Frau Dr. Zimmermann, welche Qualifikationen und Skills sollten Mentor:innen mitbringen? Inwieweit lässt sich Ihre Tätigkeit als Anwältin mit der Unterstützung von Studierenden als Mentorin vereinbaren?
Dr. Andrea Zimmermann: Am wichtigsten ist meines Erachtens, sich in die Situation des Mentees hineinzuversetzen, die individuellen Bedürfnisse des Mentees zu verstehen und nicht nur schablonenartig ein bestimmtes Programm abzuspulen. Dabei sollte aber jeder Mentor auch seinen eigenen Stil einbringen. Wir sind eine Gruppe von insgesamt vier Anwälten, die sich gemeinsam mit unserer HR-Abteilung bei dem GÖRG-Stipendium engagieren. Wir sind dabei schon recht unterschiedlich in der Herangehensweise und auch von der Persönlichkeit. Aber gerade das ist sehr wertvoll für die Gruppe und auch für die Mentees. Ich denke, dass man gerade von verschiedenen Persönlichkeiten viel Wertvolles lernen kann.
Wir alle sind uns aber bewusst, dass die Ausbildung des juristischen Nachwuchses ein wesentlicher Job- und Erfolgsbestandteil ist. Deshalb fällt es uns auch nicht schwer, bewusst Zeit für den Austausch mit Stipendiaten einzuplanen, der auch für uns eine bereichernde Erfahrung ist.
Durch das GÖRG-Stipendium haben junge Jurist:innen die Möglichkeit, innerhalb der Kanzlei zu networken. Denken Sie, dass das Aufbauen eines eigenen Netzwerks bereits im Studium unumgänglich ist?
Dr. Andrea Zimmermann: Unumgänglich sicherlich nicht. Ich selbst habe beispielsweise erst nach Abschluss des 1. Examen die ersten Berührungspunkte mit großen Kanzleien gehabt. Ich denke aber, dass das GÖRG-Stipendium – neben den zweifellos monetären Vorteilen – eine unkomplizierte Möglichkeit bietet, erste Erfahrungen in der Kanzleiwelt zu sammeln und Kontakte zu knüpfen, nicht nur zu bereits „fertigen“ Juristen, sondern auch zu unserem großen Pool an Referendaren, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Praktikanten.
Daraus können nicht nur wertvolle Kontakte für den beruflichen Weg im Hinblick auf Praktikums- oder Arbeitsmöglichkeiten, sondern auch langfristige persönliche Beziehungen entstehen. Zudem bietet unsere Ausbildung uns eine Vielzahl an Möglichkeiten für den eigenen Karriereweg. Ich finde es daher von Vorteil, frühzeitig für sich selbst auszuprobieren, woran man Spaß hat und in welchem Umfeld man sich wohl fühlt.
Auf welche Schwierigkeiten sind Sie im Jurastudium mit Blick auf Chancengleichheit und Finanzierung gestoßen? Gab es während Ihres Studiums bereits ähnliche Stipendien-Angebote von Kanzleien?
Dr. Andrea Zimmermann: Natürlich ist es für Studierende mit ausreichendem finanziellen Background ein Privileg, sich keine Sorgen um die Lebenshaltungskosten und Finanzierung von Lernmaterialen, Repetitorien, etc. machen zu müssen, sondern sich voll und ganz auf das Studium konzentrieren zu können und dieses voll zu genießen (bspw. auch im Rahmen eines Auslandsemesters). Dies ist nicht nur im Jurastudium der Fall und diese Form der Chancenungleichheit gab es schon immer.
Allerdings sind nach meiner Erfahrung nicht zwangsläufig die „sorgenfreien“ Studierenden am Ende diejenigen mit den besten Examensnoten. Nach meiner Erfahrung ist es glücklicherweise auch nicht so, dass Studierende mit privilegierten Hintergründen bevorzugt bei der Vergabe von Praktika oder Stellen behandelt werden – zumindest bei uns spielt dies keinerlei Rolle. Ich hoffe und wünsche mir, dass wir mit unserem Stipendienprogramm einen weiteren Beitrag für eine finanzielle Chancengleichheit leisten und Studierenden aus verschiedenen Hintergründen die Möglichkeit geben können, erfolgreich in ihrer akademischen und beruflichen Laufbahn voranzukommen.