Anwalt in seiner Kanzlei

Verfasst von Laura Hörner|Veröffentlicht am 15.01.2025

Stundensätze von Anwält:innen: Top-Fachbereiche und die Zukunft des Modells

Ein Blick auf die lukrativsten Fachbereiche, die Auswirkungen der Billable Hour auf Gehälter und mögliche Alternativen.

Der Stundensatz ist das verbreitetste Abrechnungsmodell von Anwält:innen und Kanzleien. Wer Anwält:innen engagiert, der bezahlt also meist die von ihnen benötigte Zeit für die Bearbeitung des jeweiligen Falls – ein Modell, das auch als Billable Hour bekannt ist. Kritiker:innen dieses Modells sind jedoch der Meinung, dass diese Vorgehensweise dazu führen kann, dass Kanzleien weniger Geld und Ressourcen in die Verbesserung ihrer Prozesse und Technologien investieren. Schließlich ließen sich bei einer effizienten Arbeitsweise zunächst weniger Stunden lukrativ abrechnen. Legal Tech Unternehmen und die zunehmende Bedeutung von künstlicher Intelligenz rütteln nun an dem Modell der Billable Hour und zeigen Alternativen auf.

Im Folgenden möchten wir unsere Recherchen zu Stundensätze in den Top-Fachgebieten teilen, einen Blick in die Zukunft der Billable Hour werfen und den Einfluss des Stundensatzes auf das Gehalt von Anwält:innen erklären. Erfahre hier, in welchen Fachbereichen du am meisten verdienen kannst und welche Alternativen es zur Billable Hour gibt.

 

So beeinflusst der Stundensatz das Gehalt

Die Billable Hour kennen alle Anwält:innen: Schließlich werden schon Associates dazu angehalten, eine bestimmte Anzahl davon zu leisten. 1.750 sollen es zum Beispiel laut azur im ersten Jahr bei A&O Shearman sein, 1.600 bei Bird & Bird und 1.800 bei Cleary Gottlieb Steen & Hamilton.

Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Stundensatz und dem Gehalt von Anwält:innen besteht zunächst nicht. Hier müssen zusätzlich noch weitere Faktoren berücksichtigt werden: Entscheidend für das Gehalt ist nicht allein der Stundensatz, sondern unter anderem auch der Gesamtgewinn der Kanzlei. Diese muss schließlich Fixkosten bezahlen und nachhaltig wirtschaften. Ebenso können verschiedene Vergütungsmodelle wie eine Gewinnbeteiligung oder erfolgsabhängige Boni den Zusammenhang zwischen dem Stundensatz und dem Gehalt weiter vermindern.

Nichtsdestotrotz steigen mit hohen Stundensätzen natürlich auch die Einnahmen der Kanzlei,"wodurch theoretisch höhere Gehälter ermöglicht werden". Möchtest du also in einen möglichst gut bezahlten Fachbereich einsteigen, kannst du dich durchaus an den durchschnittlichen Stundensätzen orientieren.

In diesen Rechtsgebieten sind die Stundensätze am höchsten

Hohe Stundensätze ziehen oftmals auch höhere Gehälter nach sich. Bist du auf der Suche nach einem Job in einem lukrativen Fachbereich, lohnt sich also der Blick auf die durchschnittlichen Anwaltskosten. So kannst du dich für einen besonders profitablen Bereich entscheiden. Diese Stundensätze erwirtschafteten Partner:innen in Anwaltskanzleien durchschnittlich im Jahr 2023:

Fachbereich ⌀ Stundensatz Partner:in in €
Compliance 407
Konfliktlösung 394
Wirtschaftsstrafrecht 393
Kartellrecht 391
Restrukturierung / Sanierung 379
Regulierung Verkehr 373
Banking / Finance 368
Private Equity 358
Gewerblicher Rechtsschutz 358
Vertrieb / Außenhandel 353
Versicherungsrecht 352

Quelle: Statista

 

Ein etwas anderes Bild ergibt sich aus einem Blick auf die Stundensätze der teuersten Associates in Anwaltskanzleien im Jahr 2021. Auch wenn die Reihenfolge etwas abweicht, sind dennoch ähnliche Rechtsgebiete bei den Top-Stundensätzen dabei:

