Finanzbehörde Steuerverwaltung Hamburg

Veröffentlicht am 09.10.2023

Eigenverantwortlichkeit von Anfang an

Maryna Akselrud von der Steuerverwaltung Hamburg im Interview

Ich heiße Maryna Akselrud und bin als Sachgebietsleiterin in der Steuerverwaltung tätig. Ursprünglich komme ich aus der Ukraine, habe in Hamburg Jura studiert und war vorher Rechtsanwältin in einer internationalen Wirtschaftskanzlei.      
 

Frau Akselrud, Sie sind seit Januar 2022 als Regierungsrätin bei der Steuerverwaltung Hamburg. Warum haben Sie sich für diesen Karriereschritt entschieden?

Steuerrecht fand ich immer spannend und nützlich, hatte es im Schwerpunkt und war während des Studiums als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einer Steuerberatungsgesellschaft tätig. Zudem wollte ich unbedingt einen Job mit Gestaltungsfreiheit und Verantwortung. Als ich in der Stellenanzeige las, dass die Steuerverwaltung Jurist:innen als Führungskräfte einsetzt, fand ich das sehr spannend und habe nunmehr nicht nur die fachliche, sondern auch Personalverantwortung. 

Wie wichtig ist Ihrem Arbeitgeber, dass Mitarbeiter:innen früh Verantwortung übernehmen? Was macht den Berufseinstieg bei der Finanzbehörde so spannend?

Sehr wichtig. Die Bereitschaft zur frühen Verantwortungsübernahme wird vorausgesetzt. Jurist:innen werden als Führungskräfte eingestellt, und zwar auch ohne Berufserfahrung. Das ist ein Vertrauensvorschuss und man sollte bereit sein, ins kalte Wasser zu springen. Das macht es aber auch spannend.

Nirgendwo sonst kenne ich die Möglichkeit, als Berufsanfänger gleich mit Personalverantwortung durchzustarten. Gleichzeitig bekommt man „seine“ Fälle, die man vor Gericht ausfechten darf. Dabei vertritt man die Freie und Hansestadt Hamburg, auch wenn man sich fragen mag, ob man bereits „gut genug“ dafür ist. Das empfinde ich als sehr aufregend. Auch wenn das Vertrauen groß ist, wird man nicht allein gelassen und bekommt z.B. im ersten Jahr viele Fortbildungen.     
 

Welche fachlichen Themen beschäftigen Sie aktuell? Wie viel Eigenverantwortung können Sie – insbesondere mit Blick auf die eigene Rechtsauffassung – übernehmen?

Darf ich im Rahmen der Insolvenz eines Steuerpflichtigen unsere Grundschuld freigeben und unter welchen Bedingungen? Wenn die vorrangigen Gläubiger auf Sanktionslisten stehen, wäre die Auszahlung an sanktionierte Personen zulässig oder ein Verstoß gegen Sanktionsrecht? Mache ich mich schadensersatzpflichtig, wenn ich mit einer nicht werthaltigen Sicherheit den freihändigen Verkauf verhindere? Wäre die Zahlung einer Lästigkeitsprämie für die Freigabe insolvenzzweckwidrig? Verletze ich mit der Herausgabe von Unterlagen an die Strafverfolgungsbehörden das Steuergeheimnis?  

Natürlich bilde ich mir meine eigene Rechtsmeinung und vertrete diese gegenüber allen Beteiligten. Allerdings bietet es sich in Fällen von öffentlichem Interesse und bestimmten Beträgen - auch zur eigenen Absicherung - an, Rücksprache mit dem Fachreferat zu halten. 
 

Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag bei der Steuerverwaltung aus?

