geistiges Eigentum & Gewerblicher Rechtschutz

Veröffentlicht am 22.02.2021

"Hier ist nichts in Stein gemeißelt"

Kather Augenstein, Oppenländer und KNPZ über Vorzüge und Herausforderungen des IP/IT-Rechts

Miriam Kiefer: Kather Augenstein ist eine Boutique-Kanzlei, die auf streitige Auseinandersetzungen im Gewerblichen Rechtsschutz spezialisiert ist. Wir beraten international tätige Konzerne sowie nationale, mittelständische Unternehmen. Die Anwälte von Kather Augenstein bearbeiten jedes Mandat in individuell zugeschnittenen Teams. Aufgrund unseres Locksteps-Systems bilden wir eine Einheit, in der jeder gleichermaßen zum Erfolg beiträgt und am Erfolg teilhat.  

Dr. Christina Koppe-Zagouras: Ich bin seit 2005 bei OPPENLÄNDER Rechtsanwälte im Bereich IP tätig, seit 2010 als Partnerin der Kanzlei. OPPENLÄNDER ist eine auf alle Bereiche des Wirtschaftsrechts spezialisierte Kanzlei mit ca. 40 Berufsträgern. Trotz dieser Größe gehört OPPENLÄNDER seit Jahren zu den Top50 Kanzleien in Deutschland.

Dr. Jan-Michael Grages: KNPZ ist eine wirtschaftsberatende Kanzlei mit dem Fokus auf IP/IT/Media. Wir unterstützen unsere Mandanten bei dem Schutz und der Kommerzialisierung von Geistigem Eigentum, Daten und Content. Diese Mandanten reichen von Industriekonzernen bis zu Hightech-Start-ups. Im Alltag bringt das alle Facetten der Tätigkeit als Wirtschaftsanwalt mit sich: strategische Beratung, Begleitung von Transaktionen sowie des Tagesgeschäfts und natürlich die gerichtliche Vertretung.

Frau Kiefer, Sie sind Gründungspartnerin der Boutique-Kanzlei Kather Augenstein und kennen somit nicht nur die rein rechtsberatende, sondern auch die unternehmerische Perspektive. Wie wirken sich beide Sichtweise auf Ihre Arbeit aus?

Miriam Kiefer: Die strategischen Überlegungen zur Ausrichtung der Tätigkeit einer neu zu gründenden Kanzlei waren nicht nur extrem spannend und herausfordernd, sondern auch sehr bereichernd. Hinzu kamen Fragen wie Personalplanung für ein doch recht volatiles Kanzleigeschäft und natürlich auch Marketingthemen.

Für die vielen Einzelschritte bei einer Gründung waren wir auch auf Zuarbeit von externen Dienstleistern angewiesen. Dieser Perspektivwechsel war besonders wertvoll, da wir hier unmittelbar erfahren konnten, wie wichtig das Vertrauen in die Arbeit eines Dienstleisters ist. 

Neben der inhaltlichen Arbeit ist es auch entscheidend, die richtigen Schwerpunkte zu setzen und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit im Blick zu haben. Dazu gehört, sich in den konkreten Ansprechpartner beim Mandanten zu versetzen und zu überlegen, in welcher Gestalt und welcher Ausführlichkeit er bzw. sie beispielsweise eine Stellungnahme aufbereitet haben möchte. In der Regel trifft der Mandant hierauf aufbauend weitere geschäftliche Entscheidungen.
 

Frau Dr. Koppe-Zagouras, Sie haben neben Ihrer anwaltlichen Tätigkeit im Geistigen Eigentum bei Oppenländer eine Vielzahl an Publikationen verfasst. Ist dies vor allem Ihrem persönlichen oder einem wissenschaftlichen Interesse an den Themen geschuldet, neue Denkanstöße in diesem Rechtsbereich aufzuzeigen?

