Mit Kindern kommt häufig alles anders als man denkt: Was hatten Sie sich vor der Geburt Ihrer Kinder anders vorgestellt? Was hat Sie in der Realität als berufstätige:r Mutter oder Vater im Anwaltsberuf überrascht?
Elena Freiburg: Im Grunde ist mit Kind nichts eingetroffen, was nicht vorher voraussehbar war. Was mich heute jedoch mehr als erwartet fordert, ist: Das Kind wird morgens wach und hat Fieber oder die Kita bietet nur eine Notbetreuung an. Dann heißt es Improvisieren.
Raphael Pompl: Das erlebe ich auch so. Kinder sind nach meiner Erfahrung oft krank und das kann herausfordernd sein. Für mich ist es etwas leichter, weil meine Partnerin zuhause ist. Doch es kommt auch vor, dass am Nachmittag das Telefon klingelt, zum Beispiel weil mein Sohn plötzlich hohes Fieber bekommen hat. Die Frage ist dann: Was machen wir jetzt? Soweit erforderlich fahre ich dann nach Hause und bringe den Patienten zum Arzt und meine Partnerin bleibt bei unserer Tochter. Solche Situationen können uns kalt erwischen.
Wer in den Beruf einsteigt, stellt sich oft schon während des Studiums die Frage, Kinder zu bekommen oder nicht. Wer von Ihnen hat die Familienplanung im Bewerbungsgespräch thematisiert?
Elena Freiburg: Ja, ich habe im Vorfeld angesprochen, dass ich Familie haben möchte. Das war allerdings schon am Ende meines Referendariats, das ich bei Dolde Mayen & Partner absolvierte. Damals wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen könne, als Anwältin zu arbeiten. Ich hatte meine Bedenken geäußert und klar gesagt: Ich möchte Familie haben. Im Bewerbungsgespräch selbst hat dann die Kanzleiführung das Thema Mutterschaft proaktiv angesprochen. So habe ich erfahren, wie flexibel ich meine Arbeit gestalten kann. Das hat mir ein gutes Gefühl gegeben.
Der Alltag mit Kindern ist oft unvorhersehbar. Wie reagieren Ihre Kolleg:innen, wenn Sie kurzfristig ausfallen, beispielsweise weil ein Kind krank geworden ist?
Sebastian Nellesen: Das Team reagiert sehr entgegenkommend und verständnisvoll. Wir vertreten und unterstützen uns gegenseitig. Für die Kanzlei zählt, dass die Arbeit gemacht wird. Es ist regelmäßig nicht entscheidend, ob die Arbeit morgens oder abends erledigt wird. Der Anwaltsberuf ist als freier Beruf ein sehr positives Beispiel dafür, wie flexibel der Arbeitsalltag gestaltet werden kann.
Raphael Pompl: Das empfinde ich an unserem Stuttgarter Standort auch so. Wenn ich zu Hause gebraucht werde, dann sage ich kurz Bescheid und bin weg. Wir sind eine familiäre Kanzlei und organisieren uns ad hoc. Und wir alle wissen: Jede:r gibt sein oder ihr Bestes, damit die Arbeit gut gemacht wird.
Planerisch herausfordernd war die Geburt meines Sohnes. Er kam zwei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin zur Welt. Das war in der Coronazeit, von Sonntag auf Montag. Mit meinem Mentor hatte ich vereinbart: Wenn es so weit ist, bleibe ich für zwei Wochen zuhause. So rief ich am Montag in der Früh an und sagte: „Ich bin im Krankenhaus, ich kann nicht ohne weiteres raus“. Mein Kollege hat dann meinen Gerichtstermin in einem Eilverfahren von Dienstag auf Donnerstag verlegen lassen und den Termin im Amtsgericht für mich wahrgenommen. Und er erledigte eilige Aufgaben auf meinem Schreibtisch. Das war eine Riesenerleichterung für mich.