Fachbereich Stundensatz (€)
Wirtschafts- / Steuerstrafrecht 315
Restrukturierung / Sanierung 296
Kartellrecht 296
Vertrieb / Außenhandel 293
Gewerblicher Rechtsschutz 290
Banking / Finance 285
Compliance 284
Medien 283
Private Equity 279
Gesundheitswesen 276

Quelle: Statista

 

Die hohen Stundensätze in diesen Fachbereichen spiegeln sich auch in den Gehältern der Anwält:innen wider. In Boutiquen können beispielsweise Kartellrechtler:innen mit durchschnittlich 120.000 € pro Jahr rechnen, im Bereich Banking und Finance liegen die durchschnittlichen Gehälter hier bei rund 116.000 €. Im Medienrecht liegt das durchschnittliche Einstiegsgehalt in Boutiquen bei rund 108.000 €. Auch Private Equity kann bei diesen Zahlen mithalten: 104.000 € sind durchschnittlich für Associates drin. Bei diesen Zahlen handelt es sich selbstverständlich nur um Mittelwerte. Mit fortschreitender Karriere können Anwält:innen, vor allem in Großkanzleien und spezialisierten Boutiquen, auch deutlich höhere Gehälter erzielen.

Bist du bereits Expert:in in einem dieser Rechtsgebiete oder möchtest dich weiter spezialisieren, dann lohnt es sich, den Jobmarkt im Blick zu behalten. Auch wenn du aktuell nicht auf der Suche bist, kannst du dich auf juristischen Plattformen auf dem Laufenden halten und die Entwicklungen in deinem Spezialbereich beobachten. Zum Beispiel hier bei Talent Rocket: Bei uns findest du laufend neue Jobs in den unterschiedlichsten juristischen Fachbereichen und erhältst Insider-Infos zu spannenden Arbeitgebern. Mit einer Registrierung bei uns erfährst du als erster von lukrativen Stellenanzeigen und kannst dich sofort mit nur einem Klick bewerben. 

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Diese Rechtsgebiete bringen die niedrigsten Stundensätze

Neben den Fachbereichen mit der teuersten Beratung schauen wir uns nun das untere Spektrum der Stundensätze an. Besonders schlecht schneiden hier das Vergaberecht, das private Baurecht sowie das Öffentliche Recht ab. In diesen Bereichen sind die Gehälter oftmals dementsprechend weniger attraktiv.

Quelle: Statista
Fachbereich ⌀ Stundensatz (in €)
Vergaberecht 286
Privates Baurecht 304
Öffentliches Recht 305
Arbeitsrecht 321
Energierecht 323
Datenschutz 327
Immobilien 331
Nachfolge / Vermögen 331
Gesundheitswesen 332
Informationstechnologie 336
M&A 340
Medien 345
Gesellschaftsrecht 346

Viele Faktoren beeinflussen den Stundenlohn von Anwält:innen

Während sich für Fachbereiche wie das Wirtschaftsstrafrecht, Compliance, das Kartellrecht, Restrukturierung und einige mehr besonders hohe Stundensätze berechnen lassen, sind das Vergaberecht, das öffentliche Recht und das private Baurecht in finanzieller Hinsicht weniger lohnend.

Die großen Unterschiede in den Stundensätzen haben die verschiedensten Ursachen und lassen sich kaum verallgemeinern. Zum Beispiel spielt das Budget der Mandant:innen eine Rolle: Gerade im öffentlichen Bereich oder bei Privatpersonen ist oft weniger Geld verfügbar als in der freien Wirtschaft. Auch der wirtschaftliche Wert der Streitfragen ist oftmals geringer als zum Beispiel im Bereich Compliance oder Wirtschaftsstrafrecht. Dazu kommt, dass in manchen der weniger lukrativen Fachbereichen ein breiteres Beratungsangebot und damit ein höherer Preisdruck besteht. All das beeinflusst letztendlich den Stundensatz.

