Welche Rechtsgebiete oder Bereiche sind in Ihre Arbeit eingebunden und inwieweit spielt „juristisches Denken” eine Rolle?
Vera Schwarzenecker: Wenn ich die Tätigkeit im höheren Dienst der Polizei NRW anhand der klassischen Rechtsgebiete einordnen müsste, kann man hier insbesondere mit den Vorschriften des Polizei- und Ordnungsrechts, des Straf- und Strafprozessrechts und des Arbeitsrechts in Berührung kommen.
Polizeiarbeit hat sehr viel mit taktischem Denken zu tun. Das juristische Denken mit seiner analytischen Herangehensweise ist in diesem Zusammenhang von großer Hilfe. Da Polizist:innen oft dennoch etwas anders an Sachverhalte herangehen als Jurist:innen, befruchten sich die unterschiedlichen Denkansätze oft gegenseitig.
Wie gestaltet sich Ihr typischer Arbeitsalltag und was macht die Arbeit als Polizeirätin besonders spannend?
Vera Schwarzenecker: Typisch ist, dass es keinen wirklichen Alltag gibt. Natürlich gibt es bei einer späteren Tätigkeit oft feste Routinen wie z.B. eine morgendliche Besprechung, Mitarbeitergespräche, Ermittlungsabstimmungen und Rücksprachen mit Kolleg:innen. Aber zum Wesen des Polizeiberufs gehört es, dass wir mit immer wechselnden, neuen Sachverhalten konfrontiert werden. Je nachdem, was an einem Tag im eigenen Zuständigkeitsbereich ansteht oder passiert, setzt man sich mit Themen auseinander, von denen man beim Aufstehen noch nichts wusste.
Was macht für Sie eine gute Führungskraft aus und welche Qualifikationen sollten junge Jurist:innen mitbringen?
Vera Schwarzenecker: Neben dem fachlichen Know-How, das man als Jurist:in mitbringen sollte, sind die wichtigsten Eigenschaften einer guten Führungskraft in meinen Augen Empathie und Menschlichkeit. Wer nicht gut mit Menschen umgehen kann, sollte nicht als Vorgesetzte oder Vorgesetzter für diese Verantwortung tragen. Zudem erachte ich eine tiefe moralische Festigung auf den Werten unseres Grundgesetzes als ebenso zwingende wie selbstverständliche Grundvoraussetzung für eine Bewerbung bei der Polizei. Wer moralisch nicht gefestigt ist, hat bei der Polizei nichts zu suchen.
Inwiefern können Sie in Ihrer Position Berufseinsteiger:innen auf dem Karriereweg unterstützen, Frau Schwarzenecker?
Vera Schwarzenecker: Bei der Polizei ist die Hilfsbereitschaft auch intern so groß, wie ich es noch nie zuvor erlebt habe. Wer hier neu ist, bekommt von allen Seiten ernstgemeinte Hilfsangebote. Und so kann auch jede neue Kollegin, jeder neue Kollege mich jederzeit anrufen oder anschreiben und ich werde ihr oder ihm mit meinen Erfahrungen weiterhelfen, wo immer ich kann. Wir alle teilen unseren Erfahrungsschatz miteinander, sodass jede:r die notwendige Unterstützung erfährt.
Wie bewerten Sie durch Ihre langjährige Erfahrung bei der Justiz sowie der Polizei die Entwicklung von Gleichstellung und Gleichberechtigung – insbesondere mit Blick auf weibliche Führungskräfte?
Vera Schwarzenecker: Leider haben wir bei der Polizei noch keine Frauenquote von 50 % erreicht. Das liegt aber auch daran, dass erst seit 1982 Frauen ihren Dienst bei der Polizei NRW versehen. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir diese Verhältnisse noch erreichen werden. Ich erlebe aktuell, dass Führung bei der Polizei immer weiblicher wird und denke, dass wir auf dem richtigen Weg sind.