Christina Koppe-Zagouras: Natürlich steht bei meiner Tätigkeit als Rechtsanwältin die reine Mandatsarbeit im Vordergrund. Man stößt aber doch immer wieder auf dogmatische Probleme oder interessante Rechtsfragen, die man weiter „aufbohren“ möchte. Publikationen erlauben noch tiefer in einzelne Rechtsprobleme einzusteigen. Man hat die Möglichkeit, Lösungen aufzuzeigen oder neue Denkanstöße zu liefern. Das ist wiederum wichtig, um eine doch sehr komplexe Spezialmaterie wie das Geistige Eigentum richtig gut zu begreifen und hier an der wissenschaftlichen Diskussion teilzunehmen.
 

Herr Dr. Grages, vor Ihrer Karriere bei KNPZ, wo Sie heute Partner sind, sind Sie in einer Großkanzlei und bei der Deutschen Vertretung der Vereinten Nationen tätig gewesen. Ist es in einem Bereich wie dem Geistigen Eigentum unabdingbar, verschiedene Perspektiven zu kennen und wie haben sich diese auf Ihre Karriere ausgewirkt?

Jan-Michael Grages: Verschiedene Perspektiven zu kennen ist als Anwalt entscheidend, um Verhandlungspartner zu verstehen und Lösungen zu entwickeln.

Das ist im Bereich IP/IT besonders wichtig, weil man nicht nur mit Juristen spricht, sondern auch mit Technikern und Kreativen, die manchmal anders ticken. Und auch bei unseren Mandanten muss man flexibel sein: Ein Konzernvorstand, die Geschäftsführung beim inhabergeführten Mittelständler und Venture-Capital-Investoren haben ganz unterschiedliche Ansprüche und Denkweisen. Insofern war es für mich sehr hilfreich, verschiedene Kanzleistrukturen zu erleben und Erfahrungen in einer internationalen Behörde zu machen, weil man dadurch unterschiedliche Entscheidungsprozesse und andere Blickwinkel nachvollziehen kann. Und gerade deshalb ist es uns auch bei KNPZ wichtig, Anwälte mit verschiedenen Hintergründen und Ansätzen zusammenzubringen.

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Ein Großteil der von Ihnen geführten Verletzungsprozesse ist internationaler Natur. War diese Ausrichtung eine nach und nach eintretende Entwicklung in der Kanzlei oder bereits von Beginn an ein fester Bestandteil des Daily Business und wie wirkt sich dies auf die Anforderungen an Neuzugänge in Ihrer Kanzlei aus, Frau Kiefer?

Miriam Kiefer: Es war eine bewusste Entscheidung im Rahmen der Kanzleigründung, dass wir als Boutique-Kanzlei einerseits als flexible Einheit tätig sein möchten, gleichzeitig aber mit dem Anspruch, an grenzüberschreitenden Verletzungsverfahren mitzuwirken. Also das Beste aus beiden Welten: Ein flexibles, wendiges Schnellboot, das sich auf allen Weltmeeren bewegt.

Die Arbeit in einer kleineren Einheit bringt kurze Entscheidungswege und wenig Konfliktpotenzial im Hinblick auf neue Mandate mit sich. Das internationale Netzwerk der Partner von Kather Augenstein ermöglicht die Kooperation in grenzüberschreitenden Verfahren sowie die Tätigkeit für international agierende oder im Ausland sitzende Unternehmen. Natürlich kann man diese Ausrichtung nur verfolgen, wenn internationale Mandanten einem das Vertrauen schenken, sie in wichtigen großen Verfahren zu vertreten. 

Für den anwaltlichen Nachwuchs bedeutet das, dass eine Tätigkeit bei uns einen Großteil an englischsprachiger Arbeit mit sich bringt. Wir entwerfen die Schriftsätze für die Verfahren, die wir vor den deutschen Gerichten führen, zwar in den meisten Fällen auf Deutsch. Regelmäßig bedarf es jedoch einer englischen Übersetzung oder aber der Abstimmung mit dem Mandanten auf Englisch. Idealerweise hat ein neuer Kollege bzw. eine neue Kollegin während der Ausbildung im englischsprachigen Ausland gelebt. Dies ist nicht Voraussetzung für eine Einstellung bei uns, erleichtert aber sicherlich den Einstieg in der Kommunikation mit ausländischen Mandanten oder Kollegen. 
 

