Als Jurastudent arbeiten veröffentlichen - so geht`s!

Verfasst von Michael Rapp

So schaffst du es zu deiner 1. Veröffentlichung!

Wissenschaftliches Schreiben - als Jurastudent/in zur ersten Publikation...

Schon im ersten Semester dämmert es den meisten, dass im Laufe des Jurastudiums viele Texte gelesen und produziert werden müssen. Dabei liegt es in der Natur des Studiums, dass man – von den eigenen Falllösungen und den obligatorischen Seminararbeiten abgesehen – eine eher passive Rolle hat und eher selten dazu kommt, eigene Ansichten zu wissenschaftlichen Meinungsstreits zu veröffentlichen.

In den angesehenen Fachzeitschriften veröffentlichen zumeist Akademikerinnen und Akademiker. Studierende tauchen dort bestenfalls in den Danksagungen bzw. der Autorenfußnote auf. Dass deswegen die gut geschriebene Seminararbeit oder der interessante eigene Gedanke erst verwendet werden kann, wenn man seine Examina in der Tasche hat, ist glücklicherweise nicht so.

Inzwischen gibt es an zahlreichen Fakultäten studentische Rechtszeitschriften, die Studierenden die Möglichkeit bieten, an der wissenschaftlichen Auseinandersetzung teilzunehmen. Bevor man sich nun aber an den ersten eigenen Aufsatz macht, sind ein paar Dinge zu beachten:

Jura & Journalismus in Kombination?

1. Wissenschaft ist, was Wissen schafft.

Das Ziel jedes wissenschaftlichen Artikels sollte sein, die Allgemeinheit um neues Wissen zu bereichern. In welcher Gestalt dieses Wissen daherkommt, ist weniger entscheidend. Es kann sich also sowohl um einen neuen dogmatischen Lösungsansatz für ein Problem handeln, es kann eine sich aus einem Vergleich von Normen oder Problemstellungen ergebende neue Einsicht sein, oder auch die Erarbeitung eines Lösungsansatzes für eine bisher noch un(zureichend) geklärte Frage.

Auch die Zusammenfassung eines Meinungsstandes oder das Schildern einer (historischen) Entwicklung können „neues“ Wissen sein - solange deren Darstellung nicht rein beschreibend bleibt. Wenn der Aufsatz fertig ist, sollte man also in der Lage sein in einem Satz zu erklären, welcher neue Gedanke darin enthalten ist.
 

2. Die allmähliche Verfertigung der Gedanken

Wenn der Aufsatz noch nicht fertig ist, ist der Gedanke daran, etwas Innovatives schreiben zu müssen, zunächst einmal einschüchternd. Die meisten Promovierenden können ein Lied davon singen, dass die Zweifel an der Qualität der eigenen Arbeit ein treuer Begleiter während des Schreibprozesses sind.

Dagegen hilft nur eines wirklich zuverlässig: Nicht zu hart zu sich selbst sein und den Gedanken Zeit geben, sich zu entwickeln. Schließlich wächst der Gedanke während des Schreibprozesses. Kreativität braucht deswegen Zeit und gelegentlichen Perspektivenwechsel. Es kann also bei einer Schreibblockade Wunder wirken, den Aufsatz mal einen Tag liegen zu lassen oder die gewählte Struktur zu überdenken.

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Auch ist es regelmäßig hilfreich, wenn man versucht, die für den Aufsatz relevanten Gedanken im Freundeskreis mündlich vorzustellen. Dabei stolpert man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit genau über diejenigen Stellen, die noch genauere Recherche benötigen und hat mit etwas Glück einen „Aha-Moment“, der dem ganzen neuen Schwung gibt.

3. Nicht nur reden, sondern auch was sagen

Einen Vorteil haben Studierende gegenüber den wissenschaftlich etablierten Juristen und Juristinnen aber doch. Man ist noch nicht so sehr in dem Fachjargon sozialisiert und fremdelt daher – insbesondere am Anfang – mit der wissenschaftlichetablierten Ausdrucksweise. Das macht einem zwar in Klausuren und Hausarbeiten das Leben etwas schwerer, in einem wissenschaftlichen Aufsatz ist es allerdings erfrischend, wenn die Verfasserin oder der Verfasser nicht mit den immergleichen Worthülsen um sich wirft, die der akademische Betrieb so produziert.

