Wie hat sich der Übergang von der Arbeit als Referendarin zur Anwältin gestaltet?
Die Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Referendarin hat mir bei der Eingewöhnung als Anwältin natürlich enorm geholfen. Ich kannte die Thematiken und Fälle, die rechtlichen Probleme und sämtliche Kolleg:innen. Außerdem kannte ASD mich – die Phase des Kennenlernens und „Auf-die-Probe-stellens“ fällt dann weg.
Ich war überrascht, wie viel dennoch neu war: Von dem Versand von Verteidigungsanzeigen, über den Mandantenkontakt bis hin zu eigenen Gerichtsterminen gab (und gibt) es noch viel zu lernen. Es ist eben etwas ganz anderes, plötzlich diejenige zu sein, die die Verantwortung trägt – aber auch unglaublich spannend und erfüllend! Mir ist es z.B. schwergefallen, Arbeitsaufträge abzugeben – sei es an Assistenzen oder Referendar:innen / WissMits – das war schließlich vorher meine Rolle.
Während Ihres Studiums und Referendariats haben Sie durch den Schwerpunkt „Maritimes Wirtschaftsrecht“, Praktika, Referendariatsstationen und Nebenjobs tiefere Einblicke in die Branche erhalten. Welchen Vorteil hatte es für Sie, sich bereits als Studentin auf ein (Nischen-)Gebiet zu spezialisieren bzw. zu fokussieren? Inwieweit waren bzw. sind Ihnen diese Vorerfahrungen behilflich und sind derartige praktische Qualifikationen zwingend notwendig?
Dass ich in die Schifffahrt wollte, stand schon seit einem Praktikum in der 12. Klasse bei einem Schiffsmakler fest, bei dem ich mich mit dem „Schifffahrtsvirus“, wie viele es nennen, angesteckt habe. Über den Umweg eines dualen Studiums in Business Administrations (Bachelor), hat es mich dann im Jurastudium in den Schwerpunkt Maritimes Wirtschaftsrecht gezogen, um mir die rechtlichen Grundlagen im deutschen und internationalen Recht und Spezialprobleme anzueignen. Für 1,5 Jahre war ich neben dem Studium Assistenz in der Versicherungsabteilung eines Schiffsmananagers, wo ich viel über die Schifffahrt und z.B. ihren Jargon gelernt habe. Im Anschluss habe ich dann bei Dabelstein & Passehl angefangen.
Dadurch, dass ich mich schon so frühzeitig auf das maritime und Transportrecht spezialisiert hatte, konnte ich als Anwältin direkt anfangen und wusste auch, was ich wollte. Vor allem die Mandanten schätzen es, wenn man weiß, wovon man redet – und ihre Sprache spricht. Erforderlich ist das aber nicht – natürlich kann man dieses Nischen-Gebiet auch „on the job“ lernen. Schließlich ist das 5. Buch HGB – „Seehandel“ nicht einmal im Habersack abgedruckt.
Wie genau läuft ein typischer Fall im Maritimen Wirtschafts- oder Transportrecht ab und inwiefern spielt ein interdisziplinärer Ansatz hierbei eine Rolle?
Einen typischen Fall gibt es nicht. Es gibt zwar den typischen Transportschaden: Ware, die beim Transport beschädigt wurde oder verloren gegangen ist – da sind immer die gleichen Voraussetzungen zu prüfen. Das ist aber nur ein Teil unserer Fälle, daneben machen wir alles, was die Branche beschäftigt: Kollisionen, Havarie Grosse (denken Sie an die Ever Given im Suez-Kanal), (See-/ Transport-) Versicherungsrecht, eingestürzte Lager, Einhaltung internationaler öffentlich-rechtlicher Vorschriften, Seearbeitsrecht, An- und Verkauf von Schiffen, usw.
Hierbei arbeiten wir häufig mit unseren Kolleg:innen zusammen, z.B. im Gesellschafts-, Arbeitsrecht oder im öffentlichen Recht. Auch Mietrecht spielt z.B. bei der Nutzung von Logistikimmobilien eine Rolle.