Was ist eigentlich D&O Versicherung - Interview mit Thümmel, Schütze & Partner

Was ist eigentlich ... D&O?

Dr. Jörg Henzler von Thümmel, Schütze & Partner verrät mehr über diesen juristischen Tätigkeitsbereich im Interview...

Die Kanzlei Thümmel, Schütze & Partner berät an vier Standorten in Deutschland sowie in einem Büro in Asien ihre Mandanten in allen wirtschaftsrechtlichen Fragen. Eines der Kompetenzfelder liegt im Bereich D&O-Versicherung. Auf diesen noch eher weniger bekannten Rechtsbereich sollte jeder wirtschaftsinteressierte (Nachwuchs-)Jurist auch einen Blick werfen. Rechtsanwalt Dr. Jörg Henzler hat sich auf D&O spezialisiert und uns einige Fragen dazu beantwortet.

                            

Dr. Jörg Henzler

Der Bereich D&O ist nicht allzu bekannt. Wenn Sie diesen einem Laien in wenigen Sätzen erklären müssten, was würden Sie sagen?

D&O steht für Directors & Officers. Es geht um die Haftung von Managern (also von Directors & Officers) und die dazugehörige Versicherung (D&O-Versicherung). Versichert sind neben den sog. Organmitgliedern, also z.B. den Mitgliedern des Vorstands oder Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft oder den Mitgliedern der Geschäftsführung einer GmbH häufig auch leitende Angestellte.

Wird eine versicherte Person wegen einer angeblichen Pflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch genommen, ist der D&O-Versicherer gefragt. Er muss dann prüfen, ob die Ansprüche berechtigt sind und ob Versicherungsschutz besteht.


Welche Vorbildung benötigt man, um in diesem Bereich tätig zu sein?

Es schadet sicherlich nicht, wenn man sich im Gesellschaftsrecht oder im Versicherungsrecht bereits ein wenig auskennt. Die Manager-Haftung und noch mehr das dazugehörige Versicherungsrecht sind aber Spezialbereiche. Bei einem Berufsanfänger erwarten wir nicht, dass er dort bereits über nähere Kenntnisse verfügt.


Für wen kommen D&O-Versicherungen in Frage und wie funktionieren sie?

In aller Regel wird eine D&O-Versicherung vom Unternehmen und in einer Unternehmensgruppe von der Konzernspitze für alle im Unternehmen bzw. in der Unternehmensgruppe tätigen Vorstände, Geschäftsführer, Aufsichtsräte etc. abgeschlossen.

In einer größeren Unternehmensgruppe können dies schon einmal mehrere hundert versicherte Personen sein, von denen vielleicht nicht einmal jeder weiß, dass eine D&O-Versicherung zu seinen Gunsten besteht.Der Schutz einer D&O-Versicherung hat zwei Komponenten. Zum einen geht es darum, dem versicherten Manager die Kosten zu erstatten, welche ihm für die Abwehr der gegen ihn geltend gemachten Ansprüche entstehen.

Zum anderen kann der versicherte Manager verlangen, dass der Versicherer ihn von berechtigten Schadensersatzansprüchen freistellt. Dabei bietet die D&O-Versicherung typischerweise auch und gerade dann Versicherungsschutz, wenn der versicherte Manager durch das Unternehmen, das den Versicherungsvertrag für ihn und die anderen versicherten Personen eingekauft hat, in Anspruch genommen wird.

Neben einer solchen „Gruppenversicherung“, die vom Unternehmen für eine Vielzahl von Personen abgeschlossen wird, werden am Markt auch Individualversicherungen angeboten, die der einzelne Manager dann für sich selbst abschließt. Diese sind aber nicht sehr weit verbreitet.

Gibt es eine maximale Summe, bis wohin die Versicherung greift? Muss man mit einer Selbstbeteiligung rechnen? Oder gibt es hierfür keine allgemeingültigen Aussagen?

Das Unternehmen, das eine D&O-Versicherung für seine Manager abschließen will, kann die entsprechende Versicherungssumme grundsätzlich frei wählen. Dabei gilt natürlich, dass die Versicherungsprämie bei höherer Deckungssumme ebenfalls steigt.

Bei großen Unternehmensgruppen kann die Versicherungssumme durchaus im dreistelligen Millionenbereich liegen. In solchen Fällen trägt typischerweise nicht ein Versicherer das komplette Risiko, sondern es wird ein Versicherungsprogramm aufgelegt, in dem die beteiligten Versicherer jeweils nur einen Teil der insgesamt zur Verfügung gestellten Versicherungssumme übernehmen.

Das geschieht zumeist dadurch, dass verschiedene sog. Layer gebildet werden. Ein Versicherungsprogramm mit einer Deckungssumme von insgesamt € 50 Mio. könnte z.B. so aussehen, dass ein oder mehrere Versicherer als sog. Grundversicherer bis € 10 Mio. decken, ein anderer oder mehrere andere Versicherer als sog. Exzedentenversicherer den Bereich ab € 10 Mio. bis € 25 Mio. und wieder andere Versicherer als weitere Exzedentenversicherer einen Layer ab € 25 Mio. bis € 50 Mio. übernehmen.

