Schnell wurden Parallelen zur Finanzkrise 2008/2009 gezogen. Wie haben Sie die damalige Krise als Anwalt erlebt und inwiefern ist hier ein Vergleich sinnvoll, Herr Thiäner?
Frank Thiäner: Die Finanzkrise hat mich als jungen Partner damals ganz erheblich getroffen. Ich musste mir seinerzeit meinen eigenen Bereich aufbauen, als von heute auf morgen keine M&A-Mandate mehr vergeben wurden. Da hatten es die älteren Partner, deren langjährige Mandatsbeziehungen ihnen eine gewisse Grundauslastung bescherten, leichter. Das war der Preis dafür, in einer stark unternehmerisch geprägten Kanzlei zu arbeiten. Ich habe das damals aber nicht so sehr als Unglück, sondern mehr als Herausforderung gesehen.
Man kann die heutige Situation sicherlich ein Stück weit mit der Finanzkrise 2008/2009 vergleichen. Die Zahl der M&A-Mandate ist auch heute wieder stark zurückgegangen und der Wettbewerb um die Vergabe dieser Mandate ist vielleicht größer als zuvor. Wenn Sie aber nicht nur ein guter Jurist sondern auch ein guter Unternehmer sind, können Sie von dieser Situation profitieren – Sie müssen es nur als Herausforderung begreifen.
Herr Dr. Glade, wie blicken Sie auf das kommende Jahr? Erwarten Sie einen rasanten Aufschwung im M&A oder rechnen Sie mit mehr Zurückhaltung seitens der Kaufinteressenten?
Achim Glade: Die Corona-Pandemie wird sicherlich zu zahlreichen Unternehmenstransaktionen führen, die es ohne sie nicht gegeben hätte. In vielen Branchen wird sich eine Marktkonsolidierung ergeben, weil die schwächeren Spieler in einer weniger robusten Konjunktur aufgeben müssen. Das ist dann die Chance für strategische Käufer, das eigene Produkt- oder Kundenportfolio kostengünstig zu ergänzen.
Zudem hat sich der Anlagedruck der Finanzinvestoren nicht abgeschwächt. Deals sind da nahezu zwingend. Ich bin optimistisch, dass wir auch 2021 einen guten M&A-Markt sehen werden.
Herr Dr. Hofmeister, trotz einiger harter Monate, rechnen Sie im M&A auch mit positiven Effekten, die durch Corona entstehen können und welche Themen erfordern aktuell ebenfalls Ihr juristisches Know-how im M&A?
Holger Hofmeister: Die Corona Situation wird trotz aller negativer Einflüsse in einigen Bereichen auch zu einem erhöhten M&A Aufkommen beitragen und tut dies bereits schon. Viele große Player positionieren sich in stark fragmentierten Industrien als aktive Konsolidierer. Außerdem haben Private Equity Fonds prall gefüllte Kassen. Dies betrifft u.a. Industrien, in denen die Konsolidierung bereits vorher begonnen hat und durch die Corona-Situation beschleunigt wird. Ein offensichtliches Beispiel ist die Automobilindustrie. Hier dreht sich die Welt für alle Beteiligten – Hersteller, Zulieferer, Händler – bereits seit einiger Zeit sehr schnell, es sind viele Themen parallel zu bearbeiten (etwa Elektrifizierung, Vernetzung und autonomes Fahren). Vor allem viele kleinere und auch mittlere Unternehmen stehen vor immensen wirtschaftlichen Herausforderungen, denen nicht alle gewachsen sind. Es wird vermehrt zu distressed-Situationen kommen, die bereits Auslöser für verstärkte M&A Aktivitäten in diesem Bereich sind und es weiter sein werden.
Branchenübergreifend wird das Thema Abspaltung von Geschäftsbereichen, die nicht zum Kerngeschäftsmodell gehören, weiter an Bedeutung gewinnen. Zum einen, um sich auf die Kernbereiche zu fokussieren und Liquidität zu sichern. Zum anderen aber auch, um die durch den Verkauf gewonnene Liquidität für zielgerichtete Zukäufe zu nutzen.
Darüber hinaus wird die M&A Aktivität durch zunehmende Digitalisierung und regulatorische Anforderungen auch weiterhin und unabhängig von Corona anhalten.
Trotz stark gefallener Transaktionsvolumina in den letzten Monaten bleiben wir daher optimistisch, weiterhin viele spannende Transaktionen begleiten zu können und mit unseren Mandanten auch diese Zeiten gemeinsam zu meistern.
Ihr Fazit?
Frank Thiäner: Das Leben als M&A-Anwalt geht auch in der Krise weiter. Gerade jetzt kommt es entscheidend darauf an, was Sie selbst daraus machen.
Achim Glade: Das Jahr 2020 hat bei allen Herausforderungen auch eine Rückbesinnung auf das Wesentliche mit sich gebracht. Die stete Pflege einer guten Teamkultur hat sich bewährt, wir sind noch enger zusammengewachsen und unser guter Ruf im Markt hat trotz oder gerade wegen der Krise für tolle Mandate gesorgt. Auch in diesem besonderen Jahr war und ist für mich die Tätigkeit als M&A-Anwalt das Reizvollste, was der Anwaltsberuf zu bieten hat.
Holger Hofmeister: Die derzeitige Situation stellt die Wirtschaft und alle Marktteilnehmer global vor große Herausforderungen. Aber auch die Vergangenheit hat uns immer wieder vor große Herausforderungen gestellt, die wir gemeistert haben. Als Skadden haben wir uns immer weiterentwickelt und uns dabei an den sich verändernden Bedürfnissen unserer Mandanten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter orientiert. Der Bereich M&A ist und bleibt aus meiner Sicht extrem spannend und bietet auch in diesen Zeiten jungen Juristinnen und Juristen, die Spaß an einem dynamischen, internationalen Umfeld haben, eine tolle Chance für ihren Berufseinstieg und eine kontinuierliche Weiterentwicklung!
Vielen Dank, Herr Dr. Hofmeister, Herr Dr. Glade und Herr Dr. Thiäner!