Valerie Keilhau vom Legal Tech Verband Deutschland im Interview

Veröffentlicht am 02.11.2022

„Das Thema Legal Tech ist endgültig in der Branche angekommen."

Die Geschäftsführerin des Legal Tech Verbands Deutschland Valerie Keilhau im Interview

Der Legal Tech Verband Deutschland steht für Digitalisierung und Innovation des deutschen Rechtsmarktes. Zu seinen über 80 Mitgliedern zählen Kanzleien, Unternehmen, Rechtsschutzversicherer, Softwareanbieter und Legal Tech-Startups. Die Geschäftsführerin, Valerie Keilhau, ist Volljuristin und ausgebildete Kommunikationsberaterin.
 

Frau Keilhau, Sie sind seit Mai 2022 Geschäftsführerin des Legal Tech Verbands Deutschland. Wie sind Sie auf den Verband aufmerksam geworden und was beinhaltet Ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin?

Auf den Verband aufmerksam wurde ich schon während meiner Tätigkeit als Public Affairs- und Presseverantwortliche der Bundesnotarkammer. Neben den “klassischen” Interessenvertretern der Jurist:innen wie dem DAV oder der Bundesrechtsanwaltskammer, hat es der Legal Tech Verband innerhalb kürzester Zeit geschafft, sich einen Namen im politischen Berlin zu verschaffen. Die Themen Digitalisierung und Modernisierung treiben den Rechtsmarkt und seine Akteure extrem um. Der Legal Tech Verband vertritt all diejenigen, die den Wandel des Rechtsstandorts Deutschland mitgestalten und Teil der Lösung sein möchten.
 

Was bedeutet Legal Tech für Sie und wo stehen wir, auch im internationalen Vergleich, gerade im deutschen Rechtsmarkt?

Legal Tech ermöglicht eine effizientere Erbringung von Rechtsdienstleistungen und erhöht damit den Zugang zum Recht. Denn auch im Rechtsmarkt gibt es zahlreiche repetitive Vorgänge, die mittels des Einsatzes von Technologie zeit- und kostensparender erbracht werden können. Legal Tech ist damit die logische Weiterentwicklung, um den deutschen Rechtsmarkt auch künftig sicher und wettbewerbsfähig zu gestalten. International haben wir noch Luft nach oben. Kürzlich haben wir gemeinsam mit der Bucerius Law School und der Boston Consulting Group eine Studie zum Thema “Digitalisierung der Justiz” herausgebracht, in der wir Deutschland u.a. mit der Justiz von Kanada und Singapur verglichen haben. Das Ergebnis: Aktuell hinken wir der Digitalisierung solcher Vorreiterländer 10-15 Jahre hinterher. 

Die Zukunft gehört Legal Tech!

Was macht den Legal Tech Verband Deutschland aus und inwiefern wird die (Mit-)Gestaltung des digitalen Wandels im Rechtsmarkt umgesetzt?

Zum einen geben wir der Legal Tech-Branche eine Stimme gegenüber Politik und Öffentlichkeit. Viele bestehende Regularien passen einfach nicht mehr zu den Anforderungen und Möglichkeiten, die die Akteure am Rechtsmarkt heute haben. Auf der anderen Seite fehlt es an Regulierung: Erst seit Oktober 2021 gibt es mit dem Legal Tech-Gesetz überhaupt eine gesetzliche Verankerung für Legal Tech-Unternehmen. Hierfür haben wir uns aktiv eingesetzt. Des Weiteren bieten wir als Verband zahlreiche Veranstaltungsformate, mit denen wir der Branche helfen, Netzwerke zu schaffen und Wissen zu transportieren.
 

Digitalisierung ist längst auf dem Rechtsmarkt angekommen. Besteht Ihrer Meinung nach noch Bedarf für einen großen Wandel? Welche aktuellen Ziele verfolgen Sie und Ihre Kolleg:innen?

Tatsächlich sehe ich noch Bedarf an Aufklärungsarbeit und Schaffung einer breiten Akzeptanz beim Einsatz von Technologie im Rechtsmarkt. Dabei sind gar nicht Verbraucher:innen im Fokus – hier wird der Einsatz von Technologie sogar gefordert. Viel größer ist die Herausforderung, die Jurist:innen und deren Mitarbeiter:innen davon zu überzeugen, dass Technologie ihre Arbeit erleichtert, aber nicht ersetzen wird. Für diese Akzeptanz setzten wir uns durch ständige Aufklärungsarbeit und einen offenen Austausch – auch mit Kritiker:innen – ein.
 

Wie gestaltet sich Ihr Arbeitsalltag und hatten Sie bereits vor Ihrem Einstieg beim Verband Kontakt mit Legal Tech?

Als Geschäftsführerin eines jungen Verbands verantworte ich ganz unterschiedliche Bereiche. Das reicht vom Verfassen politischer Stellungnahmen über die Planung von Events hin zum Ausbau interner Strukturen. Auf der Agenda stehen also strategische wie auch operative Themen. Dabei werde ich von einem tollen Team und unserem Vorstand unterstützt. Mit Digitalisierungsthemen bin ich während meiner Zeit bei der Bundesnotarkammer bereits in Berührung gekommen, z.B. bei der Einführung des Elektronischen Urkundenarchivs und der Ermöglichung der Online-Gründungen von GmbHs. 
 

Welchen großen Herausforderungen begegnen Sie und Ihre Kolleg:innen bei der Vertretung der Verbandsinteressen?

Zu Beginn lag die Herausforderung darin, sich neben den bekannten Interessenvertretern ein Standing zu erarbeiten. Dieser Punkt ist nun längst überwunden. Aktuell haben wir so viel Zulauf, dass wir teilweise gar nicht hinterherkommen. Das Thema Legal Tech ist endgültig in der Branche angekommen.

Die Digitalisierung des Rechtsmarkts ist in vollem Gange und das ist gut so. Ein Zurück kann und wird es nicht geben. Wir haben eine wachsende Legal Tech-Startup-Szene, die diese Entwicklung unterstützt.
Valerie Keilhau

Ist der Wandel auf dem deutschen Rechtsmarkt hinsichtlich Digitalisierung und Innovation schon spürbar und was wünschen Sie sich für Veränderungen in der Zukunft?

Die Digitalisierung des Rechtsmarkts ist in vollem Gange und das ist gut so. Ein Zurück kann und wird es nicht geben. Wir haben eine wachsende Legal Tech-Startup-Szene, die diese Entwicklung unterstützt. Aber auch immer mehr Kanzleien, Rechtsabteilungen und Rechtsschutzversicherungen wirken aktiv auf die Digitalisierung ihrer Arbeit und Angebote hin. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass der Gesetzgeber diesen Fortschritt durch die Schaffung und Modernisierung von Regularien noch mehr unterstützt und der deutsche Rechtsmarkt ein international wettbewerbsfähiger und attraktiver Standort bleibt.
 

Ihr Fazit?

Das deutsche Rechtssystem gehört zu einem der best funktionierenden Rechtssysteme weltweit. Damit das so bleibt, müssen wir Jurist:innen uns dem Wandel, den die technologischen Möglichkeiten mit sich bringen, noch mehr öffnen. Natürlich werden sich mit der Digitalisierung Akteur:innen und Strukturen des Rechtsmarkts ändern – deshalb in eine Schockstarre zu verfallen und sich den Chancen verschließen – wird aber keine zufriedenstellende Lösung bringen. Unsere Mitglieder haben das Potenzial von Legal Tech schon lange erkannt: Wer sich jetzt verschließt, wird morgen abgehängt sein.
 

Vielen Dank, Frau Keilhau!