Mein Tag ist grundsätzlich in zwei Abschnitte unterteilt. Den Vormittag widme ich meiner Führungsrolle. Ich verschaffe mir einen Überblick über meine E-Mails, gehe durch mein Sachgebiet und spreche mit den Mitarbeitenden, gebe Vorgänge frei, die meinem Zeichnungsrecht unterliegen und nehme fachliche Nachfragen mit, die ich nicht sofort beantworten kann. Zudem führe ich Mitarbeitergespräche und nehme an Sachgebietsleitungsbesprechungen teil.

Den Nachmittag widme ich dem fachlichen Bereich. Ich verfasse Schriftsätze, beantworte fachliche Anfragen, bereite mich auf Gerichtstermine vor, führe Gespräche mit Steuerberatern oder Rechtsanwälten und schreibe Beurteilungen. 

Verantwortung von Anfang an übernehmen!

Gibt es zwischen der Tätigkeit als Rechtsanwältin und der als Juristin bei der Steuerverwaltung große Unterschiede?

Ja. Man übernimmt gleich Personalverantwortung. In Kanzleien ist dies, wenn überhaupt, erst nach Jahren möglich. Als Rechtsanwältin war ich Interessenvertreterin und von den Wünschen der Mandantschaft gesteuert. Hier vertrete ich die Interessen der Freien und Hansestadt Hamburg, jedoch bin ich nicht gehalten, zwangsläufig profiskalisch zu entscheiden. Ich wähle den Weg, der nach meinem Rechtsempfinden gerecht ist. Für diese Entscheidungen übernehme ich die Verantwortung, während ich als Rechtsanwältin den Partnern zuarbeitete.

Ich entscheide selbst, wie viel Zeit und Aufwand ich in meine Aufgaben investiere. In Kanzleien wird man an „Key Performance Indicators“ gemessen und fokussiert sich auf „billables“. Da man auf die Budgetverhandlungen keinen Einfluss hat und die Qualität stimmen muss, entstehen die berühmten Überstunden. Sie entstehen auch hier. Nur man entscheidet selbst, wann und wie viele und bekommt dafür Freizeitausgleich.

Kritisch sehe ich jedoch die zähe Veränderungsbereitschaft der Verwaltung im Vergleich zur Privatwirtschaft. Manche Prozesse dauern zudem leider viel zu lange. Hier hat die Verwaltung noch Potential.
 

Wie wichtig ist ein interdisziplinärer Ansatz in Ihrem Fachbereich? Arbeiten Sie mit anderen Abteilungen zusammen?

Es kommt darauf an. Es ist vorteilhaft, den Blick für das große Ganze zu haben. Nur so kann man die Konsequenzen des eigenen Verwaltungshandelns vollständig erfassen. Auch kann man das Ermessen nur dann korrekt ausüben, wenn man die Auswirkungen auf andere Bereiche im Auge behält.

Da das Steuerrecht komplex ist und sich stetig verändert, bestehen bei uns feste Ansprechpartnerschaften für verschiedene Themen. Die Kommunikation untereinander ist wichtig, um einen schnellen Informationsfluss und eine einheitliche Vorgehensweise sicherzustellen.

Andererseits gibt es Themen, die im Wesentlichen im eigenen Bereich verbleiben. So zum Beispiel im Rechtsbehelfsverfahren. Spätestens wenn ein Fall vors Finanzgericht kommt, ist die interdisziplinäre Vorarbeit meistens bereits geleistet und es geht „nur“ noch darum, ob man sich einigen kann oder ein Urteil erwirkt.     
 

Wie gestaltet sich das Bewerbungsverfahren und die Einarbeitung bei der Finanzbehörde Hamburg?

Das Bewerbungsverfahren besteht im Wesentlichen aus drei Stufen:

  1. Stufe eins ist die Sichtung der Bewerbungsunterlagen.
  2. In Stufe zwei wird man zu einem Vorstellungsgespräch in der Finanzbehörde eingeladen.
  3. Die dritte Stufe ist ein ganztägiger Vorstellungstermin (Assessment-Center) im Rathaus.

