„Für 3 Monate umziehen ist mir zu stressig“
Im Referendariat fühlte ich mich nicht unbedingt selbstbestimmt. – die Tagesstruktur wird stark durch das Programm der Arbeitsgemeinschaft und durch die Verhandlungen vorgegeben. Allerdings war zumindest eine Vertrautheit bezüglich des Ortes da. Eine kleine Unsicherheit in mir fragte sich deshalb, ob es nicht besser wäre, an diesem bekannten Ort mit einer halbwegs funktionierenden Routine zu bleiben und nicht zwei Koffer gefüllt mit Gesetzen und Kommentaren 350km weiter zu schleppen. Den Zettel mit der bestätigten Abordnung hielt ich allerdings schon in der Hand –für Zweifel blieb also keine Zeit und so packte ich noch zwei weitere Koffer und machte mich auf den Weg von München nach Speyer.
Rückblickend würde ich mein Ich von vor wenigen Wochen gerne beruhigen. Schließlich benötigt man für drei Monate nicht den kompletten Hausstand und kann darüber hinaus an den Wochenenden in die Heimatstadt zurückfahren – der Umzug muss deshalb kein Riesenprojekt werden.Praktisch ist auch, dass man in den meisten Bundesländern Anspruch auf Trennungsgeld hat, wenn man wegen des Speyer-Semesters eine Zweitwohnung finanzieren muss. Monatlich sind das in Bayern etwa 150€, wobei die Miete im Wohnheim am Campus 300€ beträgt (Einzelzimmer). Insgesamt gibt es am Campus der DUV zwei Wohnheime: das Otto-Mayer-Wohnheim und das Freiherr-vom-Stein Gästehaus. Das Otto-Mayer-Wohnheim ist etwas neuer und daher ist es für manche ein Glücksgriff, dort einen Platz zugewiesen zu bekommen. So oder so steht fest, dass man sich schneller in den Speyrer-Campus verliebt, als man anfangs meint!
Auch die Menschen vor Ort schließt man schnell ins Herz. Anders als an großen juristischen Fakultäten ist das Verhältnis an der DUV Speyer extrem familiär und man lernt sehr schnell viele neue Leute kennen, denen man dann Tag für Tag über den Weg läuft. Durch diese räumliche Nähe gewinnen die Kontakte schon nach kurzer Zeit an Tiefe – in meinem Fall entwickelte sich sehr schnell eine unfassbar vertraute Gruppe, die ich heute auf keinen Fall missen möchte.
„Dort macht man doch nur Verwaltungsrecht“
Der Name „Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften“ vermittelt den Eindruck, hier würden nur Vorlesungen zum Verwaltungsrecht abgehalten und man müsste das gesamte Zivil- und Strafrecht drei Monate links liegen lassen. Diesem Vorurteil kann ich mit bestem Gewissen komplett widersprechen. In meiner Kurswahl finden sich Veranstaltungen zum Zwangsvollstreckungsrecht, Zivilrecht, Strafrecht und Europarecht. Insgesamt bietet die Uni Speyer nicht nur Veranstaltungen in sämtlichen Rechtsgebieten, sondern eine sehr breite und interdisziplinäre Palette an Lehrveranstaltungen, da hier auch diverse wirtschaftswissenschaftliche Lehrstühle angesiedelt sind. Dadurch kann man das Speyer-Semester auch mit Personal- oder Projektmanagement oder Sprachkursen füllen.
Somit kann man das Speyer-Semester fachlich sowohl als Rep-Semester als auch als eine nahezu komplette Abkehr von juristischen Veranstaltungen nutzen – oder eben etwas dazwischen. Erfreulicherweise hat man also im Referendariat in Speyer viele Gestaltungsmöglichkeiten, wodurch man die Gelegenheit hat, neue Dinge auszuprobieren. Ich selbst habe in Vorbereitung auf meinen Steuerrechts-Kurs in meiner Heimat-AG vorsorglich Kurse im Steuerrecht an der DUV Speyer gewählt und so wirklich Gefallen am Fach gefunden, weil ich mich (noch) ohne Examenshintergedanken frei damit beschäftigen konnte. Zur Abwechslung werde ich hier nur im Rahmen der Landesübung Bayern (ein Äquivalent zur AG in der Heimat) mit klassischen Klausurformaten konfrontiert, darf jedoch im Rahmen meines Seminars zum Thema „Predictive Policing“ sowie in meiner Arbeitsgemeinschaft im Bereich „Grundrechtsschutz durch den EGMR“ eine weitestgehend freie schriftliche Arbeit verfassen sowie einen Vortrag halten. Dadurch habe ich erstmals das Gefühl, im Referendariat in Speyer kreativ tätig sein zu können, ohne den sonst dauerpräsenten juristischen Formzwang. Allerdings leidet man auch in Speyer wegen des juristischen Bezugs nicht an chronischer Unterbeschäftigung und wird durch die Prüfungsleistungen gut auf Trab gehalten.
„Die feiern da doch sowieso nur“
Vor Beginn meines Semesters wurde ich häufig gefragt, ob meine Leber denn schon bereit sei für den Ausnahmezustand. Mich jedenfalls hat das anfangs abgeschreckt, da ich ungern aus Gruppenzwang ins Alkohol trinken geraten wollte. In Speyer angekommen, sah die Lage bereits ganz anders aus – im Freiherr-vom-Stein Wohnheim befindet sich zwar im Untergeschoss eine Bar, die praktisch jeden Abend geöffnet ist. In der Regel finden montags und mittwochs jeweils Motto-Partys statt, wozu beispielsweise auch die von den einzelnen Ländern veranstalteten Partys zählen. Das Alkoholangebot ist sowohl preislich als auch quantitativ verlockend, jedoch kann man die Bier-Pong-Runden auch ohne Bier in der Hand gewinnen. Der Spaßfaktor auf den Partys ist damit an jedem Punkt der Promilleskala sehr hoch, daneben kommen auch die Techno-Fans in etwas versteckt liegenden Räumen auf ihre Kosten! An den restlichen Tagen ohne Motto kann man in der Bar auch gelassen den Uni-Tag ausklingen lassen.