Meine Verwaltungsstation als 2. Station während des Referendariats absolvierte ich beim Rechtsamt in Koblenz.
Meine Verwaltungsstation als 2. Station während des Referendariats absolvierte ich beim Rechtsamt in Koblenz.
Das Rechtsamt in Rheinland-Pfalz stellt im Gegensatz zu anderen Bundesländern eine Besonderheit dar. Beim Rechtsamt befindet sich der Stadtrechtsausschuss. Der Stadtrechtsausschuss ist die Stelle, die alle bei der Stadt Koblenz eingehenden Widersprüche nach einem gesetzlich normierten Verfahren bearbeitet.
Der Widerspruch ist der wohl bekannteste außergerichtliche Rechtsbehelf. In einem grundsätzlich kostenpflichtigen Verfahren werden Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der städtischen Bescheide aus den Bereichen überprüft, in denen die Stadt hoheitlich handelt. Diese Bereiche sind zum Beispiel das Abgabenrecht, das Baurecht und das Sozialrecht. In Rheinland-Pfalz ist das Widerspruchsverfahren gesetzliche Voraussetzung für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage.
Das Widerspruchs- oder Vorverfahren, weil es der Klage vorgeschaltet ist, hat damit folgende Funktionen:
Da das Widerspruchsverfahren in Rheinland-Pfalz eine Besonderheit darstellt, wird es auch besonders gerne im Examen – sowohl im schriftlichen als auch im mündlichen – geprüft. Zudem sind die Fälle, die der Stadtrechtsausschuss bearbeitet, allesamt sehr prüfungsrelevant.
Von A wie Abschleppfälle, über die Baugenehmigung, den Fahrerlaubnisentzug bis hin zu Z wie Zulassung zum Weihnachtsmarkt hat man beim Rechtsamt eine Vielzahl anspruchsvoller und examensnaher Sachverhalte zu prüfen.
Auch in den Skripten, die uns Referendaren zur Verfügung stehen, findet man das Widerspruchsverfahren nicht. Daher stellt die Station beim Rechtsamt, neben der AG, die einzige Möglichkeit dar, das Schreiben von Widerspruchsbescheiden aktiv zu üben. Zur Wiederholung des Examensstoffs des 1. Staatsexamens sowie zur Vorbereitung auf das 2. Staatsexamen ist die Station beim Rechtsamt aus meiner Sicht daher ideal.
Grundsätzlich empfiehlt es sich, die Verwaltungsstation frühzeitig zu planen, wenn man eine bestimmte Stelle ins Auge gefasst hat. Bei einigen Kreis- bzw. Stadtverwaltungen wird sogar eine schriftliche Bewerbung gefordert. Bei der Stadtverwaltung bzw. beim Rechtsamt der Stadt Koblenz genügt hingegen ein Telefonat.
Jedoch sind die Ausbildungsstellen auf 2 Referendare begrenzt. Ein 3. Referendar kann eine halbe Stelle bekommen, d.h. er teilt die 4-monatige Verwaltungsstation auf 2 Monate beim Verwaltungsgericht und 2 Monate beim Rechtsamt auf. Ein Auswahlverfahren o.ä. gab es nicht – frei nach dem Motto „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!“
Einen „typischen“ Arbeitstag gab es bei mir nicht. Einmal in der Woche, meist sogar an die AG-Tage angepasst, habe ich von meiner Ausbilderin 1-2 Akten zur Bearbeitung erhalten. Die Arbeitszeit konnte ich mir daher zuhause flexibel einteilen. Gleichzeitig habe ich mit meiner Ausbilderin meine bereits bearbeiteten Akten besprochen.
Meine Aufgabe bestand zumeist darin, Widerspruchsbescheide zu fertigen. Alle 4-6 Wochen finden Stadtrechtsausschusssitzungen statt, die ich als stille Zuhörerin begleitete. Auch zu Verhandlungen am Verwaltungsgericht habe ich meine Ausbilderin begleitet.
In einer der Gerichtsverhandlungen ging es z.B. um die abgelehnte Zulassung zu einem Sommerfest. Der Schausteller begehrte einen Platz bei dem jährlichen Sommerfest mit seiner Berg-und-Tal-Bahn. Dieses Begehren wurde in dem Bewerbungsverfahren jedoch abgelehnt, da die Jugend wohl Fahrgeschäfte wie dem Breakdancer bevorzugt und die Bahn des Schaustellers nicht mehr „hip“ genug war.
