Direkteinstieg bei der Polizei

Veröffentlicht am 19.10.2022

Krisensicher & vielseitig: Direkteinstieg bei der Polizei

Melanie Jochheim im Interview über ihren Wechsel aus der Anwaltschaft zur Polizei NRW

Melanie Jochheim hat nach ihrem Rechtsreferendariat zunächst als Rechtsanwältin gearbeitet, bevor sie sich entschied, einen neuen Weg zu gehen: Vor einigen Jahren hat sie sich für den Direkteinstieg bei der Polizei NRW entschieden. Nach einer zweieinhalbjährigen Einarbeitungsphase leitet sie jetzt eine Kriminalinspektion mit knapp 100 Mitarbeiter:innen. 

Melanie Jochheim
Melanie Jochheim

Frau Jochheim, Sie sind Volljuristin und beenden bald Ihre umfangreiche, ca. zweieinhalbjährige Einführungsphase bei der Polizei NRW. Warum haben Sie sich entschieden, aus der Anwaltschaft zur Polizei zu wechseln?

Ich konnte während meines Verwaltungspraktikums im dritten Semester bereits einen Einblick in die Arbeit bei der Polizei gewinnen und hatte diesen beruflichen Werdegang daher immer im Hinterkopf. Die Idee hat mich nie ganz losgelassen und ich wollte gerne mehr im Bereich der Personalführung arbeiten und nicht mehr einen „rein“ juristischen Arbeitsalltag haben. 
 

Die Einführungsphase ist eine Art Trainee Phase vor der Erstverwendung – also der „richtige“ Ersteinsatz als Führungskraft. In welche verschiedenen Stationen bzw. Phasen ist diese Einführung unterteilt und haben Sie hierfür an verschiedenen Standorten gearbeitet?

Die Einführungsphase ist in zahlreiche verschiedene Stationen unterteilt, für die ich an verschiedenen Standorten in NRW gearbeitet habe. Nach einer kurzen Zeit beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei wurde ich in einem Polizeipräsidium eingesetzt. Dort habe ich sämtliche Direktionen durchlaufen. Das bedeutet, dass ich unter anderem beim Wach-und Wechseldienst eingesetzt wurde, also mit Streife gefahren bin.

Außerdem habe ich in verschiedenen Kriminalkommissariaten gelernt, wie die Kriminalpolizei arbeitet. Zur Ausbildung gehören auch zwei Führungshospitationen, bei denen man erfahrene Kolleg:innen des höheren Dienstes begleiten darf. In der Regel hospitiert man in dem Polizeipräsidium, in dem man zuvor bereits eingesetzt wurde.

Des Weiteren wurde ich vier Monate im Ministerium des Innern eingesetzt und musste für diese Zeit in Düsseldorf arbeiten. Zum Ende habe ich für neun Monate an einem Studiengang der Deutschen Hochschule der Polizei teilgenommen, die sich in Münster-Hiltrup befindet.
 

Was macht die Deutsche Hochschule der Polizei (DHPol) so besonders und welche Kenntnisse konnten Sie dort vertieft erlernen?

Besonders ist hier die Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis. Das Studium ist nicht, wie mein Jurastudium, ausschließlich auf theoretisches Wissen angelegt. Es gibt zahlreiche Module, bei denen der Bezug zur Praxis hergestellt und dargestellt wird. Außerdem werden dort Beamt:innen aus allen Bundesländern gemeinsam ausgebildet, sodass ich auch viel über andere Länderpolizeien gelernt habe. Diese Zeit ist zudem für Direkteinsteiger:innen komplett prüfungsfrei.

„Mein Mandat: das ganze Land."

Besonders ist hier die Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis. Das Studium ist nicht, wie mein Jurastudium, ausschließlich auf theoretisches Wissen angelegt. Es gibt zahlreiche Module, bei denen der Bezug zur Praxis hergestellt und dargestellt wird.
Melanie Jochheim

Wie sah Ihr Auswahlverfahren für den höheren Dienst genau aus?

Das Auswahlverfahren besteht aus drei Tagen. Am ersten Tag finden verschiedene Tests und die polizeiärztliche Untersuchung statt. Es werden u.a. die kognitive Leistungsfähigkeit und das Wissen der Teilnehmer:innen in bestimmten Bereichen geprüft. Am zweiten Tag wird ein Assessment-Center durchgeführt und am dritten Tag muss man sich einem Einzelinterview vor einer Auswahlkommission des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen stellen.
 

Bearbeiten Sie als Juristin im höheren Dienst bei der Polizei nur rein juristische Themen? Welche klaren Unterschiede gibt es zu Ihrer vorherigen Arbeit als Rechtsanwältin?

Ich bearbeite so gut wie keine juristischen Themen mehr. Mein jetziger Beruf kann mit dem Anwaltsberuf nicht verglichen werden, weil er ganz anders ist. Ich bin nicht die Juristin der Behörde. Mein Thema ist überwiegend die Personalführung. Am Rande kommen natürlich gelegentlich strafrechtliche oder strafprozessuale Fragen auf, bei denen meine Einschätzung gefragt ist, aber da liegt am Ende die Entscheidung natürlich bei der Staatsanwaltschaft.
 

Welche Herausforderungen sind Ihnen zu Beginn Ihrer Karriere bei der Polizei begegnet?

Die größte Herausforderung war das Ankommen. Ich bin aus einer ganz anderen Welt gekommen und musste mich erst einmal zurechtfinden. Außerdem musste ich mich immer wieder schnell in neue Arbeitsbereiche einarbeiten. Während meiner Zeit als Anwältin hatte ich für meine Entscheidungen deutlich länger Zeit.
 

