M&A Auswirkungen Corona

Veröffentlicht am 02.12.2020

"Sie müssen es nur als Herausforderung begreifen"

POELLATH, GLADE MICHEL WIRTZ und Skadden blicken auf die aktuelle Situation im M&A

Dr. Frank Thiäner ist seit 2003 als Anwalt bei POELLATH tätig, 2008 ist er zum Partner ernannt worden. POELLATH ist eine stark unternehmerisch geprägte Wirtschaftskanzlei und mit ca. 150 Berufsträgern in Berlin, München und Frankfurt/Main zählt die Sozietät zu den großen unabhängigen Kanzleien in Deutschland. 

Seit der Gründung 2007 haben GLADE MICHEL WIRTZ sich fest im Spitzensegment der deutschen M&A-Kanzleien etabliert. Mit ihrem "kleinen, aber feinen" Team wickelt die Kanzleiboutique, zu deren Gründungspartnern Dr. Achim Glade gehört, jedes Jahr zahlreiche anspruchsvolle Transaktionen vom Private Sale bis zum öffentlichen Übernahmeangebot ab.

Holger Hofmeister ist Partner in der Corporate/M&A Praxis von Skadden, in der er 2007 angefangen hat. Im Bereich Corporate/M&A konzentriert sich die Praxisgruppe in erster Linie auf komplexe Transaktionen, sehr oft mit grenzüberschreitendem Bezug. Skadden prägen seit der Kanzleigründung am 01.04.1948 in New York bestimmte Kernwerte. Zu denen zählen neben fachlicher Exzellenz ebenso Teamwork und Kollegialität, soziale Verantwortung und Diversity, Equity & Inclusion. 

Herr Dr. Thiäner, Sie entschieden sich für einen Karriereweg im M&A bei der mittelständischen Kanzlei POELLATH. Welche Vorteile bietet die Größe einer mittelständischen Kanzlei?

Frank Thiäner: Unsere Kanzlei ist mit ca. 150 Berufsträgerinnen und Berufsträgern schon nicht mehr klein, aber weitaus unternehmerischer organisiert als eine Großkanzlei mit mehreren hundert Anwältinnen und Anwälten. Das zeigt sich vor allem an den internen Abläufen: Bei uns werden keine Anträge geschrieben, die dann von mehreren Gremien geprüft und genehmigt werden müssen. Bei uns sind die Verwaltungszuständigkeiten vielmehr zwischen den Partnerinnen und Partnern verteilt. Jede Partnerin und jeder Partner entscheidet eigenständig innerhalb ihres oder seines Verwaltungsbereichs für die Gesamtkanzlei.

Die Vorteile zeigen sich aber auch im Vergütungssystem: Statt die Partnerinnen und Partner in Lockstepstufen einzuteilen und alle Mitglieder der Partnerschaft einer Stufe gleich zu behandeln, kommt es bei unserem merit-based-System immer auf den Einzelnen an. Bei uns entscheidet jede Partnerin und jeder Partner selbst, welche Mandate sie oder er annehmen und wieviel sie oder er arbeiten möchte. Peer pressure gibt es bei uns nicht. Dafür wird Freiheit bei uns groß geschrieben.

Wir sind eine Kanzlei von Unternehmern für Unternehmer. Diesen Ansatz schätzen nicht nur unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – die bereits ab dem 4. Berufsjahr ab einer bestimmten Schwelle am selbst erwirtschafteten Umsatz beteiligt werden – sondern auch unsere Mandanten, die als Unternehmer in den Bereichen M&A, Steuern, Immobilien und Gesellschaftsrecht, als Investoren und Fondsmanager im Bereich Private Funds und auf privater Ebene in allen Fragen der Nachfolgegestaltung auf Augenhöhe gut beraten werden möchten.


Herr Dr. Glade, Sie entschieden sich, einen etwas anderen Weg zu gehen und mit Ihren Partnern die Kanzleiboutique GLADE MICHEL WIRTZ zu eröffnen. Weshalb wählten Sie als Schwerpunkt gerade den Bereich M&A und welche Vorteile sehen Sie in einer Kanzleiboutique gegenüber größeren Kanzleien?

Achim Glade: Eine Boutique kann in einem hochkompetitiven Markt nur dann in die Spitzengruppe vordringen und sich dort behaupten, wenn sie sich auf Gebiete fokussiert, in denen ihre Anwältinnen und Anwälte richtig gut sind. Und bei uns ist das eben – neben dem klassischen Gesellschaftsrecht und dem Kartellrecht – das M&A-Geschäft.

