Dr. Benno Quade

Internationales Lizenzrecht trifft auf Digitalisierung der Rechtsabteilung

Dr. Benno Quade (CCO Software AG) im Interview

Dr. Benno Quade ist Chief Customer Success Officer (CCO) der Software AG und seit August 2021 Mitglied des neu formierten Management Teams. In dieser Funktion leitet er die Bereiche Professional Services, Customer Success Management, Solution Management, Vertragsverlängerungen, TrendMiner, das Alfabet Customer Center, sowie die Customer-Operations- und -Insights-Teams. In dieser Funktion gehört es zu seinen Aufgaben, die Customer-Success-Ressourcen und das Professional-Services-Teams so zu steuern, dass sie Transformationsprojekte bei Kunden unterstützen. Darüber hinaus stellt er sicher, dass das Unternehmen mit Subskriptionen kontinuierliche Umsätze erzielt.

 

Herr Dr. Quade, Sie sind seit August 2021 CCO bei der Software AG. Wie hat sich Ihr Werdegang vom Jurastudium hin zu Ihrer jetzigen Position gestaltet? Hatten Sie bereits während Ihres Studiums Kontakt mit Ihrem Fachbereich im Unternehmen?

Meine Karriere hat sich sehr unorthodox „ergeben“; nach einer Banklehre studierte ich Jura und Philosophie, um dann schließlich nach dem 2. Staatsexamen im Investment Banking als Vertriebsmitarbeiter zu landen. Daraufhin wechselte ich in die Rechtsabteilung der Deutschen Bank und dann als Legal Counsel zur Software AG. Dort wurde ich dann General Counsel und wechselte dann in Richtung Vertrieb. Ich bereue keinen Schritt, muss aber zugeben, dass nichts davon geplant war.
 

Zu Ihren Aufgaben gehört es u.a. die Customer-Success-Ressourcen und das Professional-Services-Teams so zu steuern, dass sie Transformationsprojekte bei Kunden unterstützen. Inwiefern gestaltet sich diese Tätigkeit genau und welche Rolle spielt die Digitalisierung allgemein hierbei?

Die Digitalisierung bestimmt heute jeden Winkel des Geschäfts. Ohne Digitalisierungs-Skills geht deshalb nichts mehr. Ich denke, dass alle Studierenden mit der Modellierung von Geschäftsprozessen und der Handhabung von Low-Code-Plattformen vertraut gemacht werden sollten oder besser müssen.

Digitalisierung ist längst kein unbekanntes Thema mehr. Können Rechtsabteilungen und Verwaltung Ihrer Ansicht nach überhaupt ohne Anpassungen weiterhin funktionieren, insbesondere in „digitalen” Unternehmen?

Nein! ohne Digitalisierung ist es unmöglich für eine Rechtsabteilung, schnell und angemessen auf die Anforderungen des Business zu reagieren. Für die Verwaltung ist das Thema Digitalisierung aus meiner Sicht sogar noch aktueller: Bürger:innen erwarten dieselbe „Experience“ wie in ihrem sonstigen digitalen Leben. Deshalb gilt in der Verwaltung, den Fokus auf die „Bürger:innenerfahrung“ und digitale „Demokratieerfahrung“ zu legen – die Verwaltung muss jederzeit leicht zugänglich sein! 
 

Sie haben in Ihrer Funktion als General Counsel 2012 Führungspositionen u.a. in den Bereichen Legal sowie M&A-Projekte bekleidet. In welchen Bereichen und für welche Prozesse von Rechtsabteilungen ist eine Digitalisierung sinnvoll? 

Nicht für alle, aber für alle, die uns wiederholt begegnen. An erster Stelle seien die gesellschaftsrechtlichen Housekeeping-Prozesse genannt, die einen immensen Digitalisierungsschub für eine Rechtsabteilung und ein echtes „Upgrade“ der Kundenerfahrung bedeuten können. Es gilt, die Daten verfügbar und aktuell für jeden zu halten, der an diesen Daten Interesse hat oder diese Daten nutzen möchte.

Hiervon profitieren alle: die Rechtsabteilung, die Tochtergesellschaften, die Steuerabteilung. Finance etc. Ich kann nur sagen: Probieren Sie es aus und erschließen Sie Ihren internen Kunden den direkten digitalen Zugang!
 

Um eine solche digitale bzw. technische Infrastruktur auszubauen, sind entsprechende agile Applikationen notwendig. Können Sie Beispiele von derartigen agilen Applikationsplattformen geben?

Ich möchte keine Werbung machen, aber agile Apps sind der Schlüssel zum Erfolg. Mit dem richtigen Entwicklungspartner oder talentierten und digitalisierungsaffinen Mitarbeiter:innen gelingen die ersten Digitalisierungserfolge schnell und sicher.  

Die Daten, die in der digitalen Wirtschaft schon heute anfallen und nutzbar sind bzw. gemacht werden können, brauchen neue Geschäftsmodelle, deren Definition, tiefgreifenden juristischen Sachverstand vorraussetzen.
Dr. Benno Quade
Hochschule Darmstadt
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Gemeinsam mit Ihrer digitalen Rechtsabteilung haben Sie mehr als 20 Rechts-Apps entwickelt. Inwieweit sollten Jurist:innen selbst das Vorankommen von agilen Anwendungen unterstützen und sind IT-Vorkenntnisse hierfür erforderlich?