„Polizeiarbeit ist Teamarbeit!” Wie haben Sie die Aufnahme in Ihr neues Team wahrgenommen und wie funktioniert die interne Kommunikation?

Ich wurde wirklich sehr offen und freundlich aufgenommen. Mich haben Kolleg:innen vor meinem offiziellen Dienstantritt kontaktiert und mir vorab ihre Hilfe angeboten. Ich glaube, das ist wirklich selten und dafür bin ich sehr dankbar. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich alleine auf mich gestellt bin.

Jura Know-How kombiniert mit Polizeiarbeit

Welche Aufgaben erwarten Sie als Führungskraft bei der Polizei und was reizt Sie besonders an dieser Tätigkeit?

Mich reizt es besonders, dass ich mich jeden Tag anderen Aufgaben stellen muss, die wirklich vielfältig sind. Ich habe kaum einen Arbeitstag, der dem anderen gleicht. Neben dem Personalmanagement gehört auch das Leiten größerer Polizeieinsätze oder die Weiterentwicklung polizeilicher Strategien dazu.
 

Welche Qualifikationen sind für eine Führungskraft bei der Polizei essenziell, Frau Jochheim?

Für mich sollte eine Führungskraft offen sein und Spaß daran haben, gemeinsam mit Kolleg:innen zu arbeiten. Wer lieber in Ruhe alleine über juristischen Fragestellungen brütet, wäre dafür nicht geeignet. Außerdem sollte man schnell Entscheidungen treffen können und mit Stress gut umgehen können. 
 

Wie stark unterscheiden sich Praxis und erlernte Theorie aus dem Jurastudium voneinander, wenn Sie Ihre jetzigen Aufgaben betrachten?

Das ist schwierig zu beantworten, da ich in keinem klassischen juristischen Beruf arbeite. Der Schwerpunkt der juristischen Ausbildung liegt deutlich im Zivilrecht. Mit diesem Bereich habe ich beruflich gar nichts mehr zu tun. Das Studium ist in meinen Augen auch deutlich auf eine Karriere als Anwalt ausgelegt und nicht auf die Karriere als Führungskraft. Also würde ich sagen, Theorie und Praxis unterscheiden sich in meinem Fall sehr deutlich.
 

Welche Vorteile hat eine Karriere im öffentlichen Dienst – insbesondere durch den Direkteinstieg – für Sie gegenüber der juristischen Laufbahn in der freien Wirtschaft?

Ich kann da natürlich nur für die Arbeit bei der Polizei NRW sprechen. Aber für mich ist es ein großer Vorteil, dass ich nicht alleine mit einem Berg Akten im Büro sitze, sondern gemeinsam mit anderen arbeiten darf. Ich glaube, dass wir einen weiteren Vorteil während der Pandemie deutlich gesehen haben: Ich habe einen krisensicheren Beruf.

🎙 „Bei der Polizei gibt es leider noch sehr wenige weibliche Führungskräfte“

Welchen Stellenwert nimmt das Thema Work-Life-Balance bei der Polizei NRW ein und werden flexible Arbeitszeitmodelle angeboten?

Die Work-Life-Balance ist natürlich auch bei der Polizei NRW ein großes Thema. Ich finde, dass bei uns die Balance gut zu halten ist. Es gibt flexible Arbeitszeitmodelle, diese sind aber abhängig von der jeweiligen Funktion. Es kann nicht jede Stelle in Teilzeit bearbeitet werden. Allerdings gibt es wirklich zahlreiche Stellen, bei denen das möglich ist. Das macht die Polizei aus. Es ist für jeden etwas dabei.
 

Welche Karrierewege stehen Ihnen nach der absolvierten Einführungsphase bei der Polizei NRW offen?

Wenn ich mir andere Direkteinsteiger:innen in der Polizei NRW ansehe, stehen mir zahlreiche Wege offen. Das reicht vom Leitenden Kriminaldirektor bis hin zur Polizeipräsidentin.
 

Welches Highlight bzw. Ereignis ist Ihnen aus der Einführungsphase besonders in Erinnerung geblieben?

Dadurch, dass ich so viele verschiedene Stationen durchlaufen durfte, gibt es da einige Highlights. Manchmal sind es auch keine konkreten Situationen, sondern für mich war ein großes Highlight, als ich gemerkt habe, wie ich langsam zum Teil eines Teams wurde.
 

Welche Tipps möchten Sie Jurist:innen mit auf den Weg geben, die einen Einstieg bei der Polizei anstreben?

Ich würde allen dazu raten, vorher schon einen Eindruck von dem Beruf zu bekommen. Dazu gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Ich habe sowohl mein Verwaltungspraktikum als auch meine Verwaltungsstation bei Polizeibehörden absolviert und wusste vorher schon, worauf ich mich einlasse. Die Wahlstation würde sich auch anbieten. Ansonsten sollte man sich sehr gut über den Beruf informieren. Am besten im Austausch mit Direkteinsteiger:innen, die sich bereits für diesen Weg entschieden haben. Es ist wichtig, zu wissen, wofür man sich entscheidet. Man entscheidet sich eben nicht für den üblichen Bürojob von Montag bis Freitag.
 

Ihr Fazit?

Ich habe einen sehr herausfordernden und verantwortungsvollen Beruf gewählt, der mich jeden Tag vor neue Aufgaben stellt und lerne jeden Tag dazu. Jedem, der daran Spaß hat, dem kann ich den Direkteinstieg nur empfehlen.
 

Vielen Dank, Frau Jochheim!

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