Jurastudium ohne Abitur

Verfasst von Sascha Matowitsch|Veröffentlicht am 18.04.2022

Jurastudium ohne Abitur?

Wie kann man als beruflich Qualifizierter Jura studieren?

Ohne Abitur zu studieren ist schwierig, aber nicht unmöglich. Längst führen verschiedene Wege an die Universität. Laut einer Statistik lag die Anzahl der Studierenden ohne Abitur 2019 bei 64.000 Studierenden und macht damit einen Anteil von 2,2 %. Tendenz steigend.

Ein Weg, um auch ohne Abitur Jura zu studieren, ist der über die berufliche Qualifikation, den ich gegangen bin. Bereits in der 10. Klasse hatte ich nicht wirklich Lust, noch länger (nur) die Schulbank zu drücken. Für mich war sehr früh klar, dass ich in den juristischen Bereich gehöre. Nun war ich Schüler einer Hauptschule in Bielefeld, der gerade dabei war, die Fachoberschulreife zu erwerben. Der Weg zu den klassischen Berufen, Rechtsanwalt, Richter oder Staatsanwalt schien auf den ersten Blick versperrt. Ich konnte mich nur für eine Berufsausbildung bewerben, die keine zwei Staatsexamina voraussetzt. Entsprechend blieb nur das Berufsbild des Rechtsanwaltsfachangestellten oder Justizfachangestellten.

Nachdem ich die Ausbildung zum Rechtsanwaltsfachangestellten erfolgreich abgeschlossen und fünf Jahre Berufserfahrung gesammelt habe, wollte ich nicht mehr die klassischen Aufgaben eines Rechtsanwaltsfachangestellten erledigen. Dank meiner damaligen Ausbilderin in einer Kanzlei in Bad Oeynhausen durfte ich viel eigenverantwortlich erledigen, was mir auch einen tieferen Einblick in die Rechtsanwendungspraxis verschafft hat. Diese Aufgaben waren im Ergebnis ausschlaggebend für meinen Wunsch, mehr zu erreichen. Doch wie komme ich an die Universität ohne Hochschulzugangberechtigung?

Jurastudium als beruflich Qualifizierter

Wer ohne Abitur Jura studieren will, kann dies unter bestimmten Voraussetzungen tun. Viele Universitäten bieten ausführliche Informationen für das Studium als beruflich Qualifizierter an – die Zugangsvoraussetzungen und Bewerbungsfristen können sich allerdings von Universität zu Universität unterscheiden!

Für mich kam wegen persönlicher Bindungen nur die Universität Bielefeld in Betracht, an welcher es ebenfalls möglich ist, das rechtswissenschaftliche Studium als beruflich Qualifizierter aufzunehmen. Teilweise wird an den Universitäten noch nicht einmal eine Zugangsprüfung abverlangt. 

3 Möglichkeiten, die den Weg ins Jurastudium öffnen

Für diejenigen, die sich ohne Abitur und nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung an einer juristischen Fakultät einschreiben wollen, bieten sich insbesondere diese 3 Möglichkeiten:
 

  1. Als Meisterin oder Meister hast Du einen prüfungsfreien Zugang zu dem Studiengang der Rechtswissenschaften an allen Universitäten und Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen. 

    Bei den zwei Alternativen als berufliche Qualifizierter ist zu unterscheiden:
  2. Fachtreue Bewerber: Grundvoraussetzung ist die mindestens zweijährige Berufsausbildung in einem Ausbildungsberuf im juristischen Bereich. Ebenso muss ein Nachweis über eine mindestens dreijährige berufliche Tätigkeit in dem Bereich nachgewiesen werden. Für mich als ausgebildeten Rechtsanwaltsfachgestellten kein Problem – damit entfiel eine gesonderte Zugangsprüfung und ich konnte mich auf die weiteren Punkte für die Zulassung konzentrieren.
  3. Fachfremde Bewerber: Wer eine zweijährige Berufsausbildung in einem fachfremden, also nicht-juristischen, Bereich absolviert hat, kann sich über eine Zugangsprüfung für das Jurastudium qualifizieren. Die Zugangsprüfung setzt sich zusammen aus einer vierstündigen Klausur und einem 45-minütigem Prüfgespräch.
    Somit erhalten auch Fachfremde die Gelegenheit, Jura zu studieren und einen der anspruchsvollsten Studiengänge überhaupt zu belegen. Sobald Du diese Voraussetzungen erfüllst, musst Du nach Deiner Bewerbung an einem Beratungsgespräch durch eine Beauftragte / einen Beauftragten teilnehmen. Hier wirst Du über Studieninhalte und Studienstrukturen informiert. In der Beratung wird auch ermittelt, ob ein fachliches oder methodisches Vorwissen fehlt. Dieses Beratungsgespräch ist zwingend spätestens bis zur Einschreibung zu führen. 


Nun liegen alle Voraussetzungen vor. Entweder hast Du erfolgreich die Zugangsprüfung ablegen können oder Du hast sie nicht gebraucht. Durch einen Bescheid erhältst Du Deine Hochschulzugangsberechtigung. Sie dient als „Abi-Ersatznote“ und ebnet Dir den Weg zur Bewerbung an der Universität in Bielefeld. 

Die Bewerbung an der Universität

Verwechsle nicht die Bewerbung auf einen Studiengang mit dem vorbeschriebenen Verfahren. Das dargestellte Verfahren dient nur dazu, festzustellen, ob Du Dich auf diesen Studiengang auch ohne das Abitur bewerben darfst. Wie in jedem anderen Studiengang, gibt es auch hier oft eine beschränkte Anzahl an Studienplätzen.

Die Universität Bielefeld zum Beispiel stellt 5 % der vorhandenen Studienplätze für beruflich Qualifizierte zur Verfügung. Sollten mehr Bewerbungen vorliegen, als Studienplätze angeboten werden, findet ein Auswahlverfahren statt. Da Ziel des Studiums das Erreichen des Staatsexamens ist, musst Du Deine Bewerbung über das Portal www.hochschulstart.de einreichen. 

Achtung: Verschiedene Einschreibungsfristen 

Nicht zu unterschätzen sind die verschiedenen Bewerbungsfristen, die zu beachten sind. Solltest Du Dich für ein Sommersemester bereits bewerben wollen, musst Du Deine Bewerbung bereits im Zeitraum vom 01.07.-01.10. des Vorjahres einreichen. Abiturienten hingegen können sich im Zeitraum 01.12.-15.01. bewerben. Wie Du siehst, musst Du Dich bereits frühzeitig um Deine Hochschulzugangsberechtigung kümmern, da diese bis zum Bewerbungszeitraum bereits vorliegen muss. 

Gibt es einen sichtbaren Unterschied zu den Kommilitonen?

Nach meiner Einschreibung habe ich mich natürlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob ich mit den ganzen Abiturienten mithalten kann. Werden Kenntnisse abverlangt, die man eben nur im Rahmen des Abiturs mitbekommt? Wird es in meiner späteren beruflichen Zukunft ein Hindernis darstellen, dass ich kein Abitur habe? Wie erkläre ich das? 

Meine Kommilitonen merken gar nicht, dass ich kein Abitur habe.

Meine Mitstreiter reagierten überrascht, als sie erfahren haben, dass ich gar kein Abitur habe. Das Feedback war stets positiv, wobei ich bei dem ein oder anderen das Gefühl hatte, dass dieser mir den Studiengang nicht zutraut. Bereits in der ersten BGB-AT-Vorlesung merkst Du, dass es auf das beste Ergebnis im Leistungskurs Mathe überhaupt nicht ankommen kann. Im Zweifel hat der gesamte Hörsaal keine Ahnung, was eine Willenserklärung ist und was die Abgabe eines Angebotes eigentlich beinhaltet. Als beruflich Qualifizierter sah ich für mich persönlich Vorteile: 

  • Eine gezielte Entscheidung: Zwischen Schule, Ausbildung und Berufserfahrung hatte ich genug Zeit, mir zu überlegen, was ich wirklich will – ein „Blindstudium“ kam damit von vornherein nicht in Frage. Ich wusste, worauf ich mich einlasse.  
  • Die Basics waren in groben nicht-wissenschaftlichen Zügen bereits bekannt (z.B. im Kauf- und Gesellschaftsrecht). 
  • Du musst keine Angst davor haben, zu scheitern und mit nichts dazustehen – eine Berufsausbildung und Berufserfahrung hast Du ja bereits. 
  • Du weißt, wie es ist, sich seinen Lebensunterhalt selbst zu finanzieren.
Meine Güte, haben Sie sich aber hochgeboxt!

Das beste Kompliment erhielt ich allerdings in meiner mündlichen Prüfung zum Staatsexamen von dem Prüfungsvorsitzenden. Ihm sind zwar einige Fälle bekannt, dass beruflich Qualifizierte bis zum Staatsexamen geschafft haben. Mein Fall hat ihm allerdings verdeutlich, dass man tatsächlich alles schaffen kann – von der Hauptschule bis zum ersten Staatsexamen, und das innerhalb der Regelstudienzeit. Auch im beruflichen Umfeld wirst Du bei Einschlagen dieses Weges Lob und Anerkennung erfahren, sodass es eigentlich nie im Laufe des Studiums und danach zum Hindernis wird, dass Du gerade nicht den traditionellen Weg eingeschlagen hast. 
 

Es gibt nicht nur den einen Weg, um seine Zukunft und Karriere selbstbestimmend zu gestalten. Das Abitur ist vermutlich nach wie vor der gängigste Weg, um sich für ein Studium der Rechtswissenschaften zu qualifizieren, es gibt daneben allerdings noch weitere Möglichkeiten. Und: Das Abitur ist kein Indikator für Dein juristisches Können oder Bestehen im Jurastudium. 

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