Frau Dr. Koppe-Zagouras, Geistiges Eigentum ist nicht gerade ein Thema, das in universitären Lehrplänen fest verankert ist. Wie sahen Ihre ersten Berührungspunkte mit dem Fachbereich aus und Sie letztlich überzeugt, sich hier zu spezialisieren?

Christina Koppe-Zagouras: Mit dem Urheberrecht als Teilgebiet des Gewerblichen Rechtsschutzes bin ich bereits im Studium in Berührung gekommen. Auch in meiner Promotion habe ich mich hiermit beschäftigt. Mich hat schon früh an diesem Rechtsgebiet fasziniert, dass es sich doch vom „gewöhnlichen“ Zivilrecht unterscheidet.

Im Referendariat konnte ich dann in der Anwaltsstation weitere Einblicke und Erfahrungen im Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes sammeln, auch was die tägliche Praxis angeht. Spätestens danach stand für mich fest, dass ich als Rechtsanwältin im Bereich Gewerblicher Rechtsschutz tätig sein will. Die Liebe zu diesem Rechtsgebiet ist geblieben. Es ist abwechslungsreich und spannend – und das auch noch nach 15 Jahren anwaltlicher Tätigkeit. 
 

Herr Dr. Grages, Sie haben Ihren Fokus im Bereich des Geistigen Eigentums auf den informationstechnischen Bereich gelegt. Was finden Sie daran besonders interessant und können Sie uns ein Beispiel hierzu geben worin sich dieser Teilbereich von den anderen unterscheidet?

Jan-Michael Grages: Juristisch finde ich spannend, dass die IP-Assets – also die Software, die Erfindung, der Film – theoretisch einfach durch jeden Interessierten vervielfältigt werden könnten. Aber das Gesetz beschränkt diese Möglichkeit, um den Schöpfer mit einem exklusiven und lizenzierbaren Recht zu belohnen und ihm einen Anreiz zu erhalten.

Die praktische Anwendung im Bereich IT finde ich wegen der Dynamik der Technologie und der Branche insgesamt spannend. Diese Schnelllebigkeit ist ein wenig ausgeprägter als in den klassischeren IP-Bereichen wie Urheber- und Markenrecht, die wir bei KNPZ auch bedienen. Außerdem reicht das IT-Recht über den Aspekt des Geistigen Eigentums hinaus, insbesondere durch die Anknüpfung an das immer wichtigere Datenschutzrecht, in dem ich auch viel und gerne tätig bin. Die spannendsten Mandate sind aber die, bei denen man mehrere Gebiete kombinieren kann. Hier liegt eine unserer Stärken, da wir trotz unserer eigenen klaren Ausrichtung auf IP/IT/Media erfahren darin sind, mit Kooperationspartnern aus anderen Rechtsgebieten zusammenzuarbeiten und Ergebnisse „aus einem Guss“ zu liefern.

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Der Fachanwaltslehrgang gibt gerade „Neulingen“ einen guten Überblick über die gesamte Materie, auch im Hinblick auf Bereiche, die vielleicht in der täglichen Praxis eher seltener vorkommen.
Dr. Christina Koppe-Zagouras

Frau Kiefer, ein besonders komplexer Bereich sind die Patentverletzungsstreitigkeiten. Insbesondere bei Patenten internationaler Mandate spielen viele Aspekte wie rechtsraumübergreifende Bewertungsfragen und internationale Vereinbarungen eine Rolle. Wie behalten Sie bei den vielen verschiedenen Sachverhalten und Rechtsstreitigkeiten den Überblick und die Oberhand?

