Pflichtwahlpraktikum

Veröffentlicht am 19.11.2024

Was steckt hinter dem Pflichtwahlpraktikum im Finanzamt?

Alexander Bayer vom Finanzamt Passau im Interview

Alexander Bayer hat an der Universität Passau Rechtswissenschaften studiert und sich nach seinem zweiten Examen für die Laufbahn in der Finanzverwaltung entschieden. Nach einem Jahr beim Finanzamt Passau ist er nun nach München an das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat gewechselt und arbeitet dort als Referent. 


 

Herr Bayer, Sie haben Ihr Pflichtwahlpraktikum des Referendariats beim Finanzamt in Passau absolviert. Wie sind Sie auf diese Möglichkeit aufmerksam geworden und warum haben Sie sich für diese Station entschieden?

Gegen Ende des Referendariats hatten wir eine Arbeitsgemeinschaft im Steuerrecht bei einem jungen Juristen vom Finanzamt Passau. Er hat sich nach der Veranstaltung extra Zeit für uns genommen und uns seine Tätigkeit erklärt und wie das Berufsleben in der Steuerverwaltung aussieht. Letztlich habe ich mich für das Pflichtwahlpraktikum beim Finanzamt aus zwei Gründen entschieden: zum einen fand ich die beschriebene Tätigkeit spannend und zum anderen fand ich die Möglichkeit, auch heimatnah in Passau Karriere machen zu können, toll. Deshalb wollte ich mir die Tätigkeit mal genauer anschauen.

Alexander Bayer
Alexander Bayer

Wie gestaltet sich der Bewerbungsprozess für das Pflichtwahlpraktikum? In welche Bereiche erhält man dort im Rahmen der Wahlstation Einblick?

Ich habe mir auf der Internetseite des Finanzamts Passau die notwendigen Kontaktdaten gesucht und bei der zuständigen Beamtin angerufen und mich telefonisch vorgestellt. Anschließend haben wir am Telefon einen Termin für ein Kennenlerngespräch vereinbart. Bei diesem Gespräch konnte ich dann auch die Bereiche nennen, die mich am meisten interessierten. Gemeinsam wurde dann ein Plan für die Zeit der Wahlstation entworfen. Am Ende habe ich v.a. Einblicke in die Rechtsbehelfsstelle und in die Bußgeld- und Strafsachenstelle bekommen. 
 

Wie werden die Fälle in diesen Bereichen denn bearbeitet? Konnten Sie auch selbst Projekte betreuen?

In der Regel werden die Fälle von den zuständigen Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern bearbeitet. Als Juristin bzw. Jurist ist man in der Rolle der Sachgebietsleitung und hat die Personalführung als Hauptaufgabe neben der fachlichen Tätigkeit. Als Sachgebietsleiterin bzw. Sachgebietsleiter wird man in erster Linie unterstützend bei komplexen rechtlichen Einzelfragen tätig und unterzeichnet am Ende die Vorgänge, soweit dies erforderlich ist.

Während meiner Praktikumszeit habe ich Einblicke in beide Perspektiven – die der Sachgebietsleitung sowie die eines Mitarbeiters - erhalten. Ich durfte eigene Fälle rechtlich beurteilen und Strafbefehle vorbereiten, aber auch aus der Sicht der Sachgebietsleitung Vorgänge begleiten.
 

Sie waren auch bei einem Außentermin der Steuerfahndung dabei. Kann man sich das wie in Filmen – Polizeiaufgebot und eingetretene Türen – vorstellen? Wie läuft der Prozess rund um einen Außentermin ab?

Nein, weder war ein großes Polizeiaufgebot anwesend, noch haben wir Türen eingetreten. Zunächst haben ein Beamter des Finanzamts Passau und ich uns an einem neutralen Ort nahe des Einsatzortes mit dem Team der Steuerfahndung getroffen und sind gemeinsam den Einsatzplan durchgegangen. Anschließend sind wir zum Einsatzort gefahren und haben aus der Ferne die örtlichen Gegebenheiten beobachtet. Als der Beschuldigte dann vor Ort eintraf, sind wir zum Gebäude gefahren und haben die Durchsuchung gestartet. Während die Beamten der Steuerfahndung das Haus nach Beweismitteln durchsuchten, haben der Beamte des Finanzamts Passau und ich den Beschuldigten befragt. 

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Wie würden Sie die Arbeitsatmosphäre im Finanzamt beschreiben? Wie war das Verhältnis zu den Kolleg:innen und Vorgesetzten?

