Anwalt arbeitet mit Legal Tech

Veröffentlicht am 15.01.2023

Was ist Legal Tech? Definition & Anwendungsfälle

Die aktuellen Entwicklungen am Rechtsmarkt

Die Angst davor, von Maschinen ersetzt zu werden, gibt es in vielen Berufen. Auch im Rechtsbereich hält die Digitalisierung Einzug und Technik übernimmt Aufgaben, welche zuvor Jurist:innen erledigt hatten. Dahinter steckt „Legal Tech“, also eine Informationstechnik, welche Prozesse automatisiert. Was genau hinter Legal Tech steckt, warum es den Anwaltsberuf eher verbessert als ersetzt und wo du Legal Tech bereits an der Uni studieren kannst, erfährst du hier.

Was gehört zu Legal Tech?

In nahezu jeder Branche finden sich in allerlei Arbeitsprozessen technologische Innovationen. Zwar hinkt die Rechtsbrache in dieser Hinsicht bekanntermaßen hinterher, dennoch hat sich in den letzten Jahren einiges getan. So hat sich eine Unmenge von Unternehmern, häufig aus dem Rechtswesen kommend, an die Gründung von Start-ups mit ganz eigenen Geschäftsmodellen zur Nutzung der möglichen Technologien gemacht.

Unter dem Begriff Legal Tech versteht man heute Unternehmen, deren Geschäftsmodell es ist, mithilfe moderner Technologie (und sei es auch nur die verstärkte Nutzung des Internets in unterstützenden Prozessen) häufige Anwendungsfälle aus dem Rechtswesen oder den Zugang dazu zu vereinfachen.

Das Spektrum der Vereinfachung von Anwaltsarbeit erstreckt sich auf einer breiten Skala an Dienstleistungen. In folgenden Fällen wird Legal Tech bereits angewandt:

Vermittlung von Dienstleistungen

Mittlerweile gibt es Unternehmen, die sich der Vermittlung von Anwält:innen für Mandant:innen angenommen haben. Auch für „kleinere“ Mandate existieren bereits innovative Lösungen mit Legal Tech. So können heutzutage Privatleute ihren individuellen Sachverhalt beschreiben und fallspezifische Anwalts- bzw. Kanzleiempfehlungen erhalten.

Ein weiteres Beispiel ist die Idee, Managementlösungen für Unternehmen anzubieten und damit die Verbindung zwischen Großkunden und Kanzleien mit entsprechenden Fachkenntnissen herzustellen.

Unterstützung der Anwaltsarbeit

Zuletzt stechen auch Ideen heraus, die die Arbeit von Anwält:innen nicht ersetzen, sondern vielmehr zusätzliche Unterstützung bieten. Auch die Vereinfachung der Kommunikation zwischen Mandant:innen und Anwält:innen ist ein häufiger Anwendungsfall. Teilweise wurden dafür sogar Plattformen geschaffen, um den Transfer von Dokumenten oder Zahlungen zu erleichtern.

Automatisierung der Rechtsberatung

Es geht bereits sogar soweit, dass bestimmte Softwares entwickelt werden, die zur Vereinfachung von juristischen Überprüfungen genutzt werden und damit wahrlich die juristische Denkarbeit ersetzen können. So wurden bereits Programme generiert, mit deren Hilfe individuelle Vertragsentwürfe für Kund:innen erstellt werden. Dabei soll insbesondere das Interesse solcher Kanzleien geweckt werden, die sich immerfort vergeblich um eine Verringerung von Personaleinsatz und damit einhergehenden Kosten bemühen.

Rechtsberatung online

Am spannendsten ist sicher der Fall der Rechtsberatung durch die Legal Start-ups. Diese haben sich meist spezialisiert auf kleinere, häufig wiederkehrende und nicht sehr komplizierte Sachverhalte, wie beispielsweise Flugentschädigungen, Inkasso-Fälle oder Bild-Eigentumsrechte.

Bekannte Legal Tech Unternehmen

In Deutschland gibt es einige Unternehmen im Bereich Legal Tech. Manche davon sind klein und sehr spezialisiert, andere wiederum bieten Lösungen für eine breite Masse an. Zu letzteren gehören zum Beispiel folgende:

  • flightright: Das Unternehmen hat sich auf Fluggastentschädigung spezialisiert. Bei Verspätungen oder Ausfällen haben Kund:innen oft Anspruch auf Entschädigung, der Prozess zur Einforderung ist aber zu aufwendig oder teuer. Über flightright können sie einfach ihre Forderungen stellen. Nur bei Erfolg bezahlen sie eine Provision.
  • smartlaw: smartlaw ist ein Tool, über welches Unternehmen und Privatleute unter anderem Verträge oder Kündigungen erstellen können.
  • advocado: Das Beratungsportal vermittelt unter anderem Privatpersonen an Anwält:innen. Diese erhalten eine kostenlose Ersteinschätzung zu ihrem Fall. Möchten sie sich anschließend beraten oder vertreten lassen, erhalten sie ein Angebot zum Festpreis.
  • CONNY (früher wenigermiete.de): Mietminderungen sind aus vielen Gründen möglich. CONNY ist ein Anbieter, der sich darum kümmert, dass diese für Verbraucher:innen unkompliziert durchgesetzt werden. Die Provision fällt nur im Erfolgsfall an.
  • geblitzt.de: Ebenfalls auf Provisionsbasis operiert geblitzt.de. Der Anbieter prüft Bußgeld, Fahrverbote und Punkte.

Arbeiten in juristischen Start-ups & Unternehmen?