Feste Einstellungstermine gibt es nicht. Die Einarbeitung erfolgt im ersten Jahr. In der Regel wird man einem Regionalfinanzamt zugewiesen und von einem/r Mentor:in betreut. In diesem Jahr darf und soll man sich die Zeit nehmen, die Dienststellen und die Aufgaben kennenzulernen, sich vorzustellen und ein Netzwerk aufzubauen. Außerdem wird man an der Bundesfinanzakademie in Brühl und Berlin im Steuerrecht geschult und nimmt an Führungsseminaren teil.

Zum Ende bekommt man in der Regel ein Probesachgebiet, in dem man sich als Sachgebietsleitung ausprobieren darf, bevor man in den ersten Einsatz und in das eigene Sachgebiet wechselt. 

Maryna Akselrud
Maryna Akselrud

Welche Qualifikationen sind für die erfolgreiche juristische Arbeit in der Steuerverwaltung ein Muss?

Zum einen Lernbereitschaft und Geduld. Die Verwaltung setzt keine steuerrechtlichen Kenntnisse voraus. Dafür sollte man bereit und interessiert sein, sich in die Materie einzuarbeiten.

Zum anderen Entscheidungsfreude. Von uns wird nicht erwartet, dass wir sofort und alles wissen. Was jedoch - zurecht - von uns als Führungskräften und Jurist:innen erwartet wird, ist, dass wir keine Hemmungen haben, schnelle und konkrete Entscheidungen zu treffen und für diese auch einzustehen. 
 

Bietet die Finanzbehörde Entwicklungs- sowie Aufstiegsmöglichkeiten für Jurist:innen?

Ja. Bei Interesse an der Personalführung, kann man zur stellvertretenden Amtsleitung und zur Amtsleitung aufsteigen. Interessiert man sich für das Fachliche, kann man eine Referatsleitung und später Abteilungsleitung in der Finanzbehörde übernehmen.

Auch für die Sachgebietsleitung gibt es z.B. im Finanzamt für Großunternehmen hoch besoldete Stellen. Die Entwicklungsmöglichkeiten sind schon dadurch gegeben, dass die Jurist:innen breit aufgestellt werden und dementsprechend quer durch die Finanzämter ihre Sachgebiete wechseln. Wer sich für das Strafrecht interessiert, kann im Finanzamt für Strafsachen und Prüfungsdienste eingesetzt werden.

Wer sich für Grund- oder Hundesteuer begeistern kann, wäre im Finanzamt für Verkehrssteuern und Grundbesitz gut aufgehoben. Schließlich gibt es noch die Norddeutsche Akademie für Finanzen und Steuerrecht, an der man als Dozent:in den Nachwuchs ausbilden kann.
 

Wie würden Sie die Zusammenarbeit und den Teamspirit bei der Steuerverwaltung beschreiben? Was macht Ihr Team aus?

Zum einen ist das Teil der Führungsaufgabe. Die Teams bestehen nie dauerhaft in der gleichen Konstellation, sondern wechseln nach einem bestimmten Konzept. Die Herausforderung ist, das Team immer wieder neu zu bilden und den Teamspirit herzustellen und zu erhalten. Bei meinen Teams ist mir ein offener und respektvoller Umgang wichtig. Es gibt Situationen, in denen wir unter Druck stehen. Und mit Druck gehen Menschen unterschiedlich um. Gerade dann lege ich viel Wert auf offene Kommunikation und darauf, das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.

Zum anderen bin ich Teil eines Teams auf Führungsebene. Wir haben ein breites Netzwerk und tauschen uns regelmäßig in Regierungsräterunden aus. Es herrscht ein hilfsbereites Miteinander und man profitiert von Erfahrungen dienstälterer und den Impulsen dienstjüngerer Kolleg:innen.

Jurist:innen werden als Führungskräfte eingestellt, und zwar auch ohne Berufserfahrung. Das ist ein Vertrauensvorschuss und man sollte bereit sein, ins kalte Wasser zu springen.
Maryna Akselrud

Die Finanzbehörde legt großen Wert auf die Work-Life-Balance. Ist die Behörde Ihrer Meinung nach als Arbeitgeberin vorne dabei?

