Dr. Franziska Kastner Stadtverwaltung Landeshauptstadt München Interview

Von der Kanzlei in die Stadtverwaltung

Dr. Franziska Kastner über ihren Wechsel und die Vorteile des öffentlichen Dienstes

Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat – gerade mit Blick auf die aktuelle Wohnraumsituation – die spannende Aufgabe die Stadt München strategisch und räumlich weiter zu planen. Das bedeutet aber nicht nur „Baurecht“ zu schaffen, sondern qualitätsvolle und lebendige Stadtquartiere mit einem genauen Blick auf die Verkehrsentwicklung, die Grünflächenausstattung und die Infrastruktureinrichtungen, wie Kindergärten, Kitas und Schulen, zu entwickeln. Hierbei gilt es, Traditionen zu bewahren und zugleich Neues zu wagen – das ist eine für mich absolut reizvolle Herausforderung. Ich gestalte damit „mein“ München Tag für Tag mit. Organisatorisch gliedert sich das Referat mit seinen rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterschiedlichster Professionen in vier Hauptabteilungen. Ich leite in der Hauptabteilung II, der Stadtplanung, im Bezirk Ost das Verwaltungsteam mit 12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
 

Frau Dr. Kastner, Sie waren fast 7 Jahre als Rechtsanwältin in verschiedenen Kanzleien tätig. Wie kam es zu dem Wechsel in den öffentlichen Dienst?

Der Wechsel kam durch den Wunsch, endlich selbst mitgestalten zu können, aber das muss ich vermutlich etwas genauer ausführen: Ich hatte bereits im Studium meinen Schwerpunkt auf das öffentliche Baurecht gelegt, dann an der Deutschen Verwaltungshochschule in Speyer ein öffentlich-rechtliches Ergänzungsstudium absolviert und letztlich im Planungs- und Umweltrecht promoviert.

Die Fachrichtung habe ich also sehr früh festgelegt. Als Rechtsanwältin für öffentliches Planungsrecht vertrat ich ausschließlich die Interessen der Investoren und Projektentwickler gegenüber der Baurecht schaffenden Kommune. Man ist stets der „Zuarbeiter“ und zugleich die „juristische Feuerwehr“ wenn etwas schief geht und man das Steuer noch herumreißen muss. Als Rechtsanwältin und Interessensvertreterin hat man aber keinen Einfluss auf die Planung selbst. Die Planungshoheit obliegt alleine der Kommune.

Nach 7 Jahren wollte ich nicht mehr nur beraten und dabei zusehen, was die Stadt plant, sondern selbst gestalterisch tätig werden.

Und ich bin nach wie vor sehr froh über die Entscheidung. Im Bezirk Ost der Landeshauptstadt München, also in den Stadtbezirken 13 bis 19, erarbeite ich nun als Juristin gemeinsam mit Stadtplanern, Architekten, Verwaltungswirten und der Grünplanung die Bebauungspläne und gestalte nun diesen Teil der Stadt mit.
 

Wie hat sich die Umstellung von dem Berufsalltag in der Kanzlei auf den in der Stadtverwaltung bei Ihnen gestaltet und wo lagen die Herausforderungen bei der Umgewöhnung?

Statt eines eigenen Sekretariats, eines Diktiergeräts und Schriftsätzen haben plötzlich Laufzettel, Unterschrifts- und Mitzeichnungsmappen und ein Arbeiten nah an der Politik Einzug gehalten. Hinzu kam auch ein regelmäßiger interdisziplinärer projektbezogener Austausch in den Team- und Abteilungsbesprechungen.

Das ist natürlich eine Umstellung gewesen, allerdings fiel mir das rückblickend nicht sonderlich schwer. Die Kolleginnen und Kollegen haben es mir sehr leicht gemacht. Alle sind sehr kooperativ und hilfsbereit gewesen; das typische „Ellenbogengerangel“, das in Großkanzleien unvermeidbar ist, existiert hier gar nicht. Wirkliche Herausforderungen bei der Umgewöhnung gab es daher nicht.
 