Eine Kanzleiboutique hat viele Vorteile: Für den Mandanten, dass die Partnerschaft sich mit ihrer Erfahrung noch voll ins Mandat einbringt und für uns Anwältinnen und Anwälte, dass wir untereinander eine echte Kultur des Miteinanders leben können

Dadurch macht die Arbeit viel mehr Spaß und für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger ist es ein großer Vorteil, dass sie von Anfang an auch den Kontakt zum Mandanten haben und sehr schnell selbst Verantwortung übernehmen dürfen. Da lernt man mehr als in jeder internen Akademie. Und auch für das internationale Geschäft ist die Kanzleiboutique sehr interessant, denn als eine der ganz wenigen unabhängigen Spitzenkanzleien in Deutschland arbeiten wir laufend mit anderen führenden kanzleien weltweit zusammen.

Fachbereiche & Standorte: Die Kanzleien in der Übersicht

Die Anzahl der Transaktionen sowie die Transaktionsvolumina sind zunächst stark eingebrochen.
Holger Hofmeister

Herr Dr. Hofmeister, als Partner bei Skadden arbeiten Sie für eine Großkanzlei, welche dementsprechend mehr internationalen Einflüssen ausgesetzt ist als kleinere Kanzleien. Wie kamen Sie zu Beginn Ihrer Karriere in den Bereich M&A und was macht für Sie die Arbeit im M&A in einer Großkanzlei aus?

Holger Hofmeister: Der Bereich M&A fasziniert mich – nach wie vor – insbesondere aufgrund seiner Dynamik, der Verflechtung mit wirtschaftlichen und anderen Aspekten und der Möglichkeit, eine Vielzahl an Unternehmen, Industrien und Märkten kennenzulernen. Es ist unheimlich abwechslungsreich, jede Transaktion hat ihre eigenen Herausforderungen.

Zudem ist M&A Aktivität kontinuierlich durch gesamtwirtschaftliche Einflüsse geprägt, und zwar national wie international. Das heißt für uns, immer „wach“ und juristisch wie wirtschaftlich kreativ zu sein, um unsere Mandanten auch unter sich verändernden Marktgegebenheiten immer bestens zu beraten. Generell schätze ich die enge Zusammenarbeit mit unseren Mandanten sehr. Das ist ein weiterer wesentlicher Punkt, warum mir meine Arbeit so viel Spaß macht. M&A ist für Unternehmen immer von höchster strategischer Bedeutung. Hier als Anwalt seinen Beitrag leisten und, wie man so schön sagt, „Mehrwert" liefern zu können, ist ein tolles Gefühl. Jede erfolgreich abgeschlossene Transaktion ist immer auch ein großes Erfolgserlebnis für das ganze Team! 

Im Übrigen ist die Ausbildung unserer jüngeren Kolleginnen und Kollegen ein fester Bestandteil meiner Tätigkeit, den ich sehr schätze. Sie bei ihrer Entwicklung zu begleiten und zu unterstützen und sie ihren Weg gehen zu sehen, ist sehr schön!

Herr Dr. Thinäer, wie haben sich Ihr Arbeitsalltag und die anfallenden Fragestellungen durch Corona in den letzten Monaten verändert?

Frank Thiäner: Zunächst mussten wir alle von heute auf morgen ins Homeoffice wechseln. Die Erfahrung, die ganze Woche zuhause am Schreibtisch zu sitzen, war neu. Das hat einige Vorteile, aber auch Nachteile. Abgesehen davon, dass Sie zuhause plötzlich als weitere Arbeitskraft (vor allem für Garten, Einkäufe und Reparaturen) und als neuer Spielkamerad für die Kinder wahrgenommen werden, fehlen natürlich die Kollegen nebenan. Den fachlichen Austausch kann man mit Video-Konferenzen ganz gut organisieren, aber es fehlt der soziale Kontakt, wenn alle im Homeoffice sitzen. Vielleicht sind aus diesem Grund viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach zwei bis drei Wochen freiwillig wieder zurück ins Büro gekommen. 

Gleichwohl hat sich unser Arbeitsalltag durch die Pandemie erheblich verändert: Arbeit aus dem Homeoffice ist heute viel selbstverständlicher als noch Anfang des Jahres.

Wir haben außerdem gemerkt, dass viele Treffen und Besprechungen, für die wir früher in andere Städte gereist sind, sehr gut über Videokonferenzen stattfinden können. Die Pandemie hat die Digitalisierung unserer Arbeitswelt ganz erheblich beschleunigt. Diese Veränderungen nehmen wir in erster Linie positiv wahr. Hier sind wir auch noch nicht am Ende der Entwicklung.
 