Es lohnt sich also, skeptisch gegenüber Fachbegriffen zu sein. Dazu gehört es auch, wenn möglich, auf einen Nominalstil, also die Substantivierung aller möglichen Wörter in einem Satz (z.B.: Ausführung der Tathandlung bei Benutzung einer Waffe) zu verzichten. Solche Sätze hören sich zwar an, als seien ihre Aussagen in Stein gemeißelt, dieser Stil bietet aber auch ein erhöhtes Risiko für Verwirrung, weil die einzelnen Satzbestandteile (Substantive, Verben, Adjektive) nicht mehr so intuitiv auseinandergehalten werden können.

Deswegen ist es oft besser, eine einfache Sprache zu wählen, die mit präzisen Begriffen arbeitet. Fachbegriffe sind zwar dazu gedacht präzise zu sein, einige aber so abgegriffen, dass sie Alles und Nichts bedeuten können (man denke nur an die Dauerbrenner „Gesellschaft“, „System“, „Beziehung“).
 

4. In Ketten tanzen

Auch für wissenschaftliche Artikel gibt es gewisse Formen und Stile, an die man sich gerade gerade bei den ersten Veröffentlichungen halten sollte. Dazu gehört es, in der Einleitung den Ausführungen eine Agenda voranzustellen und am Ende ein Gesamtfazit zu liefen. Das erleichtert nicht nur dem späteren Leser bzw. der Leserin, sich schnell einen Überblick zu verschaffen und die relevanten Punkte zu finden. Zudem zwingt man sich selbst zu einer klaren Gedankenführung, indem man den Gang der Darstellung und die Schlussfolgerungen, die man daraus zieht, in wenige Sätze presst.

Auch im Hauptteil des Aufsatzes gibt es Strukturen, an welche man sich halten kann und so auch die Gefahr verringert, etwas Wesentliches zu übersehen. So lässt sich die Auslegung einer Norm bzw. einer Normenkollision sehr gut anhand der Auslegungskanones (Wortlaut, Systematik, historischer Wille des Gesetzgebers und Zweck der Norm) oder die Entwicklung einer Norm anhand der verschiedenen Stadien des Gesetzgebungsprozesses darstellen.

Allgemeinere Strukturen sind etwa der Dreischritt These-Antithese-Synthese oder eine Gegenüberstellung de-lege-lata & de-lege-ferenda. Bei diesen Strukturen ist auch etwas mehr „Spiel“ drin, man ist also nicht sklavisch daran gebunden, sondern darf eine Darstellungsweise finden, die dem eigenen Thema gerecht wird.

Wer sich dann dafür entscheidet, einen Aufsatz zu schreiben, schickt ein Exposé an die Redaktion, welche aus allen Einsendungen die interessantesten und vielversprechendsten Beiträge auswählt.

5. Mein und Dein sind wissenschaftliche Kategorien

Ungemein wichtig für eine gute, seriöse und wissenschaftliche Arbeit ist es, zwischen eigenen und fremden Gedanken zu unterscheiden. „Ehre, wem Ehre gebührt“ bedeutet in der wissenschaftlichen Arbeit insbesondere das saubere Zitieren und Verweisen auf andere Autorinnen bzw. Autoren. Dabei sind insbesondere knackige Definitionen, kluge Thesen und kreative Lösungsansätze zwingend zu zitieren. Schließlich will man selbst ja auch die Anerkennung für den eigenen Gedanken, wenn er welche findet. Das gilt natürlich sowohl für Aufsätze als auch für Haus- und Seminararbeiten. Zu beachten ist dabei, dass auch Argumentationsketten oder griffige Bezeichnungen eine eigene gedankliche Leistung des Autors bzw. der Autorin darstellen und deshalb regelmäßig einen Hinweis fordern.

In welcher Form zitiert werden soll, hängt von der Redaktion der Zeitschrift ab. Als Autor bzw. Autorin wird man von der Redaktion eine Anleitung bekommen, in welcher Form die Nachweise zu erbringen sind. Eine Nachfrage kann sich dabei insbesondere bei exotischeren Quellen lohnen. Auch sollte man sich bewusst sein, dass „vgl.“ und „siehe“ verschiedene Bedeutungen haben und dass Fußnoten auch nicht dazu da sind, um viel Text aufzunehmen. Ist eine Anmerkung für das Verständnis der Ausführungen wichtig, gehört sie in den Text, nicht in die Fußnote.
 

6. Veröffentlichung

Wie schaut es jetzt aber mit der Veröffentlichung aus? Glücklicherweise gibt es eine zunehmende Anzahl von studentischen Rechtszeitschriften in der Universitätenlandschaft. Diese freuen sich zumeist auch über Einsendungen von Studierenden.