Bedacht werden muss außerdem, dass es sich bei diesen Zahlen selbstverständlich nur um Durchschnittswerte handelt – auch in Fachbereichen mit tendenziell niedrigeren Stundenlöhnen können bei entsprechender Spezialisierung und vorzuweisenden Erfolgen höhere Einkommen erzielt werden.
 

Weitere Einflussfaktoren auf Stundensätze von Anwält:innen

Nicht nur der Fachbereich, auch andere Faktoren beeinflussen den Stundensatz von Anwält:innen. Unterschiedliche Aspekte sind dafür verantwortlich, dass Mandant:innen bei manchen Kanzleien mehr zahlen als bei anderen:

  • Ausschlaggebend ist natürlich die Spezialisierung der Anwält:innen. Sind diese erfahrene Expert:innen in ihrem Rechtsgebiet, steigen auch die Stundensätze. Das muss nicht zwingend in einer teureren Beratung resultieren: Spezialist:innen arbeiten aufgrund ihrer Erfahrung oft zeiteffizienter.
  • Relevant ist auch die Kanzleiform. Während Einzelanwält:innen oder kleine Kanzleien oftmals günstiger beraten, verlangen Großkanzleien hohe Stundensätze. Auch spezialisierte Boutiquekanzleien können hohe Stundensätze verlangen.
  • Kanzleien müssen mit ihren Einnahmen auch ihre Ausgaben decken. Sind diese – zum Beispiel aufgrund eines teuren Bürostandorts – hoch, müssen auch die Stundensätze höher angesetzt werden.
  • Nicht zuletzt steigt der Stundensatz mit der Komplexität des Mandats. Ist dieses besonders anspruchsvoll, steigen auch die Einnahmen der Kanzlei.

Die Vor- und Nachteile von Stundensätzen

Das Modell der Stundensätze ist nicht ohne Grund seit langer Zeit beliebt – 2018 rechneten 70 % der Anwält:innen ihre Mandate über Zeithonorare ab. Und dass das Vergütungsmodell auch heute noch von Relevanz ist, zeigt nicht zuletzt das in dieser Angelegenheit jüngste BGH Urteil vom 12. September 2024 (Az. IX ZR 65/23). Demnach bleiben formularmäßige Zeithonorarvereinbarungen mit Verbraucher:innen grundsätzlich zulässig – auch ohne eine vorherige Schätzung der Gesamtkosten oder Zwischenabrechnungen. Voraussetzung hierfür sind transparente Klauseln bzw. die Einhaltung der Anforderungen aus § 307 Abs. 1 BGB (unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen Für Kanzleien und Anwält:innen hat dies den Vorteil, dass sie auch unvorhersehbaren Zeitaufwand berechnen können und so keine Verluste machen. Das ermöglicht eine qualitativ hochwertige Arbeit: Anders als zum Beispiel bei Pauschalpreisen stehen die Rechtsanwält:innen weniger unter Zeitdruck und sind eher bereit, die “Extra-Meile” zu gehen. Mandant:innen wiederum können dank der detaillierten Dokumentation genau nachvollziehen, wofür sie bezahlen und welche Leistung dahinter steht.

Doch das Modell bringt auch einige Nachteile mit sich – nicht nur für Mandant:innen. Diese können nämlich vor allem bei längeren oder komplexeren Fällen die Gesamtkosten oftmals nur schwer abschätzen. Auch der Generalverdacht, dass Kanzleien bewusst nicht in neue Technologien investieren, deren Nutzung in Zeitersparnis damit geringeren Kosten für die Mandat:innen resultieren könnte, belastet die Kanzlei-Mandanten-Beziehung. All das kann zu Unzufriedenheit führen und im schlimmsten Fall sogar dazu, dass Mandant:innen zu Konkurrenten mit besseren Preismodellen abwandern.

Für Kanzleien sind die Stundensätze ebenfalls nicht ohne Nachteile. Einer davon ist der hohe Verwaltungsaufwand, der durch die Dokumentation entsteht. Die Billable Hour sorgt zudem dafür, dass Innovationen und zeiteffizientere Abläufe nicht belohnt, sondern zunächst einmal sogar bestraft werden. Langfristig kann dies der Kanzlei schaden: Geht diese nicht mit der Zeit, kann sie irgendwann nicht mehr mit Konkurrenten mithalten, die vermehrt effizientere Abläufe und günstigere Preismodelle anbieten.

