Das Familienrecht in einer Großkanzlei, Diskriminierung im Abstammungsrecht und die Notwendigkeit für mehr Feminismus: Über diese und mehr Themen spricht Lucy Chebout in dieser Folge des New Lawyers Podcast mit Alisha Andert.
Das Familienrecht in einer Großkanzlei, Diskriminierung im Abstammungsrecht und die Notwendigkeit für mehr Feminismus: Über diese und mehr Themen spricht Lucy Chebout in dieser Folge des New Lawyers Podcast mit Alisha Andert.
Heute ist sie Rechtsanwältin bei der Wirtschaftskanzlei Raue, ursprünglich kommt Lucy Chebout aber – zumindest auf den ersten Blick – aus einer ganz anderen Ecke. Ihr Erststudium hat sie in Genderstudies und Islamwissenschaften in Berlin absolviert. Dort kam sie über eine Stelle am Lehrstuhl für öffentliches Recht und Geschlechterstudien zum ersten Mal mit dem Recht in Berührung. Chebouts Interesse war sofort geweckt: Sie nahm Jura als Zweitstudium auf und beschloss, sich auf das Familienrecht zu spezialisieren – obwohl dieser überraschend komplexe und vielseitige Fachbereich oftmals zu Unrecht “Wald-und-Wiesenanwält:innen” zugeschrieben wird.
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Das Familienrecht betrifft alle Menschen – einer der Gründe für Chebouts Interesse an dem Fachbereich. Bei den Fällen handle es nicht nur um einen Streit unter Individuen, stattdessen sei das Ganze staatlich überformt. Es geht um Grund- und Menschenrechte, erklärt Chebout. “Es ist ganz massiv durch den Staat vorgegeben [...], wer Familie sein darf, wie Familie funktioniert, wie die rechtliche Absicherung innerhalb von Familienbeziehungen funktioniert.” Damit gehe auch ein Diskriminierungspotenzial einher.
Eine der wenigen großen Kanzleien in Deutschland, die das Familienrecht abdecken, ist die Wirtschaftskanzlei Raue. Die ideale Anlaufstelle also für Chebouts Referendariat und später auch für den Berufseinstieg. Thematisch ähneln ihre Fälle durchaus denen in kleineren Kanzleien: Scheidungen, Eheverträge und Kindschaftssachen wie Streits im Umgang- und Sorgerecht dominieren ihren Alltag. Die Mandant:innen seien hier jedoch oft international, viele von ihnen Künstler:innen, bei denen es um viel Geld geht.
„Es ist ganz massiv durch den Staat vorgegeben [...], wer Familie sein darf, wie Familie funktioniert, wie die rechtliche Absicherung innerhalb von Familienbeziehungen funktioniert.“
Bei Raue setzt sich Chebout nicht nur für ihre Mandant:innen ein, ihr Arbeitgeber ermöglicht es ihr auch, sich ehrenamtlich für gesellschaftlich wichtige Themen zu engagieren. Chebout macht sich für den Feminismus im (Familien)recht stark, etwa als Vizepräsidentin im deutschen Juristinnenbund. Viele Bereiche seien noch durchsetzt von diskriminierenden Mechanismen und patriarchalen Strukturen.
Als Beispiel nennt sie etwa die Tatsache, dass vorangehende häusliche Gewalt beim Streit um das Kind noch immer ausgeblendet wird, was klar den Vorgaben der Istanbul-Konvention widerspreche. Dennoch gebe es großen Widerstand im Familienrecht, Veränderungen anzustoßen.
Besonders am Herzen liegt Chebout das Abstammungsrecht. Es geht dabei um die Eltern-Kind-Zuordnung, also darum, wer für ein Kind verantwortlich ist. Das Recht zeichne hier noch ein sehr heteronormatives Familienbild: Die Mutter ist die Person, welche das Kind zur Welt bringt, der Vater entweder der Ehemann der Mutter oder der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat. Außen vor bleiben hier zum Beispiel gleichgeschlechtliche Ehen und Beziehungen. Darunter leiden auch die Kinder, die rechtlich massiv unterversorgt seien: Stirbt etwa die biologische Mutter in einer Beziehung zwischen zwei Frauen, gilt das Kind als Vollwaise und wird in staatliche Obhut gegeben. Ebenso gibt es keinen Unterhalts- oder Erbanspruch des Kindes bei einer Trennung.
Gegen diese Diskriminierung setzt sich die Initiative Nodoption ein, welche Chebout als Anwältin begleitet. Sie will vor dem Bundesverfassungsgericht eine Grundrechtsverletzung feststellen und das Abstammungsrecht ändern lassen. Mehrere Gerichte haben sich bereits an die Seite der Aktivist:innen gestellt und zugestimmt, dass der BGH falsch geurteilt hat. Schon seit 2021 befinden sich nun sechs Verfahren beim BGH, die bisher nicht bearbeitet wurden. Auch der Koalitionsvertrag der Ampel sieht eine Änderung des Abstammungsrechts vor, die jedoch noch nicht eingetreten ist.
Du möchtest mehr über das Abstammungsrecht erfahren und darüber, warum die Stiefkindadoption keine gute Alternative ist? Oder dich interessiert Lucy Chebouts Einschätzung zur Verantwortungsgemeinschaft? Dann hör doch mal rein in diese Folge des New Lawyers Podcasts!