Herr Dr. Scheuer, die “bAgile” Initiative ermöglichte Mitarbeiter*innen bei Baker McKenzie bereits vor der Pandemie, Arbeitsplatz und -zeit individuell zu gestalten. Inwiefern war hierdurch die Umstellung auf Home Office besser zu bewerkstelligen und lässt sich Ihrer Ansicht nach Privates und Berufliches durch Remote Arbeiten überhaupt trennen?
Dr. Steffen Scheuer: Die pandemiebedingte Umstellung auf Home Office im Frühjahr 2020 mussten wir alle ja sehr spontan bewältigen. Das ist bei Baker McKenzie hervorragend gelungen. Dazu mag ein Stück weit auch beigetragen haben, dass wir schon lange Zeit vor der Pandemie eine "bAgile" Regelung und die zugehörigen IT-technischen Grundvoraussetzungen implementiert hatten. Aber viel mehr beigetragen haben die Mitarbeiter*innen, angefangen von unseren Praktikant*innen, Referendar*innen über die Sekretariate und Professional Business Service Kolleg*innen hin zu den Anwält*innen – alle haben diese Herausforderung sehr schnell und aktiv angenommen. Im Ergebnis haben wir unsere (Mandats-)Arbeit ohne Qualitätsverlust einfach fortgesetzt. Ich bin erstaunt, wie gut und nahtlos dies von ein auf den anderen Tag geklappt hat.
Ob sich Privates und Berufliches durch Remote Arbeiten besser oder schlechter trennen lässt, kann man nicht pauschal beantworten. Das kommt sehr darauf an, in welcher Lebensphase man sich befindet, welche berufliche Position man bekleidet und nicht zuletzt, wie die privaten Räumlichkeiten ausgestattet sind.
Ich persönlich empfinde das Home Office als Bereicherung, weil ich sehr viel mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen kann. Insofern ist die in der Frage unterstellte fehlende Trennung von Privatem und Beruflichem für mich sogar bereichernd. Das mag für eine/n noch alleinstehende/n und kinderlose/n Berufsanfänger*in, die/der soziale Kontakte zu guten Teilen am Arbeitsplatz hat, völlig anders sein. Deshalb wird es bei der Flexibilisierung darauf ankommen, den Mitarbeiter*innen unterschiedliche Wahlmöglichkeiten zu geben.
Sie sind Employment Partner bei Baker McKenzie und Hiring Partner des Münchener Büros. Wie können Sie in Ihrer Position und die Führungsebene bei Baker McKenzie Kolleg*innen sowie Berufseinsteiger*innen unterstützen?
Dr. Steffen Scheuer: Die Hauptaufgabe besteht nach meiner Überzeugung darin, den Berufseinsteiger*innen Orientierung und Halt zu geben und sie gleichzeitig individuell zu fördern. Dazu gehört auch, dass man sie früh mit Verantwortung betraut und sie auch einmal ins sprichwörtliche kalte Wasser springen lässt.
Ich selbst kann mich noch gut an meinen Berufseinstieg in unserer Kanzlei erinnern. Was mir damals am meisten geholfen hat, war das Gefühl, vom ersten Tag an ernst genommen zu werden und echt mitarbeiten zu dürfen. Dazu gehörte auch, dass mein damaliger Mentor immer an meiner Seite war, wenn es in Mandaten stressig wurde und ich Unterstützung benötigte. Ich meine, dass auch heute noch die richtige Mischung aus Fördern und Fordern die beste Unterstützung für Berufseinsteiger*innen ist. Deshalb orientiere ich mich als Mentor und Führungskraft nach wie vor an diesen Grundsätzen.
Hat sich das Remote Arbeiten unmittelbar nach Beginn der Pandemie 2020 auf das Arbeitsklima ausgewirkt und wie wird die Zusammenarbeit innerhalb der verschiedenen Teams bzw. Praxisgruppen bewerkstelligt?
Dr. Steffen Scheuer: Die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend und ohne jeden Qualitätsverlust. Wir haben während der Pandemie zahlreiche Berufsanfänger*innen in unserer Praxisgruppe integriert und auch das hat sehr viel besser funktioniert, als ich das vermutete hatte. Klar ist aber auch, dass der persönliche Austausch fehlt. Wir haben daher versucht, so viele persönliche Treffen wie möglich durchzuführen.
Es ist uns gut gelungen, die Phasen, in denen das Pandemiegeschehen geringer und die rechtlichen Vorgaben weniger streng waren, zu nutzen, um die Mitarbeiter*innen auch physisch zusammenzubringen. Bei diesen Treffen hat man sehr schnell gemerkt, dass persönliche Treffen für die Stimmung im Team unerlässlich sind. Mit Videocalls ist das auf Dauer nicht zu ersetzen und wir hoffen alle, dass wir möglichst bald wieder zu einer neuen Routine bei persönlichen Meetings kommen werden.