Schiedsgerichtsbarkeit und Streitbeilegung an der UGA

Veröffentlicht am 10.04.2023

Schiedsgerichtsbarkeit und Streitbeilegung an der UGA

Alexandra Lampe im Interview

Alexandra Lampe hat ihr Erstes Staatsexamen in Köln erfolgreich abgeschlossen. Derzeit absolviert sie ihren LL.M. an der University of Georgia School of Law und ist als Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Peter B. Rutledge, dem Dekan der Law School, tätig. Zudem ist sie Repräsentantin der International Law Society und Teil der Mediation Clinic. Im Interview gibt sie uns einen Einblick in ihre Tätigkeiten.
 

Frau Lampe, Sie haben Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln studiert. Was hat Sie dazu bewegt, sich für einen LL.M. an der University of Georgia zu bewerben? 

Die Möglichkeit, mich weiter auf internationales Recht zu fokussieren und die für ein LL.M.-Programm geringer Größe mit 25 Teilnehmer:innen waren für mich Kriterien. Inspiration für meine Bewerbung kam darüber hinaus von meinem Arbeitgeber und Mentor, der mich durch das Studium und den Karriereeinstieg begleitet hat. Er hat an der University of Georgia School of Law bereits 1989 seinen LL.M. abgeschlossen.

Alexandra Lampe
Alexandra Lampe

Sie waren fünf Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit dem Schwerpunkt internationale Schiedsgerichtsbarkeit bei verschiedenen internationalen Sozietäten tätig. War die Wahl Ihres LL.M. in Business Law also eine logische Konsequenz für Sie?

Das war zunächst die logische Konsequenz. Nach Ankunft in den USA habe ich mich jedoch anders entschieden. Bedingt durch meine Erfahrungen im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit war es mir wichtig, mir neue Fachbereiche und juristische Themengebiete zu erschließen und mich nicht auf ausschließlich ein Rechtsgebiet zu konzentrieren.
 

Wie funktioniert die Kommunikation zwischen Professor:innen und LL.M.-Studierenden an der School of Law? Gibt es Kurse, die Sie besonders hervorheben wollen?

Das ist einer der signifikantesten  Unterschiede zu meinem Jurastudium an der Universität zu Köln. Die Kurse sind bedeutend kleiner – mein größter Kurs in den letzten beiden Semestern ist mit ca. 70 Teilnehmer:innen sehr viel kleiner als die Vorlesungen des Grundstudiums in Köln. Dies führt unter anderem dazu, dass die Professoren ihre Student:innen namentlich kennen und somit eine persönliche Beziehung zwischen Professor und Studierendem entsteht.

Tatsächlich kann ich in diesem Fall keinen meiner neun Kurse besonders hervorheben – alle Professor:innen waren hervorragend und trotz unterschiedlicher Lehransätze (Hausarbeiten, sokratische Methode oder nicht, open- und closed book Klausuren) habe ich von allen extrem viel gelernt und konnte mich mit Fragen jederzeit an sie wenden.

 

Sie sind bereits ausgebildete, registrierte und tätige Mediatorin und nehmen an der Meditation Clinic der UGA teil. Wie ist die Mediation Clinic aufgebaut? Haben Sie dadurch die Möglichkeit, an Fällen direkt mitzuarbeiten?

Die Mediation Clinic bietet mir die einmalige Gelegenheit, in den Gerichten in Georgia als Mediatorin aufzutreten und die Parteien dabei zu unterstützen, eine einvernehmliche Lösung ohne gerichtliche Verhandlung zu finden. Ich habe somit nicht nur die Möglichkeit an Fällen mitzuarbeiten, sondern verantworte diese ohne weitere externe Hilfe. Prof. McNiff hat das Training im letzten Semester geleitet und hält auch in diesem Semester eine die Clinic begleitende Vorlesung.

Der Begriff “Alternative Dispute Resolution” findet seinen Ursprung in den USA. Können Sie diesen Rechtsbereich näher beschreiben? Welche großen Unterschiede konnten Sie hinsichtlich der Streitbeilegung zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Rechtssystem feststellen?

Prinzipiell fällt unter den Begriff Alternative Dispute Resolution alles, was nicht unter die klassische gerichtliche Streitbeilegung fällt.

Große Unterschiede habe ich insbesondere durch die Clinic kennengelernt. Auch wenn die US-Amerikaner als sehr streitfreudig gelten, sind Mediation und Schiedsverfahren weniger reguliert und werden – meiner Meinung nach – häufiger in Anspruch genommen. Damit werden häufig klassische Gerichtsverfahren vermieden.
 

Was reizt Sie an dem Thema der (alternativen) Streitbeilegung besonders und inwiefern weichen Theorie und Praxis voneinander ab?