Miriam Kiefer: Schlagwortartig würde ich sagen: Erfahrung – Teamwork – Zeitmanagement
Der grundsätzliche Ablauf ist bei nahezu allen Verfahren sehr ähnlich. Internationale Streitigkeiten weisen einige zusätzliche Streitfragen auf – aber auch diese kehren häufig wieder. Aus diesem Grund ist Erfahrung die Grundlage, um die Oberhand über eine Vielzahl parallel laufender Verfahren zu behalten. Daneben kommt uns in unserer Kanzlei zugute, dass die Associates keinem Partner fest zugeteilt sind. Stattdessen werden die Teams individuell für einzelne Mandate aufgestellt. Darüber hinaus tauschen wir uns häufig auch im Gesamtteam zu laufenden Verfahren aus. Dieser Austausch ist besonders wertvoll, da wir so die Detailkenntnisse von jedem Einzelnen in jedes Mandat übertragen können. 

Bei Kather Augenstein arbeiten wir immer im Team von mindestens zwei Anwälten, bei Bedarf auch mehr. Wir halten das 4-Augen-Prinzip für einen wichtigen Grundpfeiler unserer Arbeit: Es erhöht die Qualität und man hat als sachbearbeitender Rechtsanwalt immer einen Sparringspartner zur Verfügung, der das Verfahren ebenfalls kennt und mit dem man sich zu kniffligen (rechtlichen oder technischen) Fragen austauschen kann. 

Ein gutes Zeitmanagement setzt den Rahmen für die Betreuung komplexer Streitigkeiten. Neben den gerichtlichen Fristen arbeiten wir auch im Team untereinander mit festen zeitlichen Vorgaben für die einzelnen Arbeitsschritte.
 

Nur etwa 2,5% der zugelassenen Anwälte führen einen Fachanwaltstitel für Gewerblichen Rechtsschutz. Wie bewerten Sie diesen Titel in Ihrem Bereich?

Christina Koppe-Zagouras: Aus meiner Sicht ist der Fachanwaltstitel für Gewerblichen Rechtsschutz insbesondere für Berufsanfänger sinnvoll. Der Fachanwaltslehrgang gibt gerade „Neulingen“ einen guten Überblick über die gesamte Materie, auch im Hinblick auf Bereiche, die vielleicht in der täglichen Praxis eher seltener vorkommen. Gerade jungen Rechtsanwälten vermittelt dies auch in der täglichen Arbeit eine gewisse Sicherheit. Man darf aber auch die Wirkung gegenüber einschlägigen Gerichten und Mandanten nicht unterschätzen. Der Fachanwaltstitel dokumentiert auch Dritten gegenüber, dass man auf das Rechtsgebiet des Gewerblichen Rechtsschutzes spezialisiert ist und sich hiermit vertieft beschäftigt hat. Ich kann jedem nur dazu raten, den Fachanwaltstitel zu erwerben. Wenn man sich im Bereich Gewerblicher Rechtsschutz spezialisieren möchte, ist er ganz klar von Vorteil. 
 

Herr Dr. Grages, neben dem Geistigen Eigentum arbeiten Sie auch bei M&A Transaktionen mit. Welchen Stellenwert nimmt hierbei das Geistige Eigentum ein und wie lassen sich gerade bei IT-Unternehmen Innovationen und sonstiges geistiges Eigentum in Zahlen bewerten? Schließlich ist das Potential solcher bei M&A-Transaktionen nicht immer komplett abschätzbar.

Jan-Michael Grages: Wir begleiten in der Regel technologiegetriebene Deals. Da ist das Geistige Eigentum der wesentliche Vermögensgegenstand, der die Umsätze der Zielgesellschaft generiert und deren Wert bestimmt. Das können die Investoren oder das übernehmende Unternehmen auch gut kalkulieren. Jedenfalls kann man feststellen, dass heutzutage praktisch jedes Unternehmen an seinem Digitalisierungspotential gemessen wird, und das ist von IP und IT-Assets abhängig. Aus anwaltlicher Sicht ist im M&A-Prozess allerdings die Risikobewertung wichtiger als die Wertberechnung. Und da entdeckt man durchaus manchmal rechtliche Probleme im Bereich Lizenzierung und Datenverarbeitung, die nicht immer leicht zu beziffern sind, aber doch substantiell sein können. 

