Wie sieht Ihre Tätigkeit in Mediations- und Schlichtungsfällen aus bzw. unterscheidet sich diese von einer Prozessvorbereitung deutlich?
Als Mediator und als Schlichter ist man in der Rolle des neutralen, am Konflikt nicht beteiligten Dritten. Die zentrale Aufgabe des Mediators ist zunächst, beiden Parteien einen sicheren Rahmen für ihre Konfliktbearbeitung zu bieten. Man versucht dann mittels bestimmter Abläufe und Techniken (u.a. Konfliktanalyse, aktives Zuhören, Gesprächsführung, Hypothesenbildung) Verständnis der Parteien füreinander zu erzeugen und den Blickwinkel von der Vergangenheitsbetrachtung, Schuldzuweisungen und festgefahrenen Positionen auf die jeweiligen Interessen und Bedürfnisse für die Zukunft zu richten.
Während der Mediator neutral und allparteilich ist, vertritt der Prozessvertreter dagegen die Position einer Streitpartei und sucht Wege, diese vor Gericht möglichst umfänglich durchzusetzen. Die Vorbereitung und Tätigkeit unterscheidet sich daher fundamental.
Hinsichtlich Schlichtung und Mediation werden schon während des Studiums Zusatzqualifikationen angeboten, die zum Teil recht teuer sind. Lohnen diese?
Es steht jedem Anwalt gut zu Gesicht, zumindest Grundkenntnisse von alternativen Konfliktlösungsverfahren zu haben. Nach § 1 Abs. 3 der Berufsordnung für Rechtsanwälte hat jeder Anwalt seinen Mandanten "konfliktvermeidend und streitschlichtend" zu beraten.
Den Mandanten optimal beraten und ihm das passenende Verfahren für seinen Konflikt empfehlen, kann ich aber nur, wenn ich eine Vorstellung davon habe, wie ein Schiedsverfahren, eine Schlichtung oder eine Mediation abläuft, was die jeweiligen Besonderheiten sind und welches Verfahren zu welchem Konflikt passt.
Um sich solche Grundkenntnisse anzueignen, genügen allerdings meist schon die mittlerweile an fast allen Universitäten angebotenen Veranstaltungen im Bereich der Schlüsselqualifikationen. Wenn man später als Mediator arbeiten möchte, kommt man um eine fundierte Mediationsausbildung aber nicht herum.
Trotzdem wird der idealtypische Schlichter oft in erfahrenen Politikern mit möglichst gutem Fachwissen gesehen. Welche Chance haben denn überhaupt Nachwuchsschlichter und -mediatoren?
Gerade die Schlichtung lebt natürlich von der Akzeptanz des Schlichtungsvorschlags durch die Parteien. Daher sind in großen, öffentlichkeitswirksamen Schlichtungen meist gestandene Persönlichkeiten gefragt, denen beide Parteien vertrauen und deren Wort ein gewisses "Gewicht" hat. Die Parteien haben dann das Gefühl, sich dem Schlichtungsvorschlag guten Gewissens unterwerfen zu können.
Allerdings benötigt man für die erfolgreiche Durchführung einer Schlichtung weit mehr Kompetenzen als einen beeindruckenden politischen Track-Record. Für junge Nachwuchs-Schlichter und Mediatoren gilt daher wie bei allem anderen auch: klein anfangen. Genauso wenig wie ein Dax-Konzern einen Berufsanfänger mit seiner Millionen-Klage betrauen wird, wird er oder sie für die Schlichtung der Streitigkeiten bei Stuttgart21 ausgewählt werden.