Hier kommt es auf die eigenen Wertevorstellungen und Prioritäten an. Die Behörde bietet ein gutes Gesamtpaket. Man wird woanders bestimmt besser bezahlt. Dafür wird aber auch erwartet, dass man 24/7 zur Verfügung steht. Hier können wir die Zeit flexibel gestalten, insbesondere für Familien gibt es verschiedene Teilzeitmodelle, die Überstunden sind nicht mit dem Gehalt abgegolten und ja, man verdient auch hier sehr gut und das Gehalt steigt automatisch. Ich jedenfalls bin dankbar, dass ich meine Freizeit verlässlich planen und genießen kann, weil ich weiß, dass die Arbeitsorganisation meiner eigenen Handhabe unterliegt.
 

Gibt es bei der Behörde auch die Möglichkeit, aus dem Home Office zu arbeiten?

Die gibt es und die wird auch genutzt. Man darf nur eins nicht vergessen: Als Vorgesetzte sollten wir ein Vorbild für unsere Mitarbeiter:innen sein. Ich kann nicht von meinen Mitarbeitenden Anwesenheit verlangen, wenn ich selbst dauerhaft im Home Office arbeite. Und Führung auf Distanz kann eine Herausforderung sein. Ich befürworte Home Office, solange und soweit man seiner Führungsrolle gerecht wird.
 

Wie gleichen Sie einen anstrengenden Arbeitstag aus?

Mit viel Bewegung. Das hält den Körper fit und macht den Geist frei. Dabei werde ich kräftig von Jimmy, meinem Labrador, unterstützt. An Freitagen fahren wir an die Ostsee und toben uns am Strand aus. Übrigens, meinen Traum vom Hund habe ich mir auch erst jetzt erfüllt, weil ich grundsätzlich Planungssicherheit habe.     
 

Gibt es ein (berufliches) Highlight aus Ihrer Zeit in der Steuerverwaltung, welches Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Mein Highlight hat einen traurigen Anlass, sagt aber viel über den Zusammenhalt aus. Kurz nach meinem Start in der Steuerverwaltung fing der Krieg in der Ukraine an. Ich musste nicht lange auf die ersten Nachrichten meiner Kolleg:innen warten. In meinem Büro fand ich Blumen, ukrainische Pralinen, Dekoration in ukrainischen Farben und eine Karte mit lieben Worten. Das Engagement und die Anteilnahme der Kolleg:innen, die mich kaum zwei Monate kannten, war für mich so unerwartet wie für sie selbstverständlich. Danke dafür!

Welche Tipps können Sie Jurist:innen, die sich für eine Karriere bei der Steuerverwaltung interessieren, mit auf den Weg geben?

Wagt den Sprung ins Ungewisse, denn es kann sich lohnen. Steuerverwaltung kommt in der juristischen Ausbildung zu kurz. Das führt dazu, dass man diesen Arbeitgeber nicht „auf dem Schirm“ hat. Ich habe mich spontan beworben und bin überrascht, wie vielfältig hier die Einsatzmöglichkeiten sind. Wer sich vorher ein Bild machen möchte, sollte sich im Rahmen eines Praktikums oder Referendariats die Steuerverwaltung anschauen.     
 

Ihr Fazit?

Anfangs dachte ich, das Steuerrecht würde meine größte Herausforderung sein. Nach eineinhalb Jahren stelle ich fest, dass hierfür das juristische Handwerkzeug ausreicht. Aber wie Führung funktioniert, steht nicht in einem Lehrbuch. Da stehen höchstens Ansätze. Seinen eigenen Führungsstil zu finden und dabei authentisch zu bleiben, ist die wahre Herausforderung.    

 

Vielen Dank, Frau Akselrud!

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