Geistiges Eigentum ist ein riesiges Feld in unserer modernen Wirtschaft. Können das Patentrecht und Streitigkeiten diesbezüglich als „Königsdisziplin“ bezeichnet werden, Frau Kiefer?

Miriam Kiefer: Man liest das immer wieder, dass das Patentrecht die Königsdisziplin des Geistigen Eigentums darstellt. So pauschal würde ich das nicht sagen. Alle Bereiche des Geistigen Eigentums werfen komplexe und spannende Fragen auf. Die Durchsetzung von Patenten, Marken und Designs basieren auf derselben Europäischen Durchsetzungsrichtlinie, was bedeutet, dass sich häufig dieselben Probleme ergeben.

Die Besonderheit des Patentrechts ist die Verknüpfung von Recht und Technik, denn das gestaltet die Fragestellungen in der Regel komplexer und damit auch vielfältiger. Nüchtern betrachtet, stellt auch ein Patentanspruch eine Rechtsnorm dar, die man subsummieren kann. Gleichwohl ist es immer wieder herausfordernd, eine Erfindung und das zugrundeliegende technische Problem zu durchdringen und zu verstehen. 

Ich bedaure es, dass oft gerade die Kolleginnen Sorge haben, sie könnten dem Patentrecht nicht gewachsen sein. Das ist mein Eindruck aus Vorstellungsgesprächen und ist sicherlich auch Teil des nach wie vor verbreiteten Vorurteils, Frauen und Technik, das passt nicht zusammen. Eigenschaften wie Disziplin und Hartnäckigkeit sowie die Bereitschaft, sich in unbekannte Materien einzuarbeiten wird man wohl kaum dem einen Geschlecht zuschreiben und dem anderen abschreiben können. Ich kann daher auch meine Kolleginnen nur ermutigen, sich diesen speziellen Bereich des Geistigen Eigentums näher anzusehen.

Ich kann daher auch meine Kolleginnen nur ermutigen, sich diesen speziellen Bereich des Geistigen Eigentums näher anzusehen.
Miriam Kiefer, LL.M.

Frau Dr. Koppe-Zagouras, seit vielen Jahren ist das Thema „Werbung für Medizinprodukte“ insbesondere in Bezug auf Webinhalte, stark umstritten. Welche Entwicklungen sehen Sie für die Zukunft als realistisch an?

Christina Koppe-Zagouras: Werbung für Medizinprodukte unterliegen – wie auch andere Produkte aus dem Gesundheitsbereich – strengen gesetzlichen Regulierungen. Ich darf für ein Medizinprodukt nicht einfach eine Wirkung behaupten; die Wirkung muss konkret durch Studien abgesichert sein. Das macht es natürlich schwer, solche Produkte in Social Media-Formaten, wie z.B. in Blogs oder auf Instagram, zu vermarkten. Ich halte das auch vor dem Hintergrund des Verbraucherschutzes für richtig. Produkte wie Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel oder eben Medizinprodukte können nicht von Laien ohne jeglichen medizinischen Hintergrund beworben werden.

Da muss eine klare Grenze zu sonstigen Verbrauchsgüterprodukten gezogen werden. Das heißt aber selbstverständlich nicht, dass für solche Produkte nur im „alt hergebrachten Sinne“ geworben werden kann. Selbstverständlich lassen sich auch für Medizinprodukte Webformate nutzen; nur eben in einer sorgfältigeren und eingeschränkteren Art und Weise. 
 

Herr Dr. Grages, im Bereich des Geistigen Eigentums scheint die Rechtslage und Ansicht des Gerichts nur selten in Stein gemeißelt zu sein und eher von der Einzelfallauslegung abzuhängen. Gibt es dann, gerade im internationalen Blickwinkel überhaupt so etwas wie Rechtssicherheit?

