Gibt es zwischen der Tätigkeit als Rechtsanwältin und der als Juristin bei der Steuerverwaltung große Unterschiede?
Ja. Man übernimmt gleich Personalverantwortung. In Kanzleien ist dies, wenn überhaupt, erst nach Jahren möglich. Als Rechtsanwältin war ich Interessenvertreterin und von den Wünschen der Mandantschaft gesteuert. Hier vertrete ich die Interessen der Freien und Hansestadt Hamburg, jedoch bin ich nicht gehalten, zwangsläufig profiskalisch zu entscheiden. Ich wähle den Weg, der nach meinem Rechtsempfinden gerecht ist. Für diese Entscheidungen übernehme ich die Verantwortung, während ich als Rechtsanwältin den Partnern zuarbeitete.
Ich entscheide selbst, wie viel Zeit und Aufwand ich in meine Aufgaben investiere. In Kanzleien wird man an „Key Performance Indicators“ gemessen und fokussiert sich auf „billables“. Da man auf die Budgetverhandlungen keinen Einfluss hat und die Qualität stimmen muss, entstehen die berühmten Überstunden. Sie entstehen auch hier. Nur man entscheidet selbst, wann und wie viele und bekommt dafür Freizeitausgleich.
Kritisch sehe ich jedoch die zähe Veränderungsbereitschaft der Verwaltung im Vergleich zur Privatwirtschaft. Manche Prozesse dauern zudem leider viel zu lange. Hier hat die Verwaltung noch Potential.
Wie wichtig ist ein interdisziplinärer Ansatz in Ihrem Fachbereich? Arbeiten Sie mit anderen Abteilungen zusammen?
Es kommt darauf an. Es ist vorteilhaft, den Blick für das große Ganze zu haben. Nur so kann man die Konsequenzen des eigenen Verwaltungshandelns vollständig erfassen. Auch kann man das Ermessen nur dann korrekt ausüben, wenn man die Auswirkungen auf andere Bereiche im Auge behält.
Da das Steuerrecht komplex ist und sich stetig verändert, bestehen bei uns feste Ansprechpartnerschaften für verschiedene Themen. Die Kommunikation untereinander ist wichtig, um einen schnellen Informationsfluss und eine einheitliche Vorgehensweise sicherzustellen.
Andererseits gibt es Themen, die im Wesentlichen im eigenen Bereich verbleiben. So zum Beispiel im Rechtsbehelfsverfahren. Spätestens wenn ein Fall vors Finanzgericht kommt, ist die interdisziplinäre Vorarbeit meistens bereits geleistet und es geht „nur“ noch darum, ob man sich einigen kann oder ein Urteil erwirkt.
Wie gestaltet sich das Bewerbungsverfahren und die Einarbeitung bei der Finanzbehörde Hamburg?
Das Bewerbungsverfahren besteht im Wesentlichen aus drei Stufen:
- Stufe eins ist die Sichtung der Bewerbungsunterlagen.
- In Stufe zwei wird man zu einem Vorstellungsgespräch in der Finanzbehörde eingeladen.
- Die dritte Stufe ist ein ganztägiger Vorstellungstermin (Assessment-Center) im Rathaus.
Feste Einstellungstermine gibt es nicht. Die Einarbeitung erfolgt im ersten Jahr. In der Regel wird man einem Regionalfinanzamt zugewiesen und von einem/r Mentor:in betreut. In diesem Jahr darf und soll man sich die Zeit nehmen, die Dienststellen und die Aufgaben kennenzulernen, sich vorzustellen und ein Netzwerk aufzubauen. Außerdem wird man an der Bundesfinanzakademie in Brühl und Berlin im Steuerrecht geschult und nimmt an Führungsseminaren teil.
Zum Ende bekommt man in der Regel ein Probesachgebiet, in dem man sich als Sachgebietsleitung ausprobieren darf, bevor man in den ersten Einsatz und in das eigene Sachgebiet wechselt.