Was sollten junge Juristen, die als Prozessanwalt tätig werden wollen, für den Bereich mitbringen?
Wichtig ist neben dem Interesse an rechtlichen Themen die Aufgeschlossenheit gegenüber technischen Sachverhalten. Man sollte Spaß daran haben, einen auf den ersten Blick komplizierten Fall wirklich genau unter die Lupe zu nehmen, um ein gutes Verständnis und überzeugende Argumente zu entwickeln. Denn Ziel ist es, dem Mandanten ein erstklassiges Arbeitsprodukt zu liefern und ihm zu dem gewünschten Erfolg zu verhelfen.
Neben Ihrer anwaltlichen Zulassung sind Sie auch als Zahnärztin approbiert und verfügen über weitreichende Kenntnisse im Gesundheitssektor. Sind naturwissenschaftliche oder technische Vorkenntnisse für die Tätigkeit im Patentrecht, insbesondere in der Prozessführung, eine notwendige Voraussetzung?
Klare Antwort: Nein, technische Vorkenntnisse oder eine technische Ausbildung braucht man nicht, um als Patent Litigator zu starten. Wichtig ist, dass man dafür brennt, ein guter Prozessanwalt zu werden und sich gut im Prozessrecht auskennt. Die technischen oder naturwissenschaftlichen Sachverhalte erschließen sich mit Unterstützung der Patentanwälte. Je länger man als Rechtsanwalt dabei ist, desto tiefer steigt man automatisch in die Technik ein und baut ein besseres Verständnis auf. Dabei ist es sicherlich hilfreich, wenn man einen eigenen technischen oder naturwissenschaftlichen Hintergrund hat, zwingend ist das aber nicht.
Inwiefern werden Sie in Ihrer alltäglichen Arbeit mit europäischen und internationalen Gesetzesnormen sowie grenzüberschreitenden Sachverhalten konfrontiert?
Sehr oft! Patentstreitigkeiten sind meistens globale Rechtsstreitigkeiten, die parallel in mehreren europäischen Ländern, den USA und Asien geführt werden. Da wir in Deutschland ein zweigeteiltes Patentrechtssystem haben, bei dem die Verletzungsverfahren von den Zivilgerichten häufig schneller entschieden werden als die Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht und dem BGH, können Pateninhaber mitunter recht zügig an einen Unterlassungstitel kommen.
Das macht Deutschland im internationalen Vergleich sehr attraktiv für Patentstreitigkeiten. Voraussichtlich ab 1. Juni 2023 wird das UPC erstmals seine Tätigkeit aufnehmen. Wir können dann auch Fälle aus anderen EU-Mitgliedsstaaten vor Gericht bringen, vergrößern also quasi unseren Wirkungskreis. Außerdem haben wir bei Finnegan einen hervorragenden internationalen Austausch, den die Kanzlei auch mit internationalen Treffen und Konferenzen stark fördert.
Wie sind die Teams je nach Projekt aufgestellt, und ziehen Sie bei technisch oder wissenschaftlich hochkomplizierten Fragen auch externe Berater hinzu?
Bei der Zusammenstellung der Teams schauen wir vor allem darauf, wer die beste Fachkompetenz für die im Verfahren relevanten Aspekte und die involvierte Technik hat. Bei technischen Fragen sprechen wir oft erst mit den Technikern und Fachabteilungsleitern auf Mandantenseite, da sie die Produkte und Herstellungsverfahren, um die wir streiten, am besten kennen. Wenn nötig, ziehen wir auch externe Sachverständige als Parteigutachter hinzu. Das sind häufig Hochschulprofessoren, die auf ihrem Gebiet absolute Experten sind.