An der alternativen Streitbeilegung reizt mich besonders, einen effektiveren Weg zu finden, Streitigkeiten beizulegen. Insbesondere Mediationen erleichtern Parteien Auseinandersetzungen – emotional, zeitlich und finanziell. 
 

Sie nahmen als Studentin am 25. Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot Competition teil und gewannen eine ehrenvolle Erwähnung für “Best Memorandum for Respondent”. Wie sind Sie zum Moot Court gekommen? Welche Erfahrungen haben Sie besonders geprägt bzw. weitergebracht?

Bereits bei Studienantritt 2015 hatte ich den Vorsatz, über den „Tellerrand“ des klassischen Jurastudiums hinauszuschauen. Auch war ich mir darüber im Klaren, dass meine Interessen und Fähigkeiten mehr dem Privatrecht als dem Straf- und dem öffentlichen Recht galten.

Als sich mir im 5. Semester die Frage nach einem Auslandssemester oder der Teilnahme an einem Moot Court stellte, habe ich mich für den Moot Court entschieden. Glücklicherweise konnte ich mich für den Vis Moot Court qualifizieren. Durch die Teilnahme habe ich die Schiedsgerichtsbarkeit kennen und lieben gelernt, sowie das rechtliche Plädieren auf Englisch.

Den letzten Erfolg konnte mein Team beim Tenth LL.M. International Commercial & Investment Arbitration Moot Competition in Washington DC erzielen, bei dem wir für die University of Georgia School of Law teilnehmen durften. Dort haben wir den 1. Platz belegt und ich wurde mit dem 3. Platz als „Best Oralist“ ausgezeichnet. Diese war erneut eine Herausforderung, aber auch eine Bestätigung, das „richtige“ Rechtsgebiet ausgesucht zu haben.
 

Finden Sie, dass sowohl die alternative Streitbeilegung als auch die internationale Schiedsgerichtsbarkeit noch besser in das deutsche Jurastudium integriert werden sollte?

ADR sollte meiner Meinung nach definitiv mehr in das deutsche Jurastudium integriert werden. Speziell die internationale Schiedsgerichtsbarkeit muss ich mit einem Jaein beantworten.

Ich bin einerseits interessiert daran und möchte noch mehr Menschen dafür begeistern – andererseits ist es für viele rein deutsche Anwälte nicht relevant und wäre deshalb im deutschen Jurastudium nur ein weiterer Bereich, der den Studierenden zu vermitteln wäre. Und der Umfang des zu beherrschenden Stoffs für das 1. Staatsexamen ist bereits sehr umfangreich. 😊

LL.M. professionals development trip
LL.M. professionals development trip
Die Absolvierung eines LL.M.s ist eine persönliche und fachliche Herausforderung. Man muss sich auf die spezifische Vermittlung des Lehrstoffs einlassen und sich auf eine andere Lebensweise einstellen.
Alexandra Lampe

An der University of Georgia School of Law sind Sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin für den Dekan, der Experte für internationale Schiedsgerichtsbarkeit ist, tätig. Inwiefern profitieren Sie von dieser Tätigkeit und wie können Sie das mit dem LL.M.-Studium vereinbaren, Frau Lampe?

Bereits im Jurastudium in Deutschland habe ich in Kanzleien gearbeitet und damit neben dem Erwerb der theoretischen Kenntnisse immer auch einen Einblick in die Praxis bekommen. Dies wollte ich auch in den USA beibehalten.

Die Visabeschränkungen eröffneten mir dabei einen nur beschränkten Aktionsradius, so dass ich mich nach meiner Ankunft in den USA initiativ bei Dean Rutledge beworben habe. Meine Tätigkeit dort wird auf Stundenbasis abgerechnet. Es wird Rücksicht auf meine Arbeitsbelastung im Studium und meine Extracurriculars genommen, so dass ich ein Höchstmaß an Flexibilität bei der Ausübung meiner Tätigkeit habe.

Von der Tätigkeit für Dean Rutledge profitiere ich durch den Fokus auf Arbeit an wissenschaftlichen Themen und den durch diesen Experten in der Schiedsgerichtsbarkeit vermittelten Fachkenntnissen.
 

Ist es bei der Wahl des Rechtsgebietes ein “Muss”, einen stringenten roten Faden zu verfolgen oder ist es sinnvoller, sich in viele verschiedene Richtungen auszuprobieren – insbesondere mit Blick auf die Wahl des LL.M.?

Diese Frage hat sich mir auch gestellt. Ich habe mich gegen einen stringenten Verlauf entschieden. Mir waren und sind die Möglichkeiten, Erfahrungen in neuen Rechtsgebieten zu sammeln ebenso wichtig, wie mein Interesse meine Kenntnisse in der Schiedsgerichtsbarkeit und im ADR auszubauen. Aus diesem Grund habe ich mich gegen andere LL.M.-Programme entschieden, die eine Spezialisierung auf bestimmte Rechtsgebiete zum Inhalt haben.     
 