Herr Dr. Glade, welche Veränderungen erlebten Sie bedingt durch Corona bei Ihnen im M&A-Bereich und sind die Mandate dadurch komplexer geworden?

Achim Glade: Organisatorisch hat die Corona-Krise die Vorteile der Boutique bestätigt. Wir konnten ohne lange Abstimmungsrunden binnen Stunden ein Sicherheitskonzept für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verabschieden. Mobiles Arbeiten mit einer leistungsfähigen Infrastruktur gehört zudem seit jeher zu unserer DNA. Mit unseren MacBooks haben wir einfach von zu Hause aus weitergemacht.

Was das Geschäft angeht, sind bei uns zunächst einige angekündigte kleine und mittlere M&A-Deals, die im Frühjahr angelaufen waren, in der Versenkung verschwunden. Die großen Transaktionen liefen aber unbeirrt weiter. Seit dem Ende des Sommers kommen nun auch die angehaltenen Projekte eines nach dem anderen zurück. Geändert hat sich eigentlich nur, dass sich die persönlichen Besprechungen mit dem Team des Mandanten vom Konferenzraum auf den Bildschirm verlagert haben. Wir M&A-Spezialisten sind zum Glück seit jeher gewohnt, unsere Mandate zum Großteil über Telefon und E-Mail und oft auch von außerhalb des Büros abzuwickeln. Komplexer ist es also nicht wirklich geworden.

Arbeitszeitmodelle, Kanzleiphilosophie & gelebte Werte

Wir M&A-Spezialisten sind zum Glück seit jeher gewohnt, unsere Mandate zum Großteil über Telefon und E-Mail und oft auch von außerhalb des Büros abzuwickeln.
Achim Glade

Herr Dr. Hofmeister, mit welchen Herausforderungen für das tägliche Geschäft hatten Sie bei Skadden während Corona zu kämpfen? Wie haben sich in diesem Kontext die Fragestellungen verändert?

Holger Hofmeister: Zunächst standen natürlich auch wir vor der großen Herausforderung, uns logistisch auf die neue Situation einzustellen. Es hat uns letztlich selbst fast ein bisschen überrascht, wie reibungslos der Umzug ins Homeoffice geklappt hat und nicht nur das gesamte Team remote unverändert weiterarbeiten konnte, sondern auch neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trotz der ungewöhnlichen Umstände, in das Team eingebunden wurden.

→ Gut organisiert und unkompliziert: Skadden remote

Die Auswirkungen der Corona-Situation auf unsere Transaktionen waren sehr unterschiedlich. Bereits weit fortgeschrittene Transaktionen sind nahezu unverändert weitergelaufen. Transaktionen im Frühstadium wurden regelmäßig zunächst auf Eis gelegt. Für einige bot die Situation aber auch Chancen und es ergaben sich daraus Transaktionsmöglichkeiten. Und natürlich wurden Fragen im Zusammenhang mit möglichen Verletzungen kaufvertraglicher Garantien, Vollzugspflichten und ähnlichem an uns herangetragen.

Insgesamt kam uns hier natürlich unsere globale Aufstellung sehr zugute. Um die IT-Themen haben sich vor allem unsere IT-Experten mit dem Kernteam in New York mit unermüdlichem Einsatz wirklich hervorragend gekümmert. Die für unsere Mandanten wichtigen Fragen haben wir international mit unseren Kolleginnen und Kollegen diskutiert und unsere Erfahrungen und Erlebnisse ausgetauscht. Daraus ergab sich immer wieder auch ein anderer Blick auf die Dinge.
 

Im Frühjahr erlebte der Markt einen regelrechten Schock mit dem Lockdown. Wie entwickelte er sich in den darauffolgenden Monaten und ist eine Erholung des Marktes in Sicht oder doch noch Wunschdenken, Herr Dr. Thiäner?

Frank Thiäner: Das kommt auf das Beratungsgebiet an. Die Pandemie hat sich zum Beispiel auf die Bereiche Private Funds und Steuern kaum ausgewirkt. Dagegen waren die Bereiche M&A und Immobilien von dem Rückgang ziemlich stark betroffen. Während sich dann aber z.B. der Bereich Venture Capital sehr schnell wieder erholt hat, dauert es bei größeren Unternehmenstransaktionen deutlich länger.