Hier werden innovative Köpfe gesucht:

Die Vor- und Nachteile von Legal Tech

Zwar wird Legal Tech prinzipiell als eine gute Sache wahrgenommen – wie immer gibt jedoch auch hier zwei Sichtweisen. Wir haben die häufigsten Argumente für und gegen Legal Tech zusammengefasst.

Contra Legal Tech:

  • Die Technologisierung kann dazu führen, dass Jobs oder zumindest bestimmte Aufgabenbereiche überflüssig werden.
  • Legal Tech kann das Verhältnis zwischen Anwält:innen und Mandant:innen weniger persönlich machen. Das führt zu einer weniger individuellen Beratung.
  • Legal Tech kann für Kanzleien und Unternehmen je nach Anwendung recht kostenintensiv sein.

Pro Legal Tech:

  • Legal Tech macht Juristinnen und Juristen die Arbeit leichter. Es automatisiert Standardaufgaben und sorgt dafür, dass Anwältinnen und Anwälte sich auf komplexere Themen fokussieren können.
  • In Zeiten des Fachkräftemangels kann Legal Tech Zeit und Ressourcen sparen.
  • Legal Tech kann juristisches Wissen leichter zugänglich machen und den Zugang zum Recht für Privatpersonen verbessern.
  • Mithilfe von Legal Tech lassen sich große Massen von Standardfällen bearbeiten – wie zum Beispiel Fluggastentschädigungen oder Mietminderungen.
  • In Zukunft wird die juristischen Arbeit viel digitaler werden. Kanzleien oder Unternehmen, die nicht in Legal Tech investieren, haben so einen Wettbewerbsnachteil.
  • Dank Legal Tech können neue Berufsfelder entstehen.

Warum ist Legal Tech nicht weiter verbreitet?

Dass uns Legal Tech nicht viel häufiger im Alltag begegnet, hat mehrere Gründe. Zum einen hinkt die Einführung von Innovationen häufig am schwächsten Glied der Kette – und den Ämtern der Legislative kann wohl niemand eine Vorreiterrolle in punkto Digitalisierung andichten. Zum anderen liegt es aber natürlich auch an den Kanzleien selbst, dass Prozessvereinfachungen nicht vorangetrieben werden.

Die Mandant:innen zahlen hohe Summen für kompetente rechtliche Beratung. Diese muss stets individuell an das Mandat angepasst werden. Das “Kerngeschäft” komplexer Mandate lässt sich also kaum vereinfachen – und bestimmt die Preise. Rechtsberatung in ihrer traditionellen Form genießt daher quasi einen Monopol-Status. Hohe Stundensätze und häufig wenig Erfahrung im Umgang mit neuen Technologien erhöhen die Hemmschwelle, sich damit auseinanderzusetzen. Daher fallen viele Kanzleien als Markt für prozessvereinfachende Technologien weg – und überlassen sie der weltweiten Gründerszene.

Tauche tiefer ein ins Thema Legal Tech

Das Legal Tech Gesetz: mehr Chancengleichheit

Die Regierung möchte Legal Tech stärker regulieren und auf diese Weise die Gleichstellung mit Anwält:innen annähern. Aus diesem Grund gibt es gesetzliche Änderungen, welche Legal Tech Anbieter, aber auch Anwält:innen betreffen. Zum 1. Oktober 2021 trat das sogenannte Legal Tech-Gesetz (offiziell: Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt) in Kraft.

Dieses hat neben einer Reihe an Regulierungen von Inkassotätigkeiten auch einen Einfluss auf das Erfolgshonorar: ein solches durfte bisher für Anwältinnen und Anwälte, abgesehen von wenigen Ausnahmen, nicht vereinbart werden. Legal Tech Unternehmen bieten dies allerdings oft an. Auf Basis des Legal Tech Gesetzes ist dies nun auch Anwält:innen in bestimmtem Rahmen erlaubt. Das gilt zum Beispiel bei der Geltendmachung von pfändbaren Geldforderungen von bis zu 2.000 €. Anwält:innen können zudem – wenn ein Erfolgshonorar vereinbart wurde – für ihre Mandant:innen eine Prozessfinanzierung anbieten.

Legal Tech studieren: Erste Unis bieten Studiengänge an

Dass Jura in der Zukunft digitaler wird, haben auch die ersten Universitäten erkannt und bieten entsprechende Studiengänge an. Vorreiter sind hier die Universität Passau und die Universität Regensburg.

An der Universität Passau kann man einen LL.B. in Legal Tech absolvieren, welcher auf acht Semester ausgelegt ist. Es handelt sich dabei um eine Kombination aus einer juristischen Ausbildung und dem Erlernen von Kompetenzen in der Wirtschaftsinformatik. Die Universität empfiehlt den Studiengang in Kombination mit einem klassischen Studium der Rechtswissenschaft.

Die Möglichkeit für einen LL.M in Legal Tech bietet hingegen die Universität Regensburg. Der Studiengang dauert zwei Semester, anschließend wird eine Masterarbeit verfasst. Er ist darauf ausgelegt, dass Studierende lernen, eigene Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Auch an der mdh Mediadesign Hochschule wird ein Bachelor in Legal Tech angeboten. Da es sich um eine private Hochschule handelt, werden dabei 320 € pro Monat an Studiengebühren fällig.

 

Ob sich die Branche im Bereich Legal Tech weiter ausweitet und so an den technologischen Standard anderer Metiers anpasst, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Eine deutlich steigende Tendenz in Richtung Technologisierung der Rechtsbranche lässt sich jedoch schon heute erkennen.