Ein anderes Mal ging es um die Frage, ob das Massagegewerbe einer Dame in ein Gebiet mit eher luxuriösen und vor allem seriösen Ladengeschäften sowie Wohnhäusern passt. Problematisch war wohl, ob es sich bei den angebotenen Dienstleistungen tatsächlich nur um herkömmliche Massagen handelte.
Aktiv durfte ich bei den Verhandlungen und Stadtrechtsausschusssitzungen leider nicht werden. Dies ist auch nicht üblich beim Rechtsamt. Wer also aktiv Verhandlungen führen möchte, freut sich am besten schon auf die in Rheinland-Pfalz nachfolgende Strafstation, in der Referendare bei der Staatsanwaltschaft die Sitzungsvertretung übernehmen dürfen.
Zusätzlich hatte ich Aktenvorträge zu halten, die zum einen für das Stationszeugnis benötigt wurden und zum anderen auf das mündliche Examen vorbereiten sollten. Auch hier wurden examenstypische Fälle herausgesucht. Die Akte durfte ich dann innerhalb von 90 Minuten vorbereiten und die Akte einschließlich meiner Lösung anschließend meiner Ausbilderin vorstellen.
Die AG fand immer an einem Tag in der Woche statt. Zunächst hatten wir nur am Nachmittag eine AG, in der materielle Probleme für das Examen besprochen wurden. Für einige Wochen kam dann auch am Vormittag eine AG für den prozessualen Teil dazu. Während der Station mussten wir vier Klausuren schreiben und es wurde Gelegenheit zum Aktenvortrag gegeben. Zusätzlich gab es eine ganztägige Sonderveranstaltung im Europarecht.
Neben der AG und der Präsenzzeit beim Rechtsamt hatte ich noch ausreichend Zeit zum Lernen. Für die Bearbeitung der Akten musste ich meist einen Tag in der Woche à 8 Stunden aufwenden. Neben den Klausuren wurden die Aktenbearbeitungen und die Aktenvorträge bewertet.
Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir ein Verwaltungsanwalt des etwas (sehr) älteren Semesters während einer Stadtrechtsausschusssitzung. Dieser sympathische Anwalt hatte es nicht eilig. Schon etwa 15 Minuten zu spät zum Termin erschien er in aller Seelenruhe und mit einem Lächeln auf den Lippen. Er stellte seinen Aktenkoffer auf dem Tisch ab. Nun öffnete er erstmal eine Flasche Wasser und schenkte sich ein Schlückchen in sein Glas auf dem Tisch ein. Dann nahm er seinen Aktenkoffer etwas näher an sich heran und überlegte. Er nahm sich Zeit. Er probierte eine Zahlenkombination und – zu seiner freudigen Verwunderung öffnete sich sein Aktenkoffer sofort!
Die Stadtrechtsausschusssitzungen laufen – wie man sieht - sehr viel gemütlicher ab als Gerichtsverhandlungen.
Sie sind weniger förmlich, wenngleich auch dort der Sachverhalt zunächst von Seiten des Stadtrechtsausschusses dargestellt wird und sodann dem Widerspruchsführer (Bürger) und dem Widerspruchsgegner (Stadt) Gelegenheit zur Äußerung gegeben wird.
Erfahrungsberichte, die dir bei deiner Entscheidung helfen:
→ "Meine Zeit als Referendarin bei der Staatsanwaltschaft"
→ Erfahrungsbericht: Mein Rechtsreferendariat in Hong Kong
→ Geld schläft nicht – Verwaltungsstation im Bundeszentralamt für Steuern
Der Beruf als Volljurist beim Rechtsamt bringt viele Vorteile mit sich. Als Beamter erfolgt die Bezahlung nach dem TVöD. Zumindest bei größeren Städten hat jeder Volljurist einen bestimmten Aufgabenbereich. Zwar mögen die Aufstiegschancen eher gering sein, aber dafür findet sich hier eine sehr gute Work-Life-Balance. Die Voraussetzungen sind meist 2 befriedigende Examina.
Die Verwaltungsstation bietet sich vor allem für Referendare an, die examenstypische Fälle bearbeiten wollen und selbst nicht aktiv in der Station mitwirken möchten. Eine bessere Möglichkeit, um Widerspruchsbescheide zu üben, gibt es meiner Ansicht im Referendariat nicht.