Insoweit ist die Lage ähnlich wie in der Finanzkrise 2008/2009. Wir denken, dass es noch mindestens bis zum Ende des ersten Halbjahres 2021 dauern wird, bis wir bei größeren Unternehmenstransaktionen wieder ein einigermaßen normales Niveau erreicht haben. Bis dahin dürfte die Beratung von Unternehmensfinanzierungen und Restrukturierungen weiterhin verstärkt nachgefragt werden.

Wege in die Partnerschaft, ins Ausland und kontinuierliche Weiterbildung:

Corona beeinflusst nach wie vor Übernahmen und Fusionen. Was gilt es aktuell besonders bei bevorstehenden M&A-Deals zu beachten?

Achim Glade: Die wirtschaftlichen Parameter haben sich natürlich geändert und die Solidität des Targets zu beleuchten, ist jetzt besonders wichtig. Das machen aber die Investmentbanken und die Mandanten. Aus anwaltlicher Sicht bekommt die sorgfältige Planung und Organisation mehr Gewicht als früher.

Wenn die regelmäßige persönliche Besprechung mit dem Team des Mandanten nicht mehr stattfinden kann und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beim Mandanten von Telefontermin zu Telefontermin eilen, bekommt die gute Organisation des Informationsflusses im Team und zum Mandanten noch mehr Bedeutung. Wer hierauf schon früher viel Wert gelegt hat, hat jetzt einen klaren Wettbewerbsvorteil. Die Hygiene-Regeln haben übrigens auch ein Gutes: Es können nicht mehr so viele Menschen in einen Raum. Wenn die Anwältinnen und Anwälte mancher Großkanzlei nicht mehr in Divisionsstärke anrücken können, reduzieren sich Verhandlungsrunden wieder auf eine Größe, in der man fokussiert arbeiten kann.
 

Wie stark wirkte sich das vergangene Quartal aus Ihrer Sicht tatsächlich auf den M&A-Markt aus? Trifft ein solches Ereignis internationale Großkanzleien wie Skadden härter als kleinere Kanzleien, Herr Dr. Hofmeister?

Holger Hofmeister: Die Anzahl der Transaktionen sowie die Transaktionsvolumina sind zunächst stark eingebrochen. Dies ist in Anbetracht der Unsicherheit, die an den Märkten entstanden ist, nicht überraschend. Inzwischen gibt es aber klare gegenläufige Entwicklungen und wir sehen bereits seit einigen Monaten wieder viele und auch große Transaktionen. Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen, dass unser Team und ich an mehr Transaktionen arbeiten als vor Corona, und unsere Pipeline sieht auch richtig gut aus.

Insgesamt gesehen denke ich, dass eine gut aufgestellte Großkanzlei tendenziell besser in der Lage ist als kleinere Kanzleien, mit so einer Krisensituation umzugehen. Abgesehen von logistischen Aspekten hilft die Internationalität, mit einer sich abschwächenden lokalen Nachfrage oder einer erstmaligen Nachfrage bei bestimmten Themen besser umgehen zu können, etwa aufgrund von referrals aus anderen Büros und der Fähigkeit, Mandanten auf internationale Fragen auch internationale Antworten aus einer Hand geben zu können.

Aus Sicht der Kanzlei insgesamt ist letztlich die Breite und Tiefe des Angebots von besonderer Bedeutung, dass also verstärkte Nachfrage in einem Bereich (etwa Finance oder Restructuring) eine vorübergehend nachlassende Nachfrage in einem anderen Bereich aus Sicht der Kanzlei ausgleichen oder sogar überkompensieren kann.

Es wäre kurzsichtig, wenn wir uns hier wegen der Pandemie einschränken würden. Schließlich dauert es viele Monate, bis neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgebildet sind.
Frank Thiäner

Muss trotz der entspannteren Lage aktuell noch ein Rückgang der Mandate wegen Corona hingenommen werden? Wie wirkt sich dies auf die Bewerbungen von Juristinnen und Juristen im M&A aus, Herr Dr. Thiäner?

Frank Thiäner: Wir verzeichnen momentan wieder eine Zunahme von Mandaten vor allem in den Bereichen M&A und Immobilientransaktionen. Unabhängig davon hatte und hat die Pandemie aber auf unser Recruiting keinen Einfluss, weil wir hier langfristig denken. Wir sind mit unverändertem Engagement auf der Suche nach talentierten jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in all unseren Beratungsgebieten.