Der Jurist heute und morgen sollte auch ein „Law-Coder“ sein, also sich mit Low-Coding Plattformen auskennen bzw. in der Lage sein in Geschäftsprozessen zu denken und damit einem Entwicklungspartner die richtige „Guidance“ für oder bei der Erstellung von Apps geben können. Digitalisierungsskills sind wichtig und werden in Zukunft darüber entscheiden, wer über die Rechtsabteilung hinauswachsen kann.

Warum ist das aus meiner Sicht wichtig? Weil Jurist:innen einen großartigen Wertbeitrag für den Unternehmenserfolg leisten können, der über die Kernaufgaben der Rechtsabteilungen hinausgeht. Die Daten, die in der digitalen Wirtschaft schon heute anfallen und nutzbar sind bzw. gemacht werden können, brauchen neue Geschäftsmodelle, deren Definition, tiefgreifenden juristischen Sachverstand voraussetzen.
 

Stichwort Vorkenntnisse. An der Hochschule Darmstadt haben Studierende die Möglichkeit, den LL.M. „Internationales Lizenzrecht“ zu belegen. Welche Schnittstellen deckt der Masterstudiengang insbesondere ab, Herr Dr. Quade?

Nun, das internationale Lizenzrecht ist ein Schlüssel für alle Aufgaben in einem Softwareunternehmen und da heute jedes Unternehmen mit Software zu tun hat, ist der Masterstudiengang sozusagen die solide Plattform, die sowohl die Schnittstellen Softwarelizenzvertrag als auch Open Source Compliance abdeckt.
 

Die Software AG ist ein beliebter Arbeitgeber der Absolvent:innen des LL.M.-Studiengangs an der HS Darmstadt. Welches Know-how und welche Kompetenzen bringen diese Jurist:innen mit?

Die schon eben angesprochene Plattform, auf der die Absolvent:innen schneller als andere Wirksamkeit entfalten können und damit die Offenheit und Agilität, der es im Umfeld eines globalen Softwareunternehmens bedarf.
 

Sind in Ihrem Unternehmen ausschließlich Jurist:innen mit dieser Zusatzqualifikation tätig oder werden auch andere Bachelor- oder Diplomabschlüsse anerkannt? Und welche Vorteile sehen Sie beim LL.M. gegenüber der altbekannten Promotion?

So eine komplexe Frage schreit nach einer einfachen Antwort: Die Diversität der juristischen Qualifikationen macht das Team so stark, wie es heute ist.

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Welche Tätigkeiten erwarten LL.M.-Absolvent:innen in Ihrem Unternehmen und ist ein Berufseinstieg in höhere Führungspositionen auch möglich?

Die Bandbreite der möglichen Tätigkeiten reicht vom Bereich Compliance (Data, Technology/ FOSS Compliance) über das klassische Lizenzrecht bis in den Bereich M&A. Das sind spannende Themenfelder; mit Blick auf höhere Führungspositionen bin ich immer vorsichtig, weil ich als Berufseinsteiger nicht die Erfahrung gehabt hätte, ein Team zu führen. Ein Baum muss wachsen, um Früchte tragen zu können.
 

Wie sehen Sie die Zukunft des Berufsbildes „Unternehmensjurist:in”? Wird die Schnittstelle zwischen Wirtschaft & Recht zusammen mit der voranschreitenden Digitalisierung weiterhin an Bedeutung gewinnen? 

Klare und kurze Antwort: JA!
 

Alles ein Blick in die Glaskugel? Wie hat sich während Ihrer juristischen Laufbahn die Einstellung zum Thema Legal Tech verändert und welche Veränderungen erwarten Sie noch?

Legal wird noch stärker an Strategieentscheidungen mitwirken und Einfluss auf neue Geschäftsmodelle nehmen. Darauf freue ich mich.
 

Sind Sie der Ansicht, dass Legal Tech Jurist:innen die Arbeit im Kern erleichtern kann? Und werden Urteile auch bald durch digitale Prozesse erleichtert bzw. ganz ersetzt?

Erleichtern und „upgraden“, würde ich sagen. Die Erleichterung resultiert aus der Automatisierung wiederkehrender Standardtätigkeiten und der Optimierung des Informationsflusses zwischen Business und Legal. Das Upgrade liegt darin, dass mehr Zeit für die strategischen Themen und Fälle bleibt. Eine tiefere Beschäftigung mit dem, was wirklich zählt. Und ja, auch die Gerichtsprozesse werden mit digitaler Hilfe beschleunigt und verbessert werden. Projekte wie der strukturierte Parteivortrag zeigen mir persönlich schon die Zukunft des Zivilprozesses.

Was reizt Sie besonders an Ihrer Tätigkeit in einer „digitalen” Rechtsabteilung?

Die unlimitierte Kreativität, juristische Kreativität. Jurist:innen sind alles außer „staubtrocken“!
 

Welche Tipps möchten Sie Studierenden mit auf den Weg geben, die sich für Legal Tech und eine Tätigkeit in einer Rechtsabteilung interessieren?

Einfach machen und nie aufhören zu lernen. Die Chance liegt im Ausprobieren.

Ihr Fazit?

Legal Tech bietet Jurist:innen neue, ungeahnte Möglichkeiten. Meine eigene Entwicklung zeigt, was möglich ist, wenn Jurist:innen neu und agil denken. Wir können Gestalter sein! Alles, was es braucht, ist ein wenig „Digitalisierungsmut“!

Vielen Dank, Herr Dr. Quade!

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