Sie absolvierten an der University of Melbourne einen LL.M. im Bereich Banking and Finance. Weshalb entschieden Sie sich nun in eine andere Richtung zu gehen oder sind die Unterschiede gar nicht so groß wie es scheint?
Karl Ehrenberg: Letztendlich ist bei vielen Transaktionen eine Bankenfinanzierung in Form einer Akquisitionsfinanzierung vorgeschaltet und involviert, womit es sehr hilfreich sein kann, dass man als M&A-Anwalt auch diesen Prozess versteht.
Unabhängig von meinem zukünftigen Fachbereich als Rechtsanwalt, wollte ich damals keinen Master absolvieren der nur oberflächlich in viele Fachbereiche eintaucht, sondern etwas tiefer in eine spezielle Materie einsteigen. Die University of Melbourne hatte den Master im Banking and Finance Law damals erstmals als neues Modul eingeführt und man konnte Vorlesungen von verschiedenen Lehrkräften hören, welche einen nicht-juristischen Hintergrund hatten und auch in der Banken- und Finanzierungspraxis tätig waren. Daneben hatten auch viele meiner Kommiliton*innen vorher kein Jura-Studium absolviert, sondern kamen eher aus dem betriebswirtschaftlichen Bereich. Dies habe ich damals als angenehmen Kontrast zum deutschen Jurastudium und als sehr bereichernd empfunden.
Herr Dr. Schmidt, welche Eigenschaften eines Anwalts oder einer Anwältin passen besser zur Großkanzlei, welche besser zu Boutiquen? Gibt es für jeden Kanzleityp die passende Anwaltspersönlichkeit?
Marcel Schmidt: In einer kleinen Einheit steht man deutlich mehr im Fokus der Mandanten und auch der Partner. So werde ich nun bei Gütt Olk Feldhaus häufig direkt von Mandanten kontaktiert, die Fragen oder Anmerkungen zu bestimmten Themen oder Arbeitsprodukten haben. Dies zwingt einen dazu, Verantwortung für seine eigenen Arbeitsprodukte zu übernehmen. Aber man steht auch stärker im Fokus der Partner: Da es bei Gütt Olk Feldhaus nur eine kleine "mittlere" Ebene zwischen Associates und Partnern gibt, wird meine Arbeit kaum durch diese weitere Ebene gefiltert, wie es häufig bei Großkanzleien der Fall ist. Mit diesem Focus muss man aber auch umgehen können.
In einer Großkanzlei hatte ich dagegen die Erfahrung gemacht, dass es hier durchaus Möglichkeiten und Mandate gibt, bei denen man etwas "abtauchen" kann. Das kann zwar durchaus angenehm sein. Aber ob dies einen in der persönlichen Entwicklung weiterbringt, bezweifle ich doch stark.
Wie erlebten Sie den Start bei Gütt Olk Feldhaus? Wie wurden Sie eingebunden, wie wird der innere Teamgeist geschaffen und wieviel Freiheit und Eigeninitiative ist bei einer Boutique möglich, wenn viele in demselben Rechtsgebiet arbeiten?
Marcel Schmidt: Der Start bei Gütt Olk Feldhaus war grandios: Da ich Anfang Oktober gestartet bin, lief das Münchener Oktoberfest gerade "auf Hochtouren" und gleich am zweiten Tag hat eine legendäre "GOF Wiesn" stattgefunden. Mit einem Augenzwinkern wurde ich als Nordlicht auch gleich auf die richtige Aussprache und Orthografie des Wortes "Wiesn" hingewiesen. Das hat mir die beste Gelegenheit geboten, viele im Team einmal persönlich kennenzulernen.
In fachlicher Hinsicht wurde ich sogleich in viele verschiedene Mandate einbezogen, sodass mir der Start hier ebenfalls leicht fiel. Eine Schonfrist hatte ich nicht. Dies hängt vielleicht auch damit zusammen, dass ich schon über etwas Berufserfahrung verfügt habe. Die Erwartungshaltung ist in diesem Fall natürlich eine andere.
Herr Dr. Schmidt, Sie schrieben Ihre Promotion zur „[…] Rechtsfigur der hypothetischen Einwilligung und ihre Übertragbarkeit auf die Untreue (§266 StGB)“. Welche Vorteile bringt eine solche Promotion im Allgemeinen und wie hilft Ihnen das hierbei erlangte vertiefte Verständnis im Bereich Corporate/M&A?
Marcel Schmidt: Das durch die Promotion erlernte Durchhaltevermögen und wissenschaftliche Arbeiten unterstützt mich bei der täglichen Arbeit, da ich rechtliche Probleme mit einer ganz anderen gedanklichen Tiefe durchdringen kann. Hierzu gehört auch, dass man zu einem rechtlichen Problem mehr als einen Kommentar konsultiert. Insbesondere im Bereich Corporate/M&A können die rechtlichen Probleme sehr komplex werden.
Diese sogenannten "soft skills" stehen bei einer Promotion im Vordergrund, sodass das eigentliche Thema doch etwas vernachlässigt werden kann.