Was spricht für die Selbstständigkeit und die Gründung einer eigenen Spin-Off Kanzlei?
Gerade für etablierte Anwälte aber auch Berufseinsteiger in Großkanzleien sind Spin-Off Kanzleien und der Weg in die Selbstständigkeit hochinteressant. Nun kann man pauschale Aussagen über die Motive für eine Selbstständigkeit natürlich schwer treffen. Doch immerhin gibt es einige Motive für ein Spin-Off, die sich immer wieder finden lassen und die ihrer und der Natur von Großkanzleien entsprechend auch pauschal gelten dürften.
Nicht zu kurz kommen, darf auf jeden Fall die Differenzierung der Motivationen nach Berufsalter. Denn ein sehr häufig zu lesendes oder hörendes Argument ist die Eröffnung des heiß begehrten Partnertracks. Dieser steht zumindest theoretisch gerade jungen Associates noch offen, befinden Sie sich schließlich noch weit entfernt von einer Bewertung der Managing Partner bezüglich ihrer Geeignetheit für eine Partnerschaft. Noch weniger zutreffend ist diese angebliche Motivation natürlich dann, wenn sich in der Tat Partner einer Großkanzlei zum Spin-Off entschließen. Es gibt natürlich viele Anwälte, die sich nach einiger Zeit in einer Großkanzlei im Klaren darüber befinden, dass der Weg zum Partner für sie sehr schwer oder gar unmöglich sein wird und für diese Gruppe mag dies durchaus eine Motivation für ein Spin-Off sein. Pauschal für alle Spin-Off Initiatoren gilt diese Motivation jedoch nicht.
Eine weitere und durchaus nachvollziehbare Argumentation für ein Spin-Off sind die oft beworbenen kürzeren Wege und flacheren Hierarchien. Durch die Struktur und die Aufgabenverteilung in Großkanzleien ist der junge Associate in der Tat zumindest praktisch oft meilenweit entfernt davon, einem Partner Vorschläge machen zu können und seine eigenen Ideen in die oft sogar international aufgestellte Sozietät einfließen zu lassen. In einem Spin-Off ist das natürlich anders, weil sich nur wenige Kollegen gemeinsam abstimmen müssen oder es gerade auf die Expertise der wenigen Gründer ankommt. Hier kann jeder seine Stärken einbringen und das zwar noch kleine Kollektiv erstarkt durch die sich ergänzenden Individuen.
Bereits im vorangegangen Punkt angeklungen sind die durch die Ausgliederung entstehenden Möglichkeiten zum Ausleben unternehmerischen Geistes, zum Test neuer Methoden und auch zum Bruch mit alten Traditionen und Gewohnheiten. Gerade der Einsatz neuer Methoden und das Aufkommen von Legal Tech Firmen stellt die Großkanzleien vor nicht minder große Aufgaben. Dass junge und dynamische Berufsträger hierauf flexibler reagieren können und wollen liegt auf der Hand, doch nicht selten werden sie von verkrusteten Strukturen oder veralteten Gedanken ausgebremst. Somit wird auch die zunehmende Digitalisierung zum Katalysator der Spin-Off Bewegung.
Ein gerade für gestandene Anwälte und Partner relevanter Grund für die Ausgliederung aus der Sozietät ist die Fremdbestimmtheit, die immer wieder bis in hohe Führungsetagen kritisiert wird. Viele der größten Kanzleien sind aus dem britischen oder amerikanischen Raum und haben ihre höchste Führungselite auch nach wie vor in diesen Ländern. Von hier aus wird auch für andere Länder die Strategie geplant, eine Firmenkultur vorgelebt und die Weichen für die Zukunft gestellt. Damit einher geht nicht selten ein immer weiter steigender Druck auf die Akquise von Mandanten und höhere interne Konkurrenz.
Zu guter Letzt liest sich immer häufiger auch das Argument der gelebten Work-Life-Balance. Trotz Anpassungen und Eingeständnissen zugunsten der als auf die Work-Life-Balance versierten Generation Y ist der Arbeitsaufwand in Großkanzleien nach wie vor sehr hoch. In Hinblick auf die Gehälter mag dies auch gar nicht schlimm sein, dennoch suchen viele Absolventen nach wie vor nach Möglichkeiten, eine bessere Work-Life-Balance zu erhalten.
Gerade junge Spin-Off Kanzleien werben hiermit, da sie selbst in der Führungsetage jüngere Anwälte haben und die moderneren Strukturen durchaus auch zeitsparend sein können. Nichtsdestotrotz sind gerade die Gründer von Spin-Offs extrem in die Arbeit und vor allem auch die Organisation der Kanzlei eingebunden. Ob tatsächlich ein Mehr an Freizeit dabei herausspringt, ist daher nicht mit Sicherheit festzustellen.