Frau Dr. Kastner, wie steht es bei Ihnen mit der Work-Life-Balance? Sind Sie diesbezüglich bei der Landeshauptstadt München als Arbeitgeberin an einer besseren Adresse als in der freien Wirtschaft?

Ein Leben neben der Arbeit und eine gesunde Work-Life-Balance sind mir sehr wichtig und nachdem ich beide „Seiten“ kennenlernen durfte kann ich uneingeschränkt sagen: Die Work-Life-Balance im öffentlichen Dienst ist absolut unangefochten.

Bei der Landeshauptstadt München habe ich flexible Arbeitszeiten, eine 40-Stunden-Woche, und als Beamtin zudem eine hervorragende Altersversorgung. Hinzu kommen 30 Tage Urlaub im Jahr und für den Fall, dass ich doch einmal länger arbeiten muss, kann ich meine Überstunden in Freizeit umwandeln.

Sie haben als Referendarin ihre Wahlstation in der deutschen Botschaft in Montevideo, Uruguay, verbracht und erhielten dort erste Einblicke in die Arbeit des Auswärtigen Amts. Danach waren Sie zunächst als Rechtsanwältin tätig. Weshalb kam für Sie nicht gleich eine Karriere im öffentlichen Dienst infrage?

Die Tätigkeit an der deutschen Botschaft in Montevideo war für mich sehr bereichernd, obgleich mir danach auch schnell klar war, dass ich mir ein Leben „auf der Durchreise“ nur schwer vorstellen kann.

Alle drei bis fünf Jahre wechseln die Diplomaten in der Regel den Standort; da würde es mir sehr schnell an Konstanten im Leben, wie Familie und Freunden, fehlen. Für eine Anwaltstätigkeit habe ich mich entschieden, weil ich sehr gerne juristisch arbeiten wollte, was ein Diplomat regelmäßig nicht (mehr) macht. Und offen gestanden hatte ich die Tätigkeit in der Stadtverwaltung, also im klassischen öffentlichen Dienst, damals noch gar nicht im Blick.
 

Hätten Sie sich aus Sicht der Karrieremöglichkeiten und der Planbarkeit heute lieber gleich für die Karriere im öffentlichen Dienst entschieden?

Ich möchte die Zeit als Rechtsanwältin auch rückblickend nicht vermissen. Ich habe hierdurch Erfahrungen gesammelt, die mir auch im öffentlichen Dienst von großem Vorteil sind, z.B. eine bessere Nachvollziehbarkeit der Belange und Interessen der Planungsbegünstigten.

Die Karrieremöglichkeiten in der freien Wirtschaft würde ich aus eigener Erfahrung auch nicht zwigend geringer einschätzen als im öffentlichen Dienst. Gerade die Stadtverwaltung bietet aber mit ihren 12 Fachreferaten ein Aufgabenspektrum, also eine fachliche Weiterentwicklung, die eine Anwaltskanzlei meines Erachtens nicht bieten kann. Und die Aufstiegsmöglichkeiten eines Beamten darf man nicht unterschätzen.

Als Jurist beginnt man regelmäßig im höheren Dienst mit A13 was sich bei der Landeshauptstadt München zu einem Aufstieg bis zur Besoldungsgruppe B 4 weiter entwickeln kann. Und was die Planbarkeit von Karriereoptionen anbelangt, so ist am Ende doch jeder seines Glückes Schmied.
 

Warum würden Sie eine Tätigkeit bei der Stadtverwaltung anderen Tätigkeiten im öffentlichen Dienst vorziehen?

Die Landeshauptstadt München ist die größte Kommunalverwaltung Deutschlands und demnach mit Blick auf das öffentliche Planungsrecht der für mich attraktivste Arbeitgeber. Verlässt man die kommunale Ebene und blickt auf die Landes- und Bundesministerien, so verändern sich die juristischen Aufgaben im öffentlichen Recht ganz entscheidend, z.B. von einer klassischen Bauleitplanung hin zu Gesetzgebungsfragen des BauGB oder der BayBO.
 