Es wäre kurzsichtig, wenn wir uns hier wegen der Pandemie einschränken würden. Schließlich dauert es viele Monate, bis neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgebildet sind. Es ist daher sinnvoll, gerade jetzt neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustellen, damit sie im Sommer oder Herbst des nächsten Jahres für die zunehmende Mandatsarbeit zur Verfügung stehen.
 

Herr Dr. Glade, Sie sind bereits seit einigen Jahren im M&A. Wie krisensicher bewerten Sie den Fachbereich?

Achim Glade: Wir haben unsere Kanzlei 2007 gegründet, also ein Jahr vor der großen Bankenkrise. Jetzt stecken wir mitten in der Corona-Pandemie. Beide Ereignisse haben uns nicht negativ getroffen, sondern gestärkt. Krisen dieser Art führen zwar temporär dazu, dass der M&A-Markt insgesamt ins Stocken gerät, da bei den Beteiligten Verunsicherung herrscht. Er kommt aber nicht völlig zum Erliegen, sondern wird fokussierter. Bei den M&A-Kanzleien trennt sich in solchen Situationen die Spreu vom Weizen. Gerade in der Krise bekommt für Mandanten die Beratungsqualität besonderes Gewicht und die wirklich guten Kanzleien sind besonders gefragt.

Sobald sich dann Stabilität in der Wirtschaft abzeichnet, kommt es zudem zu Nachholeffekten oder die Krise kreiert eine eigene M&A-Konjunktur. Man denke nur an die Bankenfusionen im Nachgang zur Finanzkrise. Wenn dann der Kuchen wieder groß genug ist, kommen auch die anderen Kanzleien wieder zum Zuge (lacht).


Herr Dr. Hofmeister, wie bewerten Sie die aktuelle Lage? Ist gerade ein ungünstiger Zeitpunkt für jungen Juristinnen und Juristen, um im M&A einzusteigen?

Holger Hofmeister: Die Lage ist insgesamt natürlich noch herausfordernd. Aber wir haben gelernt, damit gut umzugehen. Speziell im Bereich M&A bietet die aktuelle Situation aus meiner Sicht einzigartige Chancen für junge Juristinnen und Juristen. Ich denke, als Absolvent kann es mit einer besonders steilen Lernkurve einhergehen, in einem so außergewöhnlichen Marktumfeld in den Beruf einzusteigen.

M&A mit seinen vielen Facetten hält auch in der jetzigen Zeit anspruchsvolle und abwechslungsreiche Aufgaben bereit. Denn Unternehmen stellen sich neu auf, wollen in bestimmten Bereichen wachsen, know-how kaufen oder verkaufen oder mit anderen Unternehmen kooperieren. In all diesen Fällen ist die M&A-Anwältin oder der M&A-Anwalt gefragt.

Darüber ist für uns die Integration der Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger immens wichtig. In unserem eher kleineren und spezialisierten Team wird jeder von Beginn an in die Transaktionsarbeit eingebunden und zu einer festen Größe des Teams.

Schnell wurden Parallelen zur Finanzkrise 2008/2009 gezogen. Wie haben Sie die damalige Krise als Anwalt erlebt und inwiefern ist hier ein Vergleich sinnvoll, Herr Thiäner?

Frank Thiäner: Die Finanzkrise hat mich als jungen Partner damals ganz erheblich getroffen. Ich musste mir seinerzeit meinen eigenen Bereich aufbauen, als von heute auf morgen keine M&A-Mandate mehr vergeben wurden. Da hatten es die älteren Partner, deren langjährige Mandatsbeziehungen ihnen eine gewisse Grundauslastung bescherten, leichter. Das war der Preis dafür, in einer stark unternehmerisch geprägten Kanzlei zu arbeiten. Ich habe das damals aber nicht so sehr als Unglück, sondern mehr als Herausforderung gesehen.

Man kann die heutige Situation sicherlich ein Stück weit mit der Finanzkrise 2008/2009 vergleichen. Die Zahl der M&A-Mandate ist auch heute wieder stark zurückgegangen und der Wettbewerb um die Vergabe dieser Mandate ist vielleicht größer als zuvor. Wenn Sie aber nicht nur ein guter Jurist sondern auch ein guter Unternehmer sind, können Sie von dieser Situation profitieren – Sie müssen es nur als Herausforderung begreifen.


Herr Dr. Glade, wie blicken Sie auf das kommende Jahr? Erwarten Sie einen rasanten Aufschwung im M&A oder rechnen Sie mit mehr Zurückhaltung seitens der Kaufinteressenten?

