Was würden Sie Jurist:innen entgegenbringen, die der Meinung sind, dass in Deutschland aufgrund der existierenden Beratungs- und Prozesskostenhilfe Pro-Bono hinfällig ist, Herr Thonke?
Die von Ihnen angesprochenen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen bei der Rechtsdurchsetzung sind eine wesentliche Errungenschaft unseres Rechtssystems. Dennoch wäre es verkürzt, sich darauf auszuruhen, denn Beratungs- und Prozesskostenhilfe gewährleisten nur einen Mindeststandard und decken damit nicht alle Bereiche ab, die wir im Pro Bono-Bereich bearbeiten. So betreuen wir zum Beispiel viele Pro Bono-Mandate im außergerichtlichen (nicht-streitigen) Bereich, etwa durch Beratung zu Gesetzesvorhaben oder zu rechtsvergleichenden Rechercheprojekten internationaler Organisationen.
In meinen Augen sind Pro Bono-Beratung und staatliche Unterstützung im Rahmen von Beratungs- oder Prozesskostenhilfe kein Gegensatzpaar, sondern ergänzen einander. Insofern ist es umso wichtiger, sich von Kanzleiseite aus nicht auf der vorhandenen Beratungs- und Prozesskostenhilfe auszuruhen, sondern in den Bereichen zu unterstützen, die vom Staat vielleicht noch nicht vollständig abgedeckt werden.
Sie waren bereits während Ihres Studiums ehrenamtlich – u.a. in einer Law Clinic und bei Amnesty International – tätig. Was hat Sie dazu bewegt, Ehrenamt und Jura zu verbinden? Ist es von Vorteil, bereits während des Studiums ein Ehrenamt zu begleiten?
Jura kann meiner Meinung nach nicht losgelöst vom gesellschaftlichen Kontext betrachtet werden. Das Studium mit einem Ehrenamt zu verbinden, war für mich daher sehr naheliegend. Die juristische Ausbildung bringt einem zwar die juristische Methodik bei – der konkrete Einsatz des Erlernten obliegt aber jeder/jedem Einzelnen. Um hierbei einen eigenen Kompass zu entwickeln, war es für mich schon wichtig, mich ehrenamtlich zu engagieren – und dabei Probleme und persönliche Schicksale von Menschen außerhalb meiner „Bubble“ kennenzulernen.
Ganz unabhängig davon lernt man bei ehrenamtlichen Tätigkeiten auch früh, eigenständig zu arbeiten und Dinge zu hinterfragen, was im späteren Leben – auch im Beruf – nur von Vorteil ist. Für einen Einstieg ins Ehrenamt ist es aber nie zu spät und man sollte sich hierbei ohnehin mehr von persönlichen Interessen als von möglichen Vorteilen leiten lassen.
Wie ist die Resonanz bezüglich Ihrer Pro-Bono-Arbeit seitens Ihrer Kolleg:innen und White & Case als Arbeitgeber?
Pro Bono-Arbeit ist bei White & Case ein wichtiger Bestandteil der Kanzleikultur. Als Anwält:innen werden wir dazu ermutigt, von Anfang Pro Bono-Arbeit zu leisten und uns in den Mandaten zu engagieren. Auch unter den Kolleg:innen genießt die Pro Bono-Arbeit meiner Erfahrung nach einen hohen Stellenwert und wird insgesamt viel in Anspruch genommen. Pro Bono-Mandate sind bei uns keine Mandate „zweiter Klasse“, sondern fügen sich ganz normal in unsere übrige Mandatsarbeit ein.