Welche Schwerpunkte Ihrer Tätigkeit im Referat für Stadtplanung und Bauordnung schätzen Sie am meisten im Hinblick auf Abwechslung und Vielseitigkeit?

Meine Aufgaben sind äußerst vielseitig und einen echten Schwerpunkt im Sinne einer Haupttätigkeit gibt es gar nicht. Vielmehr ist mein Alltag ein bunter Blumenstrauß des öffentlichen Rechts mit spannenden Fragestellungen, z.B. im Rahmen der juristischen Betreuung von Bebauungsplänen zu Art und Maß der möglichen baulichen Nutzung in dem Quartier, der Einhaltung von Abstandsfläche, der Umgang mit Verkehrs- und Anlagenlärm oder auch Luftschadstoffen.

Daneben befasse ich mich auch mit dem Verfahrensfortgang selbst, also welche Beteiligungen der Öffentlichkeit und der Träger öffentlicher Belange zu welchem Zeitpunkt der Verfahrens erforderlich werden. Ferner verhandele ich die städtebaulichen Verträge mit den Planungsbegünstigten zu den jeweiligen Bebauungsplänen unter Anwendung der Grundsätze der Sozialgerechten Bodennutzung.

Alltäglich sind auch die Beantwortung von Anfragen der Fraktionen, der Bezirksausschüsse oder der Bürgerinnen und Bürger zu Bebauungsplanverfahren. Interne Abstimmungen mit anderen Fachdisziplinen, anderen Referaten und Dienststellen gehören ebenso dazu wie die Erarbeitung von Beschlussvorlagen für und die Teilnahme an den Sitzungen des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung. Monotonie im Alltag ist bei mir also quasi ausgeschlossen.
 

Stichwort Zukunftsaussichten – Welche Herausforderungen oder Veränderungen sehen Sie besonders auf Ihr Referat in den nächsten Jahren zukommen?

Die Bewältigung von Verkehrslärm und Lufthygiene gerade mit Blick auf den Klimawandel ist bereits jetzt ein großes Thema in der Bauleitplanung. Schon jetzt arbeiten wir mit Mobilitätskonzepten, um die Verkehrströme zu reduzieren und zugleich den Bewohnerinnen und Bewohnern der neuen Quartiere gute Alternativen, wie Car-Sharing-Angebote oder eine sehr gute Anbindung an den ÖPNV, zu bieten.

OB Reiter hat erst kürzlich öffentlich über die Gründung eines Mobilitätsreferates nachgedacht, was große Auswirkungen auf unser Referat hätte, da der Verkehr einen wesentlichen Baustein der Stadtplanung darstellt. Ich denke, dass in diesem Bereich noch viel passieren wird, was ich allerdings als positive Veränderung wahrnehme. 

Teamwork oder Eigenbrödler? Wenn bei Großkanzleien größere Mandate anstehen ist Teamwork unerlässlich. Wie sieht es damit bei Ihnen im Referat für Stadtplanung und Bauordnung aus?

Defintiv Teamwork! Wie bereits angesprochen, arbeiten wir im Referat für Stadtplanung und Bauordnung interdisziplinär, sodass es unerlässlich ist, bei jedem Projekt die Köpfe zusammen zu stecken und gemeinsam Lösungen zu finden.

Weder die Planer noch die Juristen, die Verwalter, die Verkehrsplaner oder die Grünplaner können alleine einen Bebauungsplan aufstellen – das geht nur gemeinsam im Team.

Gerade das macht das Arbeiten im Referat für mich so spannend und interessant – jeder hat einen anderen Lösungsansatz und denkt in eine andere Richtung als man selbst. Dadurch sieht man überhaupt erst das Projekt aus allen erforderlichen Blickwinkeln.
 

Während Ihres Referendariats absolvierten Sie ein Ergänzungsstudium an der DHV Speyer. Hat dieses Zusatzstudium bereits ein erstes Interesse an einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst geweckt? 