Achim Glade: Die Corona-Pandemie wird sicherlich zu zahlreichen Unternehmenstransaktionen führen, die es ohne sie nicht gegeben hätte. In vielen Branchen wird sich eine Marktkonsolidierung ergeben, weil die schwächeren Spieler in einer weniger robusten Konjunktur aufgeben müssen. Das ist dann die Chance für strategische Käufer, das eigene Produkt- oder Kundenportfolio kostengünstig zu ergänzen.

Zudem hat sich der Anlagedruck der Finanzinvestoren nicht abgeschwächt. Deals sind da nahezu zwingend. Ich bin optimistisch, dass wir auch 2021 einen guten M&A-Markt sehen werden.


Herr Dr. Hofmeister, trotz einiger harter Monate, rechnen Sie im M&A auch mit positiven Effekten, die durch Corona entstehen können und welche Themen erfordern aktuell ebenfalls Ihr juristisches Know-how im M&A?

Holger Hofmeister: Die Corona Situation wird trotz aller negativer Einflüsse in einigen Bereichen auch zu einem erhöhten M&A Aufkommen beitragen und tut dies bereits schon. Viele große Player positionieren sich in stark fragmentierten Industrien als aktive Konsolidierer. Außerdem haben Private Equity Fonds prall gefüllte Kassen. Dies betrifft u.a. Industrien, in denen die Konsolidierung bereits vorher begonnen hat und durch die Corona-Situation beschleunigt wird. Ein offensichtliches Beispiel ist die Automobilindustrie. Hier dreht sich die Welt für alle Beteiligten – Hersteller, Zulieferer, Händler – bereits seit einiger Zeit sehr schnell, es sind viele Themen parallel zu bearbeiten (etwa Elektrifizierung, Vernetzung und autonomes Fahren). Vor allem viele kleinere und auch mittlere Unternehmen stehen vor immensen wirtschaftlichen Herausforderungen, denen nicht alle gewachsen sind. Es wird vermehrt zu distressed-Situationen kommen, die bereits Auslöser für verstärkte M&A Aktivitäten in diesem Bereich sind und es weiter sein werden. 

Branchenübergreifend wird das Thema Abspaltung von Geschäftsbereichen, die nicht zum Kerngeschäftsmodell gehören, weiter an Bedeutung gewinnen. Zum einen, um sich auf die Kernbereiche zu fokussieren und Liquidität zu sichern. Zum anderen aber auch, um die durch den Verkauf gewonnene Liquidität für zielgerichtete Zukäufe zu nutzen.

Darüber hinaus wird die M&A Aktivität durch zunehmende Digitalisierung und regulatorische Anforderungen auch weiterhin und unabhängig von Corona anhalten. 

Trotz stark gefallener Transaktionsvolumina in den letzten Monaten bleiben wir daher optimistisch, weiterhin viele spannende Transaktionen begleiten zu können und mit unseren Mandanten auch diese Zeiten gemeinsam zu meistern.

Ihr Fazit?

Frank Thiäner: Das Leben als M&A-Anwalt geht auch in der Krise weiter. Gerade jetzt kommt es entscheidend darauf an, was Sie selbst daraus machen.

Achim Glade: Das Jahr 2020 hat bei allen Herausforderungen auch eine Rückbesinnung auf das Wesentliche mit sich gebracht. Die stete Pflege einer guten Teamkultur hat sich bewährt, wir sind noch enger zusammengewachsen und unser guter Ruf im Markt hat trotz oder gerade wegen der Krise für tolle Mandate gesorgt. Auch in diesem besonderen Jahr war und ist für mich die Tätigkeit als M&A-Anwalt das Reizvollste, was der Anwaltsberuf zu bieten hat.

Holger Hofmeister: Die derzeitige Situation stellt die Wirtschaft und alle Marktteilnehmer global vor große Herausforderungen. Aber auch die Vergangenheit hat uns immer wieder vor große Herausforderungen gestellt, die wir gemeistert haben. Als Skadden haben wir uns immer weiterentwickelt und uns dabei an den sich verändernden Bedürfnissen unserer Mandanten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter orientiert. Der Bereich M&A ist und bleibt aus meiner Sicht extrem spannend und bietet auch in diesen Zeiten jungen Juristinnen und Juristen, die Spaß an einem dynamischen, internationalen Umfeld haben, eine tolle Chance für ihren Berufseinstieg und eine kontinuierliche Weiterentwicklung! 

Vielen Dank, Herr Dr. Hofmeister, Herr Dr. Glade und Herr Dr. Thiäner!