Sie bereiten sich momentan auch auf das New York Bar Exam vor. Welche Besonderheiten ergeben sich aus diesem speziellen Bar Exam und inwieweit benötigen Sie diesen Abschluss in der Streitbeilegung und internationalen Schiedsgerichtsbarkeit?

Der Entschluss, das Bar Exam abzulegen, hatte einen direkten Einfluss auf meine Kursauswahl an der UGA. Das Bar Exam setzt mindestens 6 Credits aus einer Liste an zu belegenden Kursen voraus. Allerdings ist diese Liste verglichen mit anderen US-Staaten sehr umfangreich. ADR ist (leider) kein Teil des Bar Exams.
 

Nach einem intensiven Lern- bzw. Arbeitstag ist auch die Freizeit ein wichtiger Aspekt beim LL.M. Welche Möglichkeiten bietet die Stadt Athens und was macht für Sie das Leben als internationale Studierende an der UGA aus?

Athens ist zwar eine Kleinstadt – aber etwa ein Drittel der Einwohner:innen sind Student:innen, weshalb sie über ein großes Studenten:innennetzwerk verfügt. Dadurch gibt es zahlreiche Interessenclubs und Aktivitäten. Und natürlich wird beim zweifachen National Champion im College Football der Uni-Sport groß geschrieben. An den Heimspieltagen zwischen zahlreichen Tailgaiting Ständen durch Athens zu schlendern ist einmalig. Auch in der Law School gibt es Student:innengruppierungen nach Interessengebieten – ich bin beispielsweise in der International Law Society als „LL.M. Representative“ aktiv.  

Dennoch ist für sämtliche Aktivitäten und Vereinigungen Eigeninitiative erforderlich. Man muss sich über das Angebot der Universität selbständig informieren und aktiv auf die Clubs/Interessenvereinigungen zugehen, insbesondere, wenn diese außerhalb der Law School liegen, wie z.B. Sportclubs und Chöre. 

„Prepare . Connect . Lead“

Wie wichtig ist es Ihrer Ansicht nach, aus der eigenen Komfortzone herauszukommen und über den juristischen Tellerrand zu blicken?

Die Herausforderung, aus der persönlichen Komfortzone zu treten ist für mich extrem wichtig. Neben dem Beginn eines neuen Lebensabschnitts „am anderen Ende der Welt“ ohne Familie und Freunde sind dies in Athens unter anderem: 

  1. die Aufnahme der Tätigkeit für Dean Rutledge durch Initiativbewerbung
  2. Vortanzen bei einem Tanzclub in dem ich nun Mitglied bin und
  3. Die Teilnahme in der Mediation Clinic und besonders die erste Mediation in einem amerikanischen Gericht in einer Mieter/Vermieter-Streitigkeit.    


Gibt es ein Highlight aus der Zeit an der UGA, das Ihnen in Erinnerung geblieben ist?

Es gibt so viele einmalige Eindrücke, die ich nie vergessen werde. Aber ganz sicher zählt dazu fachlich die erste Vorlesung nach der sokratischen Methode. Im Freizeitbereich würde ich den Besuch eines Heimspiels des hiesigen Football-Teams nennen, bei dem in der Karaoke-Halbzeitpause ein Countrysong von den 90.000 Besuchern des Spiels gesungen wurde.      
 

Was möchten Sie Jurist:innen mit auf den Weg geben, die sich überlegen, einen LL.M. zu absolvieren und unsicher bei der Berufswahl sind?

Die Absolvierung eines LLMs ist eine persönliche und fachliche Herausforderung. Man muss sich auf die spezifische Vermittlung des Lehrstoffs einlassen und sich auf eine andere Lebensweise einstellen. Die Möglichkeiten, sich dabei nicht nur fachlich weiterzuentwickeln, sind dabei groß und können den weiteren Berufsweg gravierend beeinflussen. 
 

Ihr Fazit?

Meinen Entschluss, den LLM an der UGA Law zu absolvieren, habe ich nicht bereut. Die Bandbreite der hier angebotenen Kurse und die Größe der Law School bieten eine einmalige Möglichkeit, das System des amerikanischen Jurastudiums kennenzulernen. Neben der Tatsache, dass es sich bei der UGA um eine der ältesten Universitäten der USA handelt, ist die UGA eine öffentliche Universität, so dass die Finanzierung eines LLM Programms durch geringere Studiengebühren einfacher ist.
 

Vielen Dank, Frau Lampe!

University of Georgia School of Law
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