Nicht am öffentlichen Dienst aber ganz klar im öffentlichen Recht. Durch das Ergänzungsstudium durfte ich Rechtsbereiche, wie z.B. das Energierecht kennen lernen, die im Rahmen des Studiums oder Referendariats gar nicht zur Sprache kommen.
 

Sie haben parallel zu ihrer Arbeit als Rechtsanwältin promoviert. Hat Ihnen das Wissen und die Erfahrung aus dem Berufsalltag dabei geholfen?

Mein beruflicher Schwerpunkt im öffentlichen Recht hat mir auf jeden Fall bei der Themenfindung geholfen. Im Rahmen der Verfassung der Dissertation ergaben sich inhaltlich sehr gute Synergien, da ich Veröffentlichungen, die ich im Rahmen der Promotion las, auch für meine alltägliche juristische Praxis förderlich waren und umgekehrt.
 

Wie sehen Sie es, dass einige Menschen bei dem Wort „Karriere“ bezüglich einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst eher argwöhnisch reagieren?

Eine argwöhnische Reaktion habe ich persönlich bisher noch nicht erlebt, eher Neid auf die vielen Benefits in Bezug auf eine ausgewogene Work-Life-Balance. Aber ich wiederhole es gerne: Eine Karriere in der öffentlichen Verwaltung ist als Jurist oder Juristin sehr gut möglich.

Weder die Planer noch die Juristen, die Verwalter, die Verkehrsplaner oder die Grünplaner können alleine einen Bebauungsplan aufstellen – das geht nur gemeinsam im Team.
Dr. Franziska Kastner

Welcher Fall oder welches Ereignis aus Ihrer bisherigen Tätigkeit im Referat für Stadtplanung und Bauordnung ist Ihnen bisher besonders gut in Erinnerung geblieben?

Wir schaffen durch die Bauleitplanung Tag für Tag mehr Wohneinheiten für die Stadt München. Darauf haben ich mich schon vor Beginn bei der Landeshauptstadt München sehr gefreut. Und dann war meine erste Aufgabe, die ich übertragen bekommen habe, einen Bebauungsplan aufzuheben, also genau eine Wohneinheit zu löschen um den Quartierscharakter zu wahren. Das war ein etwas verwirrender Einstieg, aber dennoch sehr lehrreich. Seither habe ich aber ausschließlich Wohneinheiten schaffen dürfen.
 

Finden Sie, dass das reguläre Jurastudium bis zum 1. Staatsexamen gut auf eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst vorbereitet oder gibt es Verbesserungsbedarf und wenn ja, an welcher Stelle?

Man hat grundsätzlich auch die Möglichkeit nach dem ersten Staatsexamen im öffentlichen Dienst tätig zu sein, allerdings dann meist nicht im höheren, sondern im gehobenen nicht-technischen Dienst. Das hat die Konsequenz, dass man inhaltlich kaum juristisch arbeitet. Für eine juristisch geprägte Tätigkeit im öffentlichen Dienst ist daher das zweite Staatsexamen eine wesentliche Voraussetzung.
 

Was würden Sie dem Leser noch gerne mit auf den Weg geben, gerade in Bezug auf eine Karriere in der Stadtverwaltung?

Einfach Ausprobieren! Einen ersten Einblick in die Arbeitsweise der öffentlichen Verwaltung kann man bereits während des Studiums oder des Referendariats bekommen. Begreifen Sie das Praktikum oder die Verwaltungs- oder Wahlstation als Chance und nicht als „Pflichtprogramm“. Die Landeshauptstadt München hat so viele Facetten, da ist für jeden was dabei. Und als Jurist kann man in den verschiedenen Referaten auch sehr schnell feststellen was einem liegt und was eben weniger.
 

Ihr Fazit?

Ich bin mit meiner Tätigkeit im Referat für Stadtplanung und Bauordnung nach wie vor rundum zufrieden. Mein persönliches Fazit lautet also: Alles richtig gemacht!

Vielen Dank Frau Dr. Kastner!

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