehmerischen Fähigkeiten zu schärfen.

 

Die Entscheidung, eine eigene Kanzlei zu gründen und den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, ist eine Herausforderung, die gründliche Planung und Vorbereitung erfordert. Obwohl der in diesem Artikel bereitgestellte Überblick nicht alle Details und erforderlichen Schritte vollständig erfassen kann, soll er eine solide Grundlage für den Start bieten. Er gibt einen ersten Eindruck von den wichtigsten rechtlichen, beruflichen und unternehmerischen Anforderungen, die du als zukünftige:r Kanzleiinhaber:in beachten musst. Es ist wichtig, dass du dich kontinuierlich weiterbildest, dich gut beraten lässt und alle notwendigen Informationen sorgfältig prüfst, um deine Kanzlei erfolgreich zu gründen und zu führen. Mit der richtigen Vorbereitung und einem klaren Verständnis der beruflichen Verpflichtungen und Herausforderungen kannst du die Basis für eine erfolgreiche und erfüllende Karriere in der Rechtsberatung legen.