Jan-Michael Grages: Das Recht vor allem im IT-Bereich entwickelt sich sehr schnell weiter. Hier darf es auch gar nicht in Stein gemeißelt sein, da es die technologische Entwicklung berücksichtigen muss. Offen gesagt, funktioniert das leider nicht immer optimal, in der internationalen Dimension noch weniger. Ein Beispiel ist das Datenschutzrecht, wo die Regulierung in der EU ein wenig an den Bedürfnissen von Markt und Verbrauchern vorbeigeht. Die arbeiten beide gern mit US-Produkten, die DSGVO und die europäische Rechtsprechung machen Datentransfers aber aktuell sehr schwierig. Aber gerade hier als Anwalt und Kanzlei kreative Ansätze zu finden, macht mir Spaß und bietet den Mandanten einen echten Mehrwert.

Gerade bei Streitigkeiten, welche außerhalb der EU stattfinden, ist eine gute Informationslage wertvoll. Wie wird im Bereich von Patentrechtsstreitigkeiten dieser Regelungsraum überspannt und auf welche Rechtsquellen kann hier Bezug genommen werden, Frau Kiefer?

Miriam Kiefer: Ich würde sagen, dass internationale Streitigkeiten im Patentrecht im Kern das materielle Patentrecht vereint. Auch wenn es hier im Detail Abweichungen zwischen den einzelnen Rechtsordnungen geben mag – alle Wirtschaftsnationen der Erde gewährleisten den Schutz von Erfindungen und geben dem Erfinder Rechte gegen Nachahmer. Die Gemeinsamkeiten sind dabei viel größer als in anderen Bereichen – beispielsweise dem Strafrecht oder dem Arbeitsrecht.

Fragen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit eines Patents oder dessen Durchsetzung stellen sich in allen Rechtsordnungen und werden mit ähnlichen Normen geregelt. Die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) oder der Vertrag über die Internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT) haben jeweils mehr als 150 Mitglieder. Diese internationalen Übereinkommen überspannen gewissermaßen den Bereich des materiellen Patentrechts. 

Daneben existieren Organisationen, die sich mit der Erarbeitung neuer Standards, die weltweit genutzt werden, beschäftigen. Neben nationalen Standardisierungsorganisationen gibt es internationale Organisationen wie beispielsweise die ETSI, die Standards wie LTE erarbeitet. Auch diese Regelungen bilden global eine einheitliche Grundlage und finden weltweit Anwendung.
 

Mit welcher Erwartungshaltung kommen Praktikanten oder Referendare zu Ihnen und inwiefern stimmen die Erwartungen mit der Beratungspraxis im IP-Recht überein, Frau Dr. Koppe-Zagouras?

Christina Koppe-Zagouras: Praktikanten oder Referendare, die sich bei uns für eine Tätigkeit im Gewerblichen Rechtsschutz entscheiden, sind häufig schon davor mit dem Rechtsbereich in Berührung gekommen, sei es über die Uni oder vorherige Stationen im Referendariat. Manchmal kennen sie einfach auch jemanden, der in diesem Bereich tätig ist. Allerdings sind die Praktikanten und Referendare aber doch immer wieder überrascht, wie vielfältig das Rechtsgebiet dann in der täglichen Arbeit ist. Auch die Geschwindigkeit, mit der wir arbeiten, beeindruckt den juristischen Nachwuchs.

Am Ende des Praktikums oder der Referendarsstation stellen unsere Praktikanten und Referendare immer fest, wie vielfältig die Station war und mit welchen ganz unterschiedlichen Rechtsfragen sie in Berührung gekommen sind. Häufig konnten sie bei einer längeren Station auch ein Verfahren von Anfang bis zum Ende miterleben. Das ist in einer Wirtschaftskanzlei eher selten der Fall. Da profitiert der Gewerbliche Rechtsschutz einfach von den einstweiligen Verfügungsverfahren und Abmahnungen, die innerhalb weniger Wochen abgeschlossen sind. Ich glaube, dass dieses Erlebnis für den Nachwuchs im IP-Recht einen besonderen Reiz ausmacht.
 

