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Verfasst von Finn Holzky

Wie wird man Fachanwält:in?

Vorteile, Voraussetzungen und Wege zum Titel

Das Jurastudium dauert lange, doch dafür ist man nach dessen Abschluss ein Volljurist:in der alles kann? Schön wäre das, die Realität sieht jedoch anders aus. Trotz vieler Studiensemester, zweijährigem Referendariat und zwei Staatsexamina stehen Jurist:innen nach dem Studium immer noch erst am Anfang ihrer Karrieren. Die eigentliche Spezialisierung beginnt erst jetzt, nicht selten mit der Ausbildung zum Fachanwalt oder Fachanwältin.
 

Fachanwält:in: Was ist das eigentlich?

„Fachanwalt“ bzw. „Fachanwältin" darf man sich in Deutschland nennen, wenn man als Rechtsanwält:innen in einem bestimmten juristischen Fachbereich besondere Kenntnisse und Erfahrungen hat. Daher vertreten Fachanwält:innen ihre Mandanten vor allem in einem bestimmten Fachbereich.

Die Tätigkeit als Fachanwält:in wird häufig in Kanzleien oder in der öffentlichen Verwaltung ausgeübt, etwa in Rechtsabteilungen von Behörden. Eine andere Möglichkeit sind Berufsorganisationen oder Arbeitgeberverbände. Selbstverständlich gibt es auch in Betrieben der freien Wirtschaft Bedarf für Fachanwält:innen.

Selbst wenn man ein:e juristische:r Superheld:in ist - mehr als drei Fachanwaltstitel kann man in Deutschland nicht erwerben. Die Voraussetzungen für den Erwerb und Erhalt dieses Titels, die insgesamt 24 Fachgebiete und weiteres sind in der Fachanwaltsordnung, kurz FAO, geregelt.

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Welche Fachgebiete gibt es - und wie verteilen sich die Fachanwält:innen auf sie?

Insgesamt gibt es 24 Fachgebiete, auf die sich ein Fachanwält:innen spezialisieren kann. Zum Zeitpunkt der letzten Erhebung am 1.1.2022 gab es rund 57.000 gemeldete Fachanwält:innen in Deutschland.

Wobei diese Zahl noch ein wenig nach unten korrigiert werden muss, da auch doppelte Fachanwält:innen in die Statistik eingehen. Sie machen jedoch nur einen marginalen Anteil in dieser Statistik aus. Bei über 165.000 zugelassenen Anwält:innen in Deutschland sind die Fachanwält:innen also nach wie vor eher die Ausnahme als die Regel.

Die beiden herausstechenden Fachgebiete mit den meisten Fachanwält:innen sind dabei das Arbeitsrecht mit rund 10.900 Fachanwält:innen und das Familienrecht mit rund 9.200 gemeldeten Spezialist:innen.
 

Sportrecht bildet das Schlusslicht bei Fachanwälten

Deutlich weniger Fachanwält:innen, nämlich nur 3100 bis 4800 Expert:innen, gibt es in den Fachgebieten der zweiten Gruppe. Diese sind Bau- und Architektenrecht, Strafrecht, Verkehrsrecht, Mietrecht und Steuerrecht.

Es folgen das Banken- und Kapitalmarktrecht, der gewerbliche Rechtsschutz, das Handels- und Gesellschaftsrecht, Insolvenzrecht, Medienrecht, Verwaltungs- und das Versicherungsrecht mit gerade noch vierstelligen Zahlen, bis hin zum Erb- und Sozialrecht, für die jeweils rund 2000 Fachanwält:innen in Deutschland zuständig sind.

Kaum Fachanwält:innen gibt es für die Fachgebiete Agrarrecht, dem internationalen Wirtschaftsrecht, im Transport- und Speditionsrecht oder dem Medienrecht. In diesen Spezialisierungen gibt es nur wenige Hundert Fachanwälte, im recht neuen Fachbereich Sportrecht sogar nur 27 gemeldete Fachanwält:innen in ganz Deutschland.
 

Überbsicht: Auf diese Fachgebiete können sich Anwält:innen spezialisieren

 

  • Arbeitsrecht
  • Agrarrecht
  • Bank- und Kapitalmarktrecht
  • Bau- und Architektenrecht
  • Erbrecht
  • Familienrecht
  • Gewerblicher Rechtsschutz
  • Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Insolvenzrecht
  • Internationales Wirtschaftsrecht
  • IT-Recht
  • Medizinrecht
  • Miet- und Wohneigentumsrecht
  • Migrationsrecht
  • Sozialrecht
  • Sportrecht
  • Steuerrecht
  • Strafrecht
  • Transport- und Speditionsrecht
  • Urheber- und Medienrecht
  • Vergaberecht
  • Verkehrsrecht
  • Versicherungsrecht
  • Verwaltungsrecht
     

Was bringt der Fachanwaltstitel?

Anders als beispielsweise in der Medizin, ist der Titel des Fachanwalts nicht notwendig, um auf dem entsprechenden Fachgebiet tätig zu sein. Da der Kurs sowohl zeitaufwendig als auch kostspielig ist, stellt sich daher die Frage, worin der Nutzen des Fachanwaltstitel liegt.

Im Grunde steht er für Expertise auf einem Fachgebiet und verspricht somit Vorteile im Konkurrenzkampf mit anderen Anwält:innen, sowie höhere Vergütung durch verbesserte Stundensätze.

Wer gegen die Fortbildungspflicht verstößt, dem droht zunächst eine Rüge der Rechtsanwaltskammer, die ihrerseits in Folgeverfahren auch zum Verlust des Titels führen kann.

Der lange Weg zur Spezialisierung: Wie wird man Fachanwalt bzw. Fachanwältin?


§ 1 FAO: Welche Titel wird angestrebt?

Allem voran muss entschieden werden, welcher Fachanwaltstitel angestrebt werden soll. Eine Auflistung der Möglichkeiten gibt es in § 1 der Fachanwaltsordnung, kurz FAO und diese bietet von Agrarrecht bis Wirtschaftsrecht insgesamt 24 Spezialisierungen an.
 

§ 22 Abs. 2 FAO: Antrag bei der Kammer

Hat man sich für ein Fachgebiet entschieden und dort natürlich auch entsprechende Erfahrungen gesammelt, so hat nun gemäß § 22 Abs. 2 FAO ein Antrag bei der zuständigen Kammer stattzufinden. Dies ist regelmäßig die Rechtsanwaltskammer, der der bzw. die entsprechende Anwält:in angehört.
 

§§ 4, 4a, 6 FAO: Nachweis über Kenntnisse

Für die Zulassung zum Fachanwalt bzw. Fachanwältin bedarf es in Deutschland eines Nachweises über besondere theoretische Kenntnisse. Dies ist in den §§ 4, 4a und 6 der Fachanwaltsordnung geregelt.

In der Regel erfolgt dieser Nachweis durch die Teilnahme an einem Fachanwaltslehrgang. Hier werden rund 120 Stunden Unterricht anfallen, die mit drei fünfstündigen Klausuren abgeschlossen werden. Der Nachweis weißt dann sowohl das erfolgreiche Bestehen der Klausuren, als auch den Zeitraum, die Lerninhalte und den Dozenten des Kurses aus.

Es müssen dabei alle relevanten Bereiche eines Fachgebiets abgedeckt werden und insbesondere auch europa- und verfassungsrechtliche Bezüge Inhalt des Kurses sein.

Ausnahmsweise kann von der Teilnahme eines solchen Kurses abgesehen werden, wenn der Nachweis durch anderweitige Zeugnisse oder Bescheinigungen erbracht werden kann. Durch ein Urteil des BGH wurde sogar festgestellt, dass sogenannte Richterbestätigungen ebenfalls als Nachweis dienen können.

Solche liegen dann vor, wenn ein:e Richter:in Anwält:innen schriftlich bestätigt, dass sich diese seit langer Zeit und (nahezu) ausschließlich mit einem bestimmten Fachgebiet beschäftigen und eine entsprechende Expertise vorzuweisen haben. Dies sind jedoch wirklich absolute Ausnahmefälle und bisher sind davon nur zwei in Deutschland publik geworden.

§§ 3, 5, 6 Abs. 3 FAO: Nachweis über Praxiserfahrung

Wer den Nachweis über die theoretischen Kenntnisse erbracht hat, der hat bis dato leider nur die halbe Miete eingefahren. Denn zur Theorie gehört natürlich auch die Praxis. Der Nachweis über entsprechende Praxiserfahrungen gilt als erbracht, wenn ein Anwält:in innerhalb der letzten drei Jahre vor Antragsstellung eine bestimmte Anzahl an Fällen in dem entsprechenden Rechtsgebiet selbst und weisungsfrei bearbeitet hat.

Die Anzahl der Fälle ist dabei abhängig vom Fachgebiet, in der Regel entsprechend des nötigen Aufwands. So werden beispielsweise im Verkehrsrecht bis zu vier mal so viele Fälle verlangt, wie im Steuer- oder Vergaberecht.

Ausnahmsweise kann der drei-Jahres-Rahmen um weitere 36 Monate erweitert werden, wenn zum Beispiel eine Elternzeit oder vergleichbares in diesen Zeitraum gefallen war.

Umstritten war längere Zeit der Begriff des „Falls“ und welche Informationen zu den Fällen von den Anwärter:innen mitgeliefert werden müssen. Der BGH hat daher eigene Kriterien eingeführt. Die eingereichte Fallsammlung muss daher jedenfalls unzweifelhaft darstellen, dass alle Fälle in dem entsprechenden Fachgebiet liegen, die Sachverhalte nicht gekünstelt und somit nicht unzulässig sind, kein Fall mehrfach erfasst wird und diese in der gewählten Frist abgehandelt wurden.

Darüber hinaus lassen sich für jedes Rechtsgebiet eigene Definitionen finden. So hat beispielsweise der Bayerische Arbeitsgerichtshof entschieden, dass das Familienrecht sich durch psychische Probleme zwischen den Parteien, schwieriger Verhältnisse untereinander und auseinanderklaffenden Ansichten bezüglich Vermögenslagen oder Sorgerechtsansprüchen auszeichnet.
 

Sonderfall: Syndikusanwält:innen

Ein Problem für Syndikusanwält:innen ist nach wie vor das Kriterium der „weisungsfreien Bearbeitung“. Naturgemäß sind Syndikusanwält:innen eben gerade nicht weisungsfrei, sondern werden von dem Unternehmen für das sie tätig sind angeleitet. Um dennoch die Chance zu erhalten, einen Fachanwaltstitel tragen zu können, wird für diese Berufsgruppe das Kriterium der Weisungsfreiheit leicht abgeschwächt und auf „überwiegend weisungsfrei“ reduziert.

Darüber hinaus kann für eine:n Syndikusanwält:in die benötigte Zahl der Fäll reduziert werden, wenn dieser längere Zeit auf genau diesem Fachgebiet für sein Unternehmen tätig ist. Dennoch ist es auch heute für Syndikusanwält:innen schwierig den Fachanwaltstitel zu erlangen.


 

 

§ 15 FAO: Fortbildungen

Wer all diese Hürden überstanden hat, dem darf nun zu seinem Titel als Fachanwalt zu gratuliert werden! Doch damit ist der Weg des Fachanwalts oder der Fachanwältin freilich noch nicht abgeschlossen, denn wie im Studium heißt es: „Nach der Prüfung ist vor der Prüfung!“

Nun nicht ganz, mit Prüfungen ist es nämlich größtenteils wirklich vorbei für Fachanwält:innen. Allerdings muss sich ein:e Fachanwält:in zum Erhalt seines Titel gemäß § 15 FAO jedes Jahr mindestens 10 Stunden auf seinem Gebiet fortbilden und wiederum einen Nachweis dieser Fortbildungen unaufgefordert bei der zuständigen Anwaltskammer vorlegen.

Die Fortbildung kann in Form von wissenschaftlichen Publikationen oder in Form von einer Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen sowohl als Teilnehmer:in, als auch als Dozent:in erfolgen. Möglicherweise bietet sich aktuell auch noch eine dritte Möglichkeit an, diese ist allerdings heftig umstritten. Es handelt sich dabei um Online-Fortbildungskurse.

Sie werden bereits zahlreich im Internet angeboten, allerdings ist deren Anerkennung bei den Rechtsanwaltskammern häufig problematisch, da insbesondere die aktive Teilnahme von Anwält:innen nur schwierig nachzuweisen ist. Wer gegen die Fortbildungspflicht verstößt, dem droht zunächst eine Rüge der Rechtsanwaltskammer, die ihrerseits in Folgeverfahren auch zum Verlust des Titels führen kann.
 

§ 43c Abs. 1 S. 3 BRAO: Nicht mehr als 3 Titel

Für diejenigen unter euch Anwält:innen, die von Titeln und vor allem dem Lernen nicht genug kriegen könnt, kommt nun der § 43c Abs. 1 S. 3 BRAO ins Spiel. Die gute Nachricht zuerst: Natürlich dürft ihr mehr als nur einen Fachanwaltstitel erwerben und auch tragen. Doch wie so häufig folgt sogleich die schlechte: Obwohl die Anzahl der zulässigen Titel mittlerweile auf drei angehoben wurde, ist bei eben drei Titeln auch Schluss. Mehr kann und darf ein:e Anwältin sich nicht auf das Schild schreiben.

Der richtige Zeitpunkt für die Ausbildung 

Üblicherweise empfehlen erfahrene Fachanwält:innen, die Ausbildung am Anfang der Tätigkeit in einer Kanzlei zu machen. Das hängt insbesondere mit den 120 Theoriestunden in der Ausbildung zusammen. Denn diese fehlende Zeit muss nachgearbeitet werden, selbstverständlich parallel zum erfassen der neuen Lerninhalte der Ausbildung. Wer bereits mitten im Beruf steht, laufende Fälle hat und bereits einen fest Arbeitsalltag hat, der schafft es kaum, sich regelmäßig die 3 Tage von Donnerstag bis Samstag frei zu nehmen und diese Zeit auch nachzuarbeiten. Auch sind Arbeitgeber häufiger bereit am Anfang der Karriere in ihre jungen Talente zu investieren und ihnen diese Sonderzeiten zu gewähren.

Wer besonders leistungsfähig ist und es kaum erwarten kann, die Fachanwaltsausbildung zu beginnen, kann damit auch schon vor Abschluss des zweiten Examens anfangen. Möglich ist es auch schon, bevor das Referendariat überhaupt angetreten wurde. Dies macht vor allem dann Sinn, wenn man mehrere Monate auf den gewünschten Referendariatsplatz warten muss und die Entscheidung zu Fachanwält:innen mit absoluter Sicherheit steht. Genauso wie die Fachrichtung.

Wen der Stoff im Referendariat etwas langweilt und eine zusätzliche Herausforderung benötigt, kann auch beide Ausbildungen parallel absolvieren. Der einzige Nachteil: Es kann nur der Theorieteil in Form der 120 Ausbildungsstunden abgearbeitet werden, die praktische Arbeit an den Fällen muss dann als zugelassene:r Anwält:in nachgeholt werden.

Herausforderungen und Fortbildungsmöglichkeiten bietet die Anwaltstätigkeit zu Hauf. Eine Spezialisierung bedarf viel Hingebung und Ausdauer, jedoch lohnt es sich bei genügend Interesse für den Fachbereich. Bei bis zu drei Fachbereichen, auf die sich Anwält:innen spezialisieren darf, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die eigenen Expertisen auszubauen und entsprechend auszuweisen!