Mit das Schönste an der Zeit meines Pflichtwahlpraktikums war die Atmosphäre im Amt. Vom ersten Tag an wurde ich herzlich aufgenommen und bekam Einblicke in alle Bereiche, die ich sehen wollte. Zudem wurde ich sofort in Kaffeerunden mitgenommen, um die einzelnen Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen. Dabei war die gemeinsame Arbeit stets von gegenseitigem Respekt und Zusammenhalt geprägt. Jeder war stets bemüht, mir etwas zu zeigen oder mir zu helfen. Sowohl das Verhältnis zu den Kolleginnen und Kollegen als auch zu den Vorgesetzten war bestens. 
 

Welche Herausforderungen sind Ihnen während Ihrer Wahlstation beim Finanzamt Passau begegnet? 

Ich denke, die größte Herausforderung war für mich, die Verwaltungssprache und die einzelnen Abläufe für die jeweiligen Vorgänge verstehen zu lernen. Nach einer Weile ist man an die Prozesse und die Begriffe aber gewöhnt. Zudem war natürlich auch das Steuerrecht anspruchsvoll. Man sollte davor jedoch keine Angst haben, da einem auf allen Ebenen und zu jeder Zeit geholfen wird, wenn man Fragen hat.    
 

Wie ließen sich Ihre Wahlstation und die Vorbereitung auf das mündliche Examen vereinbaren? Wie flexibel waren Ihre Arbeitszeiten diesbezüglich gestaltet?

Gerade mit Blick auf die Vorbereitung auf das mündliche Examen kann ich die Wahlstation beim Finanzamt nur empfehlen. Die Arbeitszeiten waren sehr flexibel und man war selten einen ganzen Tag vor Ort. Es blieb somit genügend Zeit zu lernen und es hatte auch jeder im Amt Verständnis dafür. 
 

Konnten Sie das im Studium erlernte Wissen im Steuerrecht während Ihrer Zeit im Finanzamt anwenden? Und hatten Sie auch die Möglichkeit, Ihre Kenntnisse im Rahmen der Arbeitsgemeinschaften weiter zu vertiefen?

Ja, das erlernte Wissen war definitiv hilfreich. Ich hatte zuvor während meines Studiums den Schwerpunkt Steuerrecht gewählt und auch im Rahmen der Vorbereitung auf das zweite Examen Arbeitsgemeinschaften im Einkommensteuerecht und der Abgabenordnung. Das in dieser Zeit erlernte Wissen war besonders hilfreich, um die im Amt besprochenen Fälle besser zu verstehen und eigene Lösungsansätze zu entwickeln. Zudem hat man während der Wahlstation auch eine Arbeitsgemeinschaft, die einem Grundzüge des Umsatzsteuerrechts und des Bilanzsteuerrechts vermittelt.

Am Ende haben mich vor allem drei Dinge für eine Tätigkeit bei der Finanzverwaltung begeistern können: die angenehme Arbeitsatmosphäre, die Work-Life-Balance und natürlich die spannende Tätigkeit an sich.
Alexander Bayer

Welche Qualifikationen und Fähigkeiten sind Ihrer Meinung nach für Nachwuchsjurist:innen, die eine Wahlstation oder Karriere in der Steuerverwaltung anstreben, besonders wichtig?

Da in der Steuerverwaltung alles darauf abzielt, früher oder später Führungskraft zu sein, sollte man praktisch und effektiv denken können. Zudem sollte man gerne mit Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten, kommunikativ und empathisch sein. Außerdem sollte man Spaß daran haben, sich immer wieder in neue Themen einzuarbeiten. 
 

Was war Ihr Highlight aus den drei Monaten beim Finanzamt? Was hat Sie davon überzeugt, sich nach dem 2. Staatsexamen auch für den Einstieg als Jurist in der Steuerverwaltung zu bewerben?

Die Highlights waren für mich der Tag bei der Steuerfahndung und die lockeren fachlichen Diskussionen mit einem Beamten der Rechtsbehelfsstelle aus Passau über einzelne Fälle. Am Ende haben mich vor allem drei Dinge für eine Tätigkeit bei der Finanzverwaltung begeistern können: die angenehme Arbeitsatmosphäre, die Work-Life-Balance und natürlich die spannende Tätigkeit an sich. Ich fand den Gedanken toll, in einer kollegialen Atmosphäre arbeiten und mein rechtliches Wissen zusammen mit meiner kommunikativen Art einbringen zu können.
 

Ihr Fazit?

Letztlich kann ich jedem die Wahlstation am Finanzamt nur empfehlen. Man bekommt tolle Einblicke in alle Bereiche und hat daneben noch genug Zeit, um sich auf das mündliche Examen vorzubereiten. Dabei sollte einen auch das Steuerrecht nicht abschrecken, selbst wenn man noch nicht viele Kenntnisse mitbringt. Es wird einem zu jeder Zeit geholfen und jeder ist bemüht, einem die Wahlstation so angenehm wie möglich zu machen. 
 

Vielen Dank, Herr Bayer!