Ob der Vertrag eine Selbstbeteiligung vorsieht, können die Vertragsparteien (also das Unternehmen und der Versicherer) grundsätzlich frei bestimmen. Lediglich für Vorstandsmitglieder schreibt das Gesetz einen Selbstbehalt vor. Der jeweilige Vorstand kann diesen Selbstbehalt aber wiederum durch eine Selbstbehaltsversicherung versichern.


Was macht den Bereich für Sie so spannend?

Sowohl auf der Haftungs- als auch auf der Deckungsseite gibt es viele rechtliche Fragen, die bislang nicht durch die Rechtsprechung geklärt sind und daher viel Raum für Argumentation lassen.

In Bezug auf die Versicherungsseite liegt dies auch daran, dass es für die D&O-Versicherung keine von mehr oder weniger allen Versicherern gleichförmig verwendeten Standardpolicen gibt, sondern am Markt eine Vielzahl verschiedener von Versicherern oder Versicherungsmaklern zusammengestellte Bedingungswerke erhältlich ist.

Spannend ist, dass man die „Wirtschafts-Skandalfälle“, zu denen man auch in der Zeitung lesen kann (wie z.B. VW, Deutsche Bank/Kirch, oder Hypo Real Estate), auf den Schreibtisch bekommt und oftmals tiefe Einblicke erhält.


Welche Rolle spielen Sie als Anwalt in D&O-Fällen?

Wir beraten in erster Linie Versicherer. Für sie untersuchen wir die Haftungs- und Deckungssituation und beraten sie bei den zu treffenden Entscheidungen. Dabei spielt zumeist die Sachverhaltsaufklärung eine wesentliche Rolle.

Die relevanten Informationen können über das Unternehmen (die Versicherungsnehmerin) oder die in Anspruch genommenen Manager einzuholen versucht werden. Beide, also Unternehmen und in Anspruch genommener Manager, haben Auskunftsobliegenheiten gegenüber dem Versicherer.

Wenn sich der Versicherer für die Anspruchsabwehr entscheidet, ist die Anspruchsabwehr zu koordinieren. Spätestens wenn die Haftungsansprüche gegen die versicherten Manager gerichtlich geltend gemacht werden, werden ihnen Anwälte zur Seite gestellt.

Mit diesen Anwälten werden dann z.B. Schreiben oder Schriftsätze abgestimmt. Gelegentlich sind wir auch für versicherte Manager tätig und übernehmen für sie die Anspruchsabwehr.

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Wie lange ist Ihre Kanzlei in diesem Bereich schon tätig? Haben Sie viele Fälle von Managerhaftung? Ist dies in den letzten Jahren gestiegen?

Unsere Kanzlei ist schon seit mehr als 15 Jahren im D&O-Bereich tätig. Seit den Anfängen ist dieses Beratungsfeld stetig gewachsen. Heute sind bei uns insgesamt 8 Anwälte in diesem Bereich tätig, bei den meisten davon ist D&O dabei einer der Tätigkeitsschwerpunkte.


Wie ist die Vorgehensweise, falls es zu einem grenzüberschreitenden Fall kommt?

Für D&O-Versicherer werden wir dann tätig, wenn der Versicherungsvertrag deutschem Recht unterliegt. Nicht selten kommt es vor, dass der Haftpflichtfall im Ausland spielt, wobei hier insbesondere US-Fälle eine große praktische Bedeutung haben. 

Nicht selten geht es dabei um Sammelklagen (class action lawsuits), z.B. weil sich Anleger getäuscht fühlen und nicht nur vom Unternehmen sondern auch von einzelnen Managern Schadensersatz verlangen. 

In Auslandsfällen ist – wenn es um Anspruchsabwehr geht – ein ausländischer Anwalt zu mandatieren, mit dem wir dann zusammenarbeiten. Bei einer Suche nach geeigneten Anwälten stehen uns verschiedene Netzwerke zur Verfügung. Die Kommunikation mit dem ausländischen Anwalt läuft dann in der Regel auf Englisch.

Wir beraten in erster Linie Versicherer. Für sie untersuchen wir die Haftungs- und Deckungssituation und beraten sie bei den zu treffenden Entscheidungen.
Dr. Jörg Henzler

Was würden Sie jungen Juristen raten, die eine Tätigkeit in diesem Bereich anstreben?

Wer Interesse daran hat, sich mit kniffligen Rechtsfragen auseinanderzusetzen, Einblick in die Managementwelt gewinnen will und sich vor Unterlagenbergen nicht scheut, ist im D&O-Bereich gut aufgehoben.

Besondere Vorkenntnisse sind für den Berufsstart wie gesagt nicht unbedingt erforderlich. Wer früh herausfinden will, ob D&O etwas für ihn sein könnte, sollte am besten eine Referendarstation oder ein Praktikum in einer Kanzlei machen, die in diesem Bereich einen Schwerpunkt hat.

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