Die verschiedenen Zeitschriften verfolgen dabei unterschiedliche Konzepte. Einige verstehen sich als Zeitschrift für ein bestimmtes Rechtsgebiet (so etwa die Hanse Law Review), während sich andere als allgemeine Ausbildungszeitschriften verstehen (etwa Ad legendum) und wieder andere wollen eine studentische Wissenschaftszeitschrift (etwa StudZR oder rescriptum) sein. Deswegen haben die unterschiedlichen Zeitschriften auch ein jeweils eigenes Prozedere und verschiedene Erscheinungszyklen und -formen (digital oder print).

Exemplarisch für den Entstehungsprozess eines studentischen Aufsatzes soll hier der redaktionelle Ablauf bei der rescriptum aus München sein:

 

Rescriptum - Münchner studentische Rechtszeitschrift

Die Arbeit am zu erscheinenden Heft beginnt mit dem sog. „Call for Papers“ also der Ausschreibung für die Suche nach Aufsätzen. Die Redaktion von rescriptum legt dabei schon vorab den inhaltlichen Schwerpunkt der nächsten Ausgabe fest, um die Fantasie potentieller Autoren oder Autorinnen anzuregen. Dieser „Call for Papers“ wird beworben und insbesondere auch an Professorinnen und Professoren versandt, um Empfehlungen gelungener Seminararbeiten zu bekommen, die zu einem Artikel ausgebaut werden können.

Wer sich dann dafür entscheidet, einen Aufsatz zu schreiben, schickt ein Exposé an die Redaktion, welche aus allen Einsendungen die interessantesten und vielversprechendsten Beiträge auswählt. Zu diesem Zeitpunkt muss der Aufsatz noch nicht wissenschaftlich herausragend sein – denn die eigentliche Arbeit des Verfassens beginnt erst jetzt. Innerhalb von etwa zwei Monaten versucht sich die Autorin bzw. der Autor an einer ersten Version des Aufsatzes.

Das so entstandene Manuskript wird dann von zwei Mitgliedern der Redaktion auf Stil, Sprache und Gedankenführung hin gegengelesen und mit Verbesserungsvorschlägen versehen. Nach einer zweiten Überarbeitungsrunde durch die Autorin bzw. den Autor, wird der Aufsatz anonymisiert zu einem Mitglied des wissenschaftlichen Beirats geschickt, der bei rescriptum überwiegend aus Professorinnen und Professoren der Ludwig-Maximilians-Universität München besteht. Diesem wissenschaftlichen Beirat obliegt neben der Unterstützung durch weitere Verbesserungsvorschläge auch eine Einschätzung darüber, ob der Aufsatz veröffentlichungswürdig ist.

Hat der Aufsatz auch hier sein grünes Licht bekommen, so wird er vom Layout-Team gesetzt und das Heft gedruckt und verkauft. Ein Jahr nach Erscheinung der Printausgabe sind die Texte des Heftes dann auf der Homepage kostenfrei öffentlich zugänglich.

Bereits während des Studiums einen eigenen Aufsatz zu veröffentlichen, ist in Deutschland, anders als etwa in den USA, noch außergewöhnlich. Das ist schade, denn die Arbeit am Projekt „Mein eigener Aufsatz“ schult das wissenschaftlich-juristische Urteilsvermögen und gibt der studentischen Perspektive auf die Rechtswissenschaft eine Stimme.

Das eigenständige Verfassen von Schriftstücken, seien es anwaltliche Schriftsätze, Gutachten oder eine spätere Dissertation gehen einem danach sicherlich leichter von der Hand. Der Zeitbedarf für einen sauber gearbeiteten Aufsatz darf dabei zwar nicht unterschätzt werden, sie ist jedoch sicherlich gut investierte Zeit, die unter Umständen auch die ein oder andere Freundschaft zu den Mitgliedern der Redaktion mit sich bringt oder – wer weiß – vielleicht sogar eine Fußnote in einem Kommentar, die auf den eigenen Aufsatz verweist. Denn viele der großen rechtswissenschaftlichen Autoren wissen: „Frage nicht, wer dies gesagt habe, sondern achte auf das Gesagte.“ – Thomas von Kempen

 

*Der Autor bedankt sich bei Frau RAin Katharina Baudisch für die Durchsicht.

Gütt Olk Feldhaus
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Gütt Olk Feldhaus

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