Der Stundensatz: Unumgänglich oder bröckelndes Modell?

Was früher selbstverständlich war, führt heutzutage immer mehr zu Unverständnis bei Mandant:innen. Schließlich sorgen Legal Tech und künstliche Intelligenz dafür, dass Aufgaben, die noch vor kurzer Zeit viele teure Stunden in Anspruch genommen haben, sich heute in nur wenigen Minuten erledigen lassen. Dessen werden sich auch die Auftraggeber:innen bewusst, die infolgedessen von den Kanzleien mehr Innovation und Effizienz erwarten. Während viele Kanzleien und Anwält:innen noch an der Billable Hour festhalten, entwickeln sich alternative Angebote, welche den klassischen Stundensatz immer stärker unter Druck setzen. Besonders in den USA und Großbritannien wird die Kritik an bestehenden Modellen immer lauter, doch auch im deutschsprachigen Raum zeichnen sich Veränderungen ab.

Einige Kanzleien und Legal Tech Unternehmen machen es bereits vor: Sie arbeiten nicht mehr nach Stundensatz, sondern haben sich für andere Modelle entschieden. So zum Beispiel Festhonorare, bei denen die Mandant:innen nicht mehr für die aufgewendete Zeit, sondern für die erbrachte Leistung bezahlen. In diesem Zusammenhang sind auch sogenannte Success Fees möglich, welche im Erfolgsfalls zusätzlich zum Honorar erhoben werden. Preisobergrenzen sind beliebt, um für eine bessere Planbarkeit zu sorgen. Möglich sind zudem Abonnements, welche bei einer langfristigen Zusammenarbeit sinnvoll sein können. Mandant:innen zahlen dabei eine regelmäßige Gebühr für die laufenden Beratungsleistungen.

 

Die KI-Revolution: Der Stundensatz könnte bald Geschichte sein

Stefan Schicker von SKW Schwarz, der als Vorsitzender des Legal Tech Verbandes und auch als Innovationsberater für viele Kanzleien und Unternehmen tätig ist, sieht in diesem Zusammenhang einen Unterschied zwischen Rechtsabteilungen in Unternehmen und klassischen Anwaltskanzleien: "Rechtsabteilungen treiben den Wandel voran, da sie durch den Einsatz von KI effizienter arbeiten und Kosten sparen können. Kanzleien hingegen halten oft an abrechenbaren Stunden fest, obwohl langfristig eine strategische Neuausrichtung erforderlich ist, um Mandantenbeziehungen nachhaltig zu gestalten. [Durch KI können Kanzleien] Arbeitszeit minimieren und stattdessen Pauschalen vereinbaren, die für beide Seiten vorteilhaft sind.", sagt er im Interview mit TalentRocket.

Die alternativen Modelle setzen voraus, dass Kanzleien effizienter arbeiten und beispielsweise auch Legal Tech Anwendungen und künstliche Intelligenz in ihre Arbeit einbeziehen. Anwält:innen sollten im Umgang mit Legal Tech geschult werden und fähig sein müssen, dessen Potentiale zu erkennen und einzusetzen. So können sie einerseits wettbewerbsfähige Preise anbieten und andererseits ihre Gewinne vergrößern.

Eine Entwicklung in diesem Bereich zeichnet sich bereits ab. Laut der Future Ready Lawyers Studie 2024 von Wolters Kluwer möchten zumindest 58 % der befragten Kanzleien die Investitionen in generative künstliche Intelligenz in den nächsten drei Jahren erheblich erhöhen. Andererseits bieten 30 % der Kanzleien und Rechtsabteilungen noch nicht einmal Schulungen in diesem Bereich an.

 

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Laura Hörner
Kulturwirtschaft Uni Passau

Als freie Autorin schreibt Laura Hörner bei TalentRocket über Themen rund um die juristische Karriere. Besonders interessiert sie sich dabei für die vielfältigen Karrierewege, die Jurist:innen offenstehen.