Wer sich für eine Karriere in einer Großkanzlei entscheidet, weiß: Hier geht es nicht nur um (digitale) Aktenberge und angespannte Deadlines, sondern auch um schwerwiegende Mandate, internationale Projekte – und ja, meist auch um lange Arbeitszeiten. Während die Aussicht auf spannende Fälle und ein gutes Gehalt viele Jurist:innen anzieht, wird die Work-Life-Balance dabei schnell zur echten Herausforderung. In Großkanzleien sind 9-to-5-Arbeitstage selten zu finden, und wenn in New York oder Melbourne das Telefon klingelt, müssen deutsche Anwält:innen eben auch mal spätabends den Laptop aufklappen. Trotz alledem gibt es einige Faktoren, die in Bezug auf Arbeitszeiten von Anwält:innen einen wesentlichen Unterschied machen können.
Überstunden oder Feierabend? Arbeitszeiten in Top-Kanzleien
Prinzipiell können die Arbeitszeiten in Großkanzleien je nach Kanzlei, Team, Rechtsgebiet und individueller Auslastung erheblich variieren, von etwa 45 bis 90 Stunden pro Woche.
Die wöchentliche Arbeitszeit versteht sich hier als reine Anwesenheitszeit im Büro ohne Mittagspausen, wobei die tatsächlichen Stunden je nach Definition – wie „billable hours“ oder alle dokumentierten Stunden – ebenfalls erheblich differieren können. Die Angabe solcher Zahlen kann daher ohne genauere Einordnung irreführend sein.
Mehrere Faktoren beeinflussen die Arbeitszeit und damit auch die Anzahl der Überstunden:
- Kanzlei-Ranking und Gehalt: In Tier-1-Kanzleien können Arbeitnehmer in vielen Fällen längere Arbeitszeiten erwarten als in weniger renommierten Kanzleien. Ein Indikator hierfür sind die oftmals signifikant höheren Gehälter, welche in der Regel höhere Arbeitsanforderungen widerspiegeln (Ausnahmen bestätigen hier die Regel). Wer mit dem Gedanken spielt, als Associate in einer Großkanzlei zu beginnen, sollte zudem den Umsatz seines potentiellen Arbeitgebers in Erfahrung bringen. Hohe Umsätze werden nämlich häufig durch viele Arbeitsstunden der Angestellten erreicht.
- Rechtsgebiet: Auch die Wahl des Rechtsgebietes kann ausschlaggebend dafür sein, wie viele Überstunden am Ende zusammenkommen. Während du z.B. im Medienrecht auf vergleichsweise angemessene Arbeitszeiten hoffen kannst, erfordern vor allem M&A und Transaktionsbereiche oft die höchste Anzahl an Arbeitsstunden mit unregelmäßigen Belastungsspitzen. Kommen dann noch unterschiedliche Zeitzonen durch internationale Mandanten hinzu, sind Nachtschichten oft unausweichlich. Andere Bereiche wie Litigation, Datenschutz oder öffentliches Recht gehen hingegen eher mit stabilen und planbaren Arbeitszeiten einher, obwohl es natürlich auch hier zu Spitzenbelastungen kommen kann.
- Team und Partner: Selbst innerhalb derselben Kanzlei kann die Arbeitsbelastung je nach Team und Mandatsstruktur stark variieren. Teams, die mit internationalem Bezug oder einem besonders hohen Leistungsanspruch arbeiten, haben oft längere Arbeitszeiten. Einige Partner erwarten intensive Einsatzbereitschaft, während andere versuchen, die Belastung fairer zu verteilen. Unterschiede in der Teamgröße, der Effizienz des Mandatsmanagements und der Arbeitsorganisation beeinflussen ebenfalls die Arbeitsstunden der Associates.
- Individuelle Auslastung und Selbstorganisation: Unabhängig von den allgemeinen Arbeitszeiten gibt es natürlich immer Phasen hoher und geringer Auslastung. Zudem haben Anwält:innen teilweise selbst einen Einfluss auf ihre Arbeitszeit. Die eigenen Prioritäten zu kennen und auch mal Grenzen zu setzen, sind dabei wichtige Instrumente, um eigene Überstunden langfristig kontrollieren zu können. Mit wachsender Erfahrung und Selbstbewusstsein trauen sich viele Associates auch einmal „nein“ zu sagen, was ihre Arbeitszeit auf Dauer erheblich reduzieren kann.