Das Geistige Eigentum scheint ein Rechtsbereich zu sein, der in jedem anderen Fachbereich eine Rolle spielen kann und damit universell im Wirtschaftsleben bedeutsam zu sein scheint. Wie kann der oder die Einzelne hier für sich den richtigen Weg finden, Herr Dr. Grages?

Jan-Michael Grages: Es gibt für Juristen wirklich viele Möglichkeiten, um in diesem Bereich tätig zu sein. Im Endeffekt sollte man dorthin gehen, wo man seine Talente und Vorlieben am besten einbringen kann. Das kann bei Gericht sein, wenn man nah am Gesetz arbeiten möchten. In Behörden kann man sehr unterschiedliche Positionen finden. Und im Unternehmen muss es nicht unbedingt die Rechtsabteilung sein.

Aktuell sehe ich die sinnvolle Tendenz, dass man auch als Jurist nah an der Produktentwicklung mitarbeiten kann, um direkt dort die rechtlichen Anforderungen zu berücksichtigen. Für mich ist aber die Rolle als Anwalt ideal, da sie je nach Konstellation alle diese Aufgaben beinhaltet.

Noch wichtiger als die fachliche Ausrichtung ist dabei aber, dass man sich im Team wohlfühlt. Ich denke, das ist auch wesentlich für die Karriereentwicklung, weil dann Motivation und Selbstbewusstsein stärker werden. Deshalb ist auch bei uns die Chemie und die gegenseitige Unterstützung der entscheidende Faktor der Zusammenarbeit.   

Das Recht vor allem im IT-Bereich entwickelt sich sehr schnell weiter. Hier darf es auch gar nicht in Stein gemeißelt sein, da es die technologische Entwicklung berücksichtigen muss.
Dr. Jan-Michael Grages

Ihr Fazit?

Miriam Kiefer: Ich bin nach wie vor froh und stolz, zusammen mit meinen Partnern den Weg in die hochspezialisierte Boutique-Kanzlei gegangen zu sein. Das Geistige Eigentum spielt für jedes Unternehmen in nahezu jedem Geschäftsbereich eine Rolle – vom Schutz technischer Innovationen über den Ausbau einer Markenidentität bis hin zur Einhaltung der Regeln für einen fairen Wettbewerb. Im Zuge der Digitalisierung und der sich immer schneller entwickelnden Technologien wird sich der Anwendungsbereich rasant erweitern. Ein spannendes Tätigkeitsfeld also!


Christina Koppe-Zagouras: Es wird nie langweilig in dem breit gefächerten Gebiet des Gewerblichen Rechtsschutzes. Die Rechtsfragen bleiben vielfältig und auch der Umstand, dass man sich immer mit dem Produkt selbst beschäftigen muss, macht diese Materie spannend und abwechslungsreich. Man lernt nie aus! Auch vom Rechtsrahmen ändert sich immer wieder etwas. Das gilt nicht nur für neue EU-Verordnungen. In Kürze wird das Gesetz für fairen Wettbewerb in Kraft treten, das gerade für die Praxis relevante Neuerungen enthält. 


Jan-Michael Grages: Den Tätigkeitsbereich IP/IT kann ich absolut empfehlen. Er bringt die Möglichkeit, spannende Rechtsfragen am Puls der Zeit zu lösen und kreativ zu werden. Hier kann man international arbeiten und der Markt ist sehr dynamisch. Es gibt also gute Entwicklungsmöglichkeiten. Im Studium ist der Bereich noch etwas unterrepräsentiert, aber im Referendariat und natürlich beim Berufsstart sollte man sich diese Option ansehen und gern ausprobieren. Bei KNPZ suchen wir immer Unterstützung durch neue Talente!  
 

Vielen Dank, Frau Kiefer, Frau Dr. Koppe-Zagouras und Herr Dr. Grages!
 

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