Erfahrungsbericht: Mein Rechtsreferendariat im Ausland - Hong Kong - Karriere-Magazin TalentRocket

Verfasst von Sebastian M. Klingenberg

Erfahrungsbericht: Mein Rechtsreferendariat im Ausland

Juristin Christine N. über die Erfahrungen ihrer Verwaltungsstation in Hong Kong

Zur Interviewpartnerin: Christine N. hat an der Universität zu Köln Rechtswissenschaft studiert. Ihr Referendariat absolvierte sie am LG Bonn als Stammdienststelle, ihre Verwaltungsstation verbrachte sie dann im Ausland bei dem Auswärtigen Amt in Hong Kong.
 

Welche Beweggründe hattest du für eine Referendariatsstelle im Ausland?

Ich wollte gerne ins Ausland. Ich mag andere Sprachen und Kulturen. Hong Kong war aufgrund der hohen Lebenserhaltungskosten aber nicht meine erste Wahl. Bei der Bewerbung beim Auswärtigen Amt durfte man jedoch lediglich Wünsche äußern. Ich wäre am liebsten nach Australien. Letztlich wurde mir jedoch Hong Kong zugeteilt. Im Endeffekt war ich mit dem Ziel aber doch sehr zufrieden.

Wie ist es, seine Wahlstation in New York zu verbringen?

Mit welchen Erwartungen bist du nach Hong Kong gereist?

Ich habe gehofft, dass ich viele Aufgaben zur Bearbeitung von Visumsanträgen bekommen werde. Ansonsten hatte ich zu meinem juristischen Tätigkeitsfeld keine großen Erwartungen und habe mich überraschen lassen.

Ich habe außerdem damit gerechnet, dass ich mich im großen Hong Kong gut zurechtfinden werde. Auch hinsichtlich Sprachbarrieren hatte ich keine Angst, da Englisch die zweite Amtssprache ist.
 

Inwieweit haben sich diese Erwartungen bestätigt?

Meine Erwartungen hinsichtlich der Stadt an sich wurden weit übertroffen. Hong Kong ist wesentlich größer als erwartet, wobei das Zentrum selbst nicht so groß ist. Überall sind Hochhäuser und in jedem Hochhaus, das nicht Wohnhaus ist, befindet sich ein großes Shopping Center, in denen es nahezu alles zu kaufen gibt: Prada, Gucci, Chanel und vieles mehr. Allerdings ist die Luftverschmutzung in Hong Kong extremer als gedacht, aber nicht so krass wie in Peking.

Meine Erwartungen hinsichtlich der juristischen Ausbildungsstelle konnten sich hingegen nicht so sehr bestätigen. Ich habe leider nicht so viele Aufgaben zugewiesen bekommen, wie erhofft. Außerdem handelte es sich meistens um bloße Recherche-Aufgaben. Mit Visaanträgen habe ich mich nahezu gar nicht beschäftigen dürfen. Das lag aber insbesondere daran, dass man keine Touristen-Visa bei Reisen von Hong Kong nach Deutschland braucht.

Dafür durfte ich jedoch an einigen Veranstaltungen teilnehmen. Ich war zum Beispiel bei zwei Empfängen. Zu dem einen Empfang wurde sogar das Gürzenich-Orchester aus Köln eingeladen, da dieses gerade vor Ort war. Ich wurde außerdem zu einem Reitturnier als Vertreterin des Konsulats entsandt, wo ich Ludger Beerbaum, den deutschen Springmeister, kennengelernt habe und interviewen durfte. Das waren auf jeden Fall unglaublich schöne Erfahrungen.

Was hat dir weniger an diesem Job gefallen?

Ich fand es etwas enttäuschend, dass ich so wenige Aufgaben bekommen habe. Die Arbeit an sich hat mir zwar Spaß gemacht, aber wirklich erfüllt hat sie mich nicht.
 

Wenn du mit dem heutigen Wissen nochmals vor der Entscheidung stehen könntest: Würdest du dich dann wieder für einen Auslandsaufenthalt während des Refs entscheiden? Und wieso?

Auf jeden Fall, denn es ist eine großartige Möglichkeit. Ich finde Auslandserfahrung sehr wichtig. Sie ist nicht nur für die eigene persönliche Entwicklung wichtig, sondern auch für die juristische, da man komplett neue Denkweisen kennenlernt.
 

Wo siehst du Vorteile, aber auch Nachteile gegenüber einer entsprechenden Stelle in Deutschland?

Der große Vorteil ist – wie eben beschrieben – die Auslandserfahrung an sich. Allerdings habe ich mich nie mit der typischen Verwaltungsarbeit auseinandersetzen können, etwa Bescheide schreiben. Arbeitsgemeinschaften gab es natürlich auch keine in Hong Kong.

Man muss sich außerdem im Klaren sein, dass eine Referendariatsstelle im Ausland regelmäßig mit weniger Zeit zum Lernen einhergeht. Man hat eine Vollzeitstelle in einem fremden Land, d.h. tagsüber wird gearbeitet, abends wird die Stadt bzw. das Land erkundet und an Wochenenden werden Tagesausflüge gemacht. In Deutschland läuft das in aller Regel anders, da kann man sich besser zum Lernen überwinden – aber so etwas muss jeder für sich selbst wissen.

Man muss sich außerdem im Klaren sein, dass eine Referendariatsstelle im Ausland regelmäßig mit weniger Zeit zum Lernen einhergeht.
Christine N.

Was hast du außer Hong Kong noch gesehen?

In NRW kann man einmal die Woche einen Studientag nehmen. Ich hatte das Glück, dass ich meine Studientage auch gebündelt nehmen konnte, um so ein verlängertes Wochenende daraus zu machen. Dies ermöglichte mir fünf Tage Peking. Außerdem war ich für zwei Wochen im Urlaub in Thailand.

Wie ich aber gehört habe, handhabt es jede Stelle anders mit den Studientagen. Es ist wohl so, dass einige Stellen keine Studientage an Montagen oder Freitagen erlauben, damit die Zeit auch tatsächlich zum Lernen genutzt wird.
 

Was würdest du denjenigen raten, die sich für eine Referendariatsstelle im Ausland interessieren?

Wer sich überlegt, als Jurist sein Referendariat im Ausland zu absolvieren, sollte dies auf jeden Fall tun. Eine solche Möglichkeit, für kurze Zeit ins Ausland zu kommen, bekommt man oftmals nicht wieder. Ich finde es sinnvoll und vorteilhaft, die Verwaltungsstation anstatt der Wahlstation für diese Zeit zu nutzen, da man in aller Regel noch nicht kurz vor bzw. im Jura-Examen steckt. Bei der Wahlstation steht zumindest die Mündliche Prüfung kurz bevor.

Einen wichtigen Tipp habe ich außerdem für alle, die lieber über die Handelskammer anstelle des Auswärtigen Amtes ins Ausland wollen: bewerbt euch bereits vor der Zusage zum Referendariat bei der Handelskammer, da die dortigen Stellen sehr schnell ausgebucht sind. Die Handelskammer selbst empfiehlt ebenso, dass man sich idealerweise über ein Jahr vorher bewerben sollte.

Vielen Dank!

POSSER SPIETH WOLFERS & PARTNERS - Kanzlei für